Ben Lewis ist mit seinem Gleitschirm in Indien in eine Gewitterwolke geraten. Der heftige Aufwind trug ihn auf über 7300m Höhe.
Symbolbild eines Gewitterfluges // Quