Ein Pilot hat eine Wasserung im Gardasee per Video festgehalten und selbstkritisch kommentiert. Der Film ist ein Lehrstück dafür, wie gefährlich Ignoranz beim Fliegen werden kann.
Achtung, Update v. 10.10.: Das ursprüngliche Video mit den persönlichen Anmerkungen des Piloten wurde von ihm auf Youtube gelöscht und durch ein anderes ersetzt, das den Vorfall neutraler und mit vielen Handlungstipps zum Bessermachen beschreibt.
Kurz nach der Wasserung. // Quelle: Youtube, Screenshot |
Das Beste vorweg: Der Pilot hat glücklicherweise überlebt. Obwohl der Fall auch schnell ganz anders hätte ausgehen können. Ohne die direkte Präsenz eines Rettungsbootes, auf das der Pilot schon wenige Sekunden nach seiner Wasserung gezogen wurde, wäre es zu einem Kampf um Leben und Tod gekommen – wahrscheinlich mit schlechtem Ausgang.
So aber kann der Pilot dankenswerterweise per selbstkritischem Kommentar im Video die Entwicklung schildern, wie er sich in die am Ende lebensgefährliche Lage brachte.
Und das macht er in einer erstaunlichen Offenheit, listet einen Fehler nach dem anderen auf: Die Entscheidung für den schnellen Flug auf der Durchreise. Der Verzicht auf die am Gardasee eigentlich obligatorische Schwimmweste. Das Ausblenden der sich schnell verschlechternden Wetterbedingungen. Der Stress, der falsche Ehrgeiz und schließlich der Tunnelblick am Startplatz. Der nur halbherzige Schnellabstieg. Das viel zu weit über den See hinausfliegen. Undsoweiter...
In diversen Foren und Gruppen der sozialen Medien laufen die Diskussionen zu diesem Video heiß – mit Kommentaren aller Couleur. Vom Dank für den Mut des Postens bis hin zum Vorwurf der Dummheit ist alles darunter.
Überheblichkeit ist aber wohl fehl am Platz. Denn das Video führt sehr treffend vor Augen, wie sich Unfälle typischerweise entwickeln: Als eine Verkettung von kleineren und größeren Fehlern, vor allem aber als Folge einer gewissen Ignoranz, mit der man Vorgaben, Empfehlungen, sichtbare Zeichen und auch eigene Bauchgefühle zuweilen beiseite schiebt, nur um in die Luft zu kommen.
Wem das noch nie passiert ist, der werfe den ersten Stein. Alle anderen sollten den Film sehr selbstkritisch anschauen. Es ist ein hervorragender "Lehrfilm". Denn aus Fehlern kann man lernen, auch aus der Reflektion der Fehler anderer.
Der Film ist auf Youtube zu sehen (nur noch in der neuen, überarbeiteten Fassung):
10 Kommentare
Ich finde deine Darstellung sehr gut Lucian.
AntwortenLöschenDu hast es eigentlich schon erwähnt, aber dennoch gebührt Günter Kiphard größter Respekt, derart authentisch und selbstkritisch über eigenes Tun zu berichten, nur mit dem Ziel, uns anderen die Chance zu geben, richtige Entscheidungen zu treffen. Heldengeschichten können viele, eine solche Berichterstattung hingegen, schaffen nur sehr wenige. Robby Loeltgen
AntwortenLöschenEs ist ein hervorragender "Lehrfilm" - wie man es nicht machen sollte. Dem kann ich nur beipflichten. Deiner übrigen Darstellung auch, Lucian. Ich bin jedenfalls dankbar, hin und wieder daran erinnert zu werden, wofür die Regeln in der Ausbildung gemacht wurden. Nur zu schnell verblassen diese Regeln im Automatismus, (der ja auch etwas Gutes hat) wenn alles gut gelaufen ist und wir glücklich und voller toller Eindrücke nach der Landung am Boden stehen. Das wir gut geflogen und gelandet sind, verdanken wir auch, dass wir uns an diese Regeln gehalten haben. Die Regeln sind ja nicht ohne Grund entwickelt worden. Das Beispiel zeigt eindrucksvoll die Folgen, wenn man die Regeln nicht ernst nimmt.
AntwortenLöschenVielen Dank, Günter Kiphard, dass Du uns die Möglichkeit gibst, aus Deinen Fehlern zu lernen. Und mein Respekt, wie Du selbstkritisch mit diesem Erlebnis umgehst.
Jürgen Holzhausen
Ohne die Anwesenheit des aufmerksamen Rettungsbootsfahrer hätte sich Gunter wahrscheinlich auch in die lange Liste der Piloten einordnen müssen, die trotz ihren großen Erfahrung und unzähliger Flugstunden einem tragischen Flugunfall zum Opfer gefallen sind.
AntwortenLöschenWir kennen alle diese Pressemeldungen: "Ende September ist der bekannte Gleitschirmpilot und Szenefilmer G.K. bei einer Wasserlandung in der Höhe von Malcesine, Lago di Garda, Italien ums Leben gekommen. G. galt als sehr erfahrener und umsichtiger Pilot."
Ich bin froh, dass diese Meldung nicht Wirklichkeit geworden ist und wünsche Gunter von ganzem Herzen, dass er diese Grenzerfahrung schnell und und vor allem abschließend verarbeiten kann.
