Föhn braucht nicht unbedingt starke Druckunterschiede als Antrieb. Auch die Temperatur der Luftmassen spielt eine wichtige Rolle. 

Gut erkennbare Föhnschneisen in den Windprognosen
von Burnair für 2000m, basierend auf ICON-D2.
// Quelle: burnair.cloud

Heute ist eine besondere Föhnlage in den Alpen. Nicht extrem stark, aber beispielhaft. Denn der Tag führt sehr schön vor Augen: Für die Entstehung von Föhnströmungen, die zumindest in den bekannten Föhnstrichen auch kräftiger ausfallen, braucht es nicht unbedingt starke Luftdruckgradienten.

Es gibt noch einen zweiten Antreiber, damit sich Luftmassen über die Alpenkämme drängeln und in die Täler ergießen: die Temperatur. 

Kältere Luft hat eine größere Dichte und ist somit schwerer. Damit tendiert sie dazu, sich unter wärmere, leichtere Luftmassen zu schieben. Es ist eine simple Folge der Schwerkraft. 

Föhn bei nur 2 hPa Druckdifferenz?

Föhndiagramm 03.12.22
// Quelle: Meteocentrale.ch

Wenn kalte Luftmassen über die tieferen Kammbereiche eines Gebirges auf die Leeseite schwappen, rutschen sie dort hinab und saugen zugleich weitere Luft nach. Schon ist ein Wind geboren, der nur zum kleineren Teil durch großräumige Druckunterschiede angetrieben wird. Den Rest besorgen hydraulische Kräfte. In den Tälern kanalisiert, kann so ein Wind erstaunlich kräftig werden.

Wer an einem Tag wie heute nur auf klassische Föhndiagramme schaute, würde wohl kaum an Föhn denken. Die Luftdruckdifferenzen zwischen Zürich und Lugano erreichen in den Prognosen kaum mehr als 2 hPa. Das spricht für eine Südströmung, aber nicht zwangsläufig für Föhn.

Temperaturgradient als Föhntreiber

Temperatur auf 2000m (800 hPa) gemäß ICON-EU.
Die Südalpenseite ist deutlich kälter.
// Quelle: Meteoblue.com

Interessant wird die Lage allerdings, wenn man auch die Temperatur der Luftmassen auf beiden Seiten des Alpenkammes betrachtet – und zwar nicht die Temperaturen am Boden, sondern im schon halbwegs freien Luftraum. Empfehlenswert ist hier der Blick auf Temperaturkarten für das Druckhöhenniveau 800 hPa (~2000m).

Da wird heute schnell deutlich: Auf der Südalpenseite ist es auf dieser Höhe verbreitet rund 3-4°C kälter als weiter im Norden. Die kältere Luft wird deshalb, wo sie es kann, nur zu gerne ihre Rutschpartie in die nördlichen Täler hinein starten. 

Um solche druckgradient-armen Föhnlagen zu erkennen, muss man heute kein ausgewiesener Meteo-Experte mehr sein. Die seit wenigen Jahren verfügbaren Meteo-Modelle mit höherer Auflösung wie ICON-D2, Cosmo-1 oder Arome können die Topographie des Alpen mittlerweile so gut abbilden, dass auch die durch Temperaturdifferenzen verstärkten Strömungen in den typischen Föhnstrichen bzw. Föhntälern einem gut vor Augen treten.

Windkarten für 800 hPa beachten!

Auch in Windy treten die Föhnschneisen als 
grün-orangene Finger hervor.
// Quelle: Windy.com, ICON-D2

Zum Check einer möglichen Föhnlage sollte man nicht nur auf  die klassischen Föhndiagramme schauen, sondern immer auch die Windprognosen in den High-Res-Modellen beachten. Wieder empfiehlt es sich, für den Alpenraum die Karten für das Druckhöhenniveau von 800 hPa zu studieren. Wenn dort in den Farbschattierungen fingerartige Streifen mit deutlichen Windspitzen zu erkennen sind, sollte man als Gleitschirmflieger v.a. im Einflussbereich dieser Föhnschneisen sehr vorsichtig zu sein.

Welche Meteoseite man als Quelle wählt, bleibt den eigenen Vorlieben überlassen. Besonders eindrücklich bzw. kontrastreich treten solche Föhnschneisen anhand der für Gleitschirmflieger optimierten Farbskala in den Wetterprognosen der Burnair-Map hervor (s. Bild ganz oben). Allerdings bleibt diese Darstellung zahlenden Burnair-Abonnenten vorbehalten. 

Gut erkennbare Föhnschneisen im 2000m Wind
bei XCTherm. // Quelle: xctherm.com/icon

Fündig wird man freilich auch im frei zugänglichen Portal Windy. Dort sollte man für den Föhn-Check als Modell ICON-D2 wählen und die Höhe der Anzeige auf 800 hPa einstellen. 

Eine dritte, ebenfalls kostenfreie  Möglichkeit sind die Windkarten auf den Meteo-Seiten von XCTherm, die ebenfalls ICON-D2 als Quelle nutzen. Dort tritt die in den Föhnschneisen beschleunigte Strömung in den Karten für die Höhe 2000m ebenso sehr augenscheinlich zutage.

Übrigens heißt eine gut erkennbare Föhnströmung auf 2000m nicht, dass diese zwangsläufig bis runter in die Täler durchschlagen wird. Die Föhn-Luftmassen erwärmen sich beim Absinken im Lee ja trocken-adiabatisch mit 1°C pro 100m. Gerade jetzt im Winter kann es vorkommen, dass am Talboden im Verhältnis doch noch deutlich kältere und somit schwerere Luft liegt. Sie wird vom Föhn nicht unterwandert und auch von oben her nur langsam erodiert. 

Von einer bodennahen Ruhe darf man sich nicht fehlleiten lassen. Nur wenige Dutzend oder Hundert Meter weiter oben kann es fürs Gleitschirmfliegen dennoch extrem ungemütlich und gefährlich sein.


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