Große Windparks können Luftströmungen auf ihrer Leeseite deutlich beeinflussen. An Tagen mit Inversionen reichen die Wirbelschleppen besonders weit.

Ein Satellitenbild zeigt, wie stark und weit Offshore-Windparks
die Strömungen in ihrem Lee beeinflussen können.
// Quelle: Scientific Reports, ESA
Hinter großen Windparks ist die Luft turbulenter, zugleich weht der Wind dort etwas schwächer. Aus Satellitenbidern und Modellrechnungen ist das schon länger bekannt. Jetzt haben Forscher erstmals mit einem Messflugzeug die genauen Ausmaße der Wirbelschleppen im Nachauf von Offshore-Windparks in der Nordsee ermittelt.

Dabei zeigte sich: Bis zu 70 Kilometer hinter den Windparks ist die Windgeschwindigkeit im Vergleich zur ungestörten Strömung noch reduziert. Am stärksten traten die Effekte an Tagen mit stabilen atmosphärischen Schichtungen (Inversionslagen) auf.

Interessant sind solche Erkenntnisse auch für Gleitschirmflieger. Zwar fliegen wir kaum einmal im Einflussbereich von Offshore-Windparks herum. Doch auch an Land gibt es vielerorts mittlerweile größere Windenergie-Standorte. Die von den Rotoren verursachten Turbulenzen könnten sich auch dort weit ins Lee der Anlagen fortsetzen – wenn auch angesichts des weitaus raueren Untergrundes an Land typischerweise deutlich weniger ausgeprägt.

Vor zwei Jahren hatte der DHV eine Versuchsreihe durchgeführt, bei der Testpiloten mit Gleitschirm sich bewusst im Flug langsam von hinten einem einzelnen Windrad mit 40 Meter Rotordurchmesser annäherten. Dabei stießen sie ab rund 200 Meter Abstand zum Windrad auf spürbare Turbulenzen, die auch zu Klappern führten. Der DHV zog daraus unter anderem den Schluss, dass man sich ab einem Abstand vom fünf- bis siebenfachen Durchmesser des Rotors "auf sicherem Terrain" befinden dürfte, zumindest bei Windgeschwindigkeiten unter 25 km/h. (Zu den DHV-Versuchen gibt es auch ein Youtube-Video).


Randbereiche bergen ein besonderes Risiko

Mit einem Messflugzeug gemessene
Windgeschwindigkeiten hinter einem
Offshore-Windpark in der Nordsee.
// Quelle: Scientific Reports
Mit Blick auf die Erkenntnisse der aktuellen  Windparkstudie, die im Fachmagazin Scientific Reports erschienen ist, sollte man allerdings ruhig noch etwas vorsichtiger sein.

Zum einen dürften die Turbulenzen von ganzen Windparks weiträumiger ausfallen als die einzelner Windräder (wie im DHV-Test). Zum anderen hat der DHV nicht den Einfluss unterschiedlicher atmosphärischer Verhältnisse betrachtet.

Besonders beachtenswert: In der Windparkstudie wird darüber hinaus ein Effekt erkennbar, den der DHV bei seinen Experimenten gar nicht berücksichtigt hat.

Da Windräder einen Teil der Luftbewegung in elektrische Energie umwandeln, wird der Luft kinetische Energie entzogen. Sie fließt deshalb im Lee der Rotoren langsamer. Bei größeren Windparks zeigt sich das dann auch in der Fläche.

Aus den per Messflugzeug erhobenen Daten wird deutlich, dass die Unterschiede der Geschwindigkeit in Nabenhöhe bis zu 30 Prozent betragen können (s. Grafik a). In dem hier gezeigten Beispiel weht der Wind hinter dem Windpark nur mit 6 m/s, im "freien" Raum links daneben hingegen mit 8 bis 9 m/s.

Turbulenzenergie (TKE) hinter einem
Offshore-Windpark.
// Quelle: Scientific Reports
Interessant bzw. auch riskant ist dabei der enge Übergangsbereich von abgebremsten zu frei fließenden Luftmassen am Rand des Windpark-Lees. Hier kann es zu weiteren Turbulenzen kommen, die durch den starken seitlichen Windgradienten und daraus resultierenden Scherungseffekten hervorgerufen werden. Diese Turbulenzen können auch noch weit hinter einem Windpark auftreten, wo man sie vielleicht gar nicht mehr vermutet.

Die Grafik c) illustriert auch das sehr anschaulich. TKE steht für "Turbulente Kinetische Energie" als Maß für den Turbulenzgrad der Luft. Am linken Rand des Windpark-Lees sind die TKE-Werte genau entlang der Scherungszone am höchsten – und zwar auch noch in großer Distanz hinter dem Windpark.

Mit gesundem Menschenverstand sollte man deshalb nicht nur direkt hinter, sondern auch seitlich entlang der Leebereiche von Windrädern einen deutlichen Abstand wahren – vor allem, wenn es sich um größere Windparks handelt.