Swing verpasst seinem neuen EN-C Agera RS schon kurz nach dem Erscheinen ein Trimmungs-Update. Der Fall illustriert ein Problem, das auch andere Hersteller betrifft. 

Der Swing Agera RS ist der erste EN-C mit RAST-Technologie.
// Quelle: Swing
Auf der Website von Swing ist der Fall auf der Seite zum Schirmmodell Agera dezent hinter einem drop-down-Link versteckt: "Agera RS Upgrade 2019", heißt es dort. Wer darauf klickt, der erfährt, dass die vor dem Jahreswechsel 2019 ausgelieferten Schirme des Agera RS ein Upgrade der Trimmung erhalten sollen.

Alle später verkauften Schirme sind schon damit ausgestattet: Die A-Leinen werden ein Stückchen kürzer geschlauft, zudem erhalten die Schirme eine leicht veränderte Bremsspinne, die etwas stärker am Außenflügel greift. Beides soll helfen, das Handling und Steigvermögen des Schirmes in schwachen Thermikbedingungen zu verbessern. Einige Piloten, besonders prominent der renommierte Schirmtester Ziad Bassil (Dust of the Universe), hatten diesen Punkt zuvor bemängelt – ansonsten dem Schirm allerdings eine enorme Leistung und Stabilität attestiert.


Ein interessantes Lehrstück

Nun steht die Frage im Raum: Hat hier ein Hersteller bei der Entwicklung geschludert, dass er gleich schon nachbessern muss? Für Swing-Chef Günther Wörl ist der Fall ein interessantes Lehrstück. Denn er zeigt unter anderem, wie empfindlich moderne Schirmkonstruktionen – vor allem aus dem Leistungssektor – auf unterschiedliche Gurtzeug-Setups reagieren können.

Den unerwarteten Klagen einiger Piloten über ein wenig ansprechendes Handling des Agera RS in schwachen Bedingungen ging Swing nach Darstellung von Wörl mit verschiedenen Tests auf den Grund. Dabei zeigte sich: Die A-Leinen, die beim Agera RS konstruktionsbedingt einen größeren Lastanteil tragen als bei anderen Dreileinern, dehnen sich in der Praxis offenbar etwas mehr als Swing auf Basis von Erfahrungswerten anderer Schirme berechnet hatte. Um das auszugleichen, werden die A-Leinen nun ab Werk etwas kürzer eingestellt, damit sie dann nach wenigen Flugstunden, wenn sie sich "gesetzt" haben, die gewollte Trimmung erreichen. So etwas ist eine durchaus übliche Praxis, wenn sie auch selten so offen kommuniziert wird.

Interessanter ist die zusätzliche Neutrimmung der Bremsspinne. Versuche von Swing zeigten, dass der Agera RS in der Version ohne "Upgrade" sehr empfindlich darauf reagiert, welches Gurtzeug und welche Gurtzeug-Einstellungen man verwendet. Die Entwickler und Testpiloten hatten die Agera-Prototypen stets mit Gurtzeugen mit Sitzbrett geflogen und das Handling daraufhin optimiert, dass der Schirm auch in turbulenter Luft eine große Stabilität vermittelt. Nun stellte sich allerdings heraus: Wird der Schirm mit anderen Gurtzeugen, z.B. sitzbrettlosen Varianten mit dem Prinzip einer Hängematte oder mit sehr weit geöffnetem Brustgurt geflogen (was Einfluss auf den Bogen der Kappe hat), kann sich das negativ auf die Agilität und den Kurvenflug auswirken. Der Schirm wird sperrig, verlangt mehr Bremse, um ums Eck zu kommen, und steigt dann entsprechend schlechter (erst Recht in der Kombination mit den etwas gelängten A-Leinen). Die mit dem Upgrade stärkere Betonung der Bremse am Außenflügel erleichtert die Kurveneinleitung und soll so den erkannten Schwachpunkt ausgleichen.


Das Problem der Gurtzeugvielfalt

Der Fall des Agera RS illustriert beispielhaft ein Problem, mit dem nicht nur Swing zu kämpfen hat: Am Markt ist heute eine ungeheuer große Vielfalt von Gurtzeugen zu finden. Deren Steuercharakteristik und Reaktivität in puncto Gewichtsverlagerung fällt sehr unterschiedlich aus. Wonach soll sich ein Hersteller richten: Optimiert er seine Flügel auf agile Gurtzeuge mit Sitzbrett, oder orientiert er sich besser an hoch aufgehängten, stabilen Hängematten-Gurtzeugvarianten? Je nach Kombination könnte ein Schirm mal als überaus nervös, mal als träge im Handling auffallen. Zudem können verschiedene Gurtzeuge auch Unterschiede im Extremflugverhalten eines Schirmes bedingen. So etwas wird in der Praxis aber selten thematisiert.

Ein interessantes Beispiel findet man in einem weiteren Test des schon erwähnten Ziad Bassil. Dieser flog den High-B-Schirm Step von Supair mit unterschiedlichen Gurtzeugen (Woody Valley GTO light sowie Supair Delight 3). Dabei attestierte er dem Schirm jeweils ganz unterschiedliche Charaktere und empfahl letztendlich die in der Luft deutlich entspanntere Kombination des Step mit dem Delight 3 aus gleichem Hause.

Was kann man daraus lernen? Vielleicht sollten Hersteller in Zukunft immer angeben, mit welchen Gurtzeugen sie einen Schirm während der Entwicklung geflogen sind. Vielleicht sollten sie sogar passende Gurtzeug-Empfehlungen aussprechen? So könnten Piloten mit etwas Hintergrundwissen über den Charakter verschiedener Gurtzeuge zumindest erahnen, in welche Richtung die Agilität des Schirmes mit ihrem eigenen Gurtzeugmodell tendieren dürfte.

Swing jedenfalls sollte man das Trimmungs-Upgrade des Agera RS nicht als Schwäche auslegen. Es ist gut, wenn die Überlegungen und Gründe dahinter öffentlich gemacht werden. Schließlich ruft der Fall sehr anschaulich in Erinnerung, welche zentrale Rolle gerade auch das Gurtzeug für den Charakter und die Leistung eines Schirmes spielt.