Uns anderen, ebenso erfahrenen wie umsichtigen Piloten zeigt Gunters Geschichte ganz klar, dass wir uns immer, immer und immer wieder vor jedem Start mit allen Ponderabilien des anstehenden Flugs auseinandersetzen müssen. Ein „es wird schon gutgehen“ oder „was soll schon groß passieren“ kann schnell in ein fatales Ende münden.
Vielen Dank Gunter für Deine Offenheit. Und sei beruhigt, Dein und damit auch unser Erkenntnisgewinn, macht die, nur in Deiner Einschätzung vorhandene Beschädigung Deines Ansehens mehr als wett.
Ich freue mich schon jetzt auf viele, viele weitere tolle Gleitschirmfilme von Area28!
Dr. Michael H. Fenner
Schlüchtern
Höhe abbauen im Luv des geplanten Landeortes.
AntwortenLöschenDas ist eine Grundregel, das gilt immer!
Alle anderen Fehler Gunters finde ich entschuldbar.
Knipsi
Da muss ich Knipsi leider widersprechen, es gibt m.E. noch mindestens einen weiteren fatalen Fehler.
AntwortenLöschenIch weiß nicht, ob das heute noch Lehrmeinung bei der Ausbildung ist, möchte aber doch in Erinnerung rufen, was man jedenfalls vor 23 Jahren in der A-Schein-Ausbildung gelernt hat, für den Fall dass eine Wasserlandung unvermeidbar erscheint (und das ist sie im Film spätestens da, wo im Starkwind-Lee der Landeplatz nach einfacher Peilung als unerreichbar erkennbar wird!).
Die Empfehlung lautete damals, frühzeitig (etwa ab 50 m Höhe = gut 30 sec vor der Wasserung) alle Schnallen am Gurtzeug zu öffnen, so dass man der Gefahr entgeht, zum Spielball des windgezogenen Schirms zu werden, oder / und gleichzeitig vom Airbag mit dem Gesicht unter Wasser gedrückt wird. Beides ist im Film gut zu sehen. In der Panik, die beim drohenden Ertrinken aufkommt, hat man kaum eine Chance, sich vom Gurtzeug zu lösen oder unter dem Schirm wegzutauchen, falls er auf den Piloten fällt.
Außerdem wurde uns empfohlen, in einem See mit Rückenwind zur Wasserung anzusetzen und kurz vor der Wasserung sich aus geringer Höhe (3-5 m) aus dem Gurtzeug gleiten zu lassen. So dass der Schirm erst gar nicht auf den Piloten fallen kann und eine Lösung vom Gurtzeug nicht durch Leinen etc. behindert werden kann.
Auch von mir noch einmal Respekt für den Mut, mit dem Film an die Öffentlichkeit zu gehen, und damit einen Denkanstoß für alle zu geben.
Günther Widmann, Oberreute
@Günther Widmann
AntwortenLöschenWie Gunther auch im Video erwähnt, lässt sich die Höhe über Wasser
schlecht einschätzen. Hier wird (glaube ich) nicht mehr gelehrt,
sich aus dem Gut gleiten zu lassen.
Es ist auch ein Beispiel dafür wie man zum schlechteren Piloten wird wenn man zu sehr denkt dass man ein guter Pilot ist. Zum Beispiel: das Wetter wird schlechter, aber das kriege ich schon hin. Andere Piloten starten nicht mehr, aber ich kriege das schon hin.
AntwortenLöschenIch danke auch Günther dafür dass er es gepostet hat. Wir machen alle manchmal die dümmsten Fehler.
Noch ein Nachtrag. Zum Thema Wasserlandung gibt es ein aufschlussreiches Lehrvideo von "Freiflieger.de" auf https://www.youtube.com/watch?v=dd88vajsfM0 , oder auf deren Website im Gleitschirmlexikon unter "Wasserlandung".
AntwortenLöschenInteressant dabei:
1. Obwohl die Tests in Schwimmbad mit Rettungstauchern im Becken abliefen, ist es nicht leicht für einige Testpersonen "Ruhe zu bewahren", wie empfohlen wird. Panik ist eben ein ganz besonderer Mix aus Adrenalin und Fluchtreflexen.
2.Staudruck-Airbags am Gurtzeuge scheinen einen gewissen Vorteil bei einer Wasserung zu haben, weil sie sich relativ rasch durch den Wasserdruck entleeren (wenn auch nicht ganz), so dass der Auftrieb und damit der Druck nach unten für den Piloten geringer ist, als bei Schaumprotektoren.
3. Gerade auch der Rettungsschirm kann hier zusätzlich zum Gleitschirm zur tödlichen Krake werden. Auf das im Film empfohlene Kappmesser würde ich da nicht viel geben, wenn Panik einsetzt. Wer schon mal versucht hat, eine einzige Leine ganz gemütlich mit einem scharfen Messer durchzuschneiden, weiß, was ich meine, wenn man bedenkt, dass es sich dann evtl. um zwei Dutzend oder mehr Leinen handeln kann.
Fazit: Nach diesem Video gebe ich trotzdem einer "kontrollierten Arschbombe" aus 3 bis 5 m Höhe den Vorzug, auch wenn man sich verschätzen kann. Den Unterschied zwischen 3 und 30 m sollte man durch konzentrierte Peilung auf das Ufer hinbekommen können.
Günther Widmann, Oberreute
Beide Videos wurden gelöscht. Für Lehrzwecke (und ausschließlich für diese) kann einer Flugschule (natürlich kostenlos) auf Anfrage über Email ein Link zur Verfügung gestellt werden.
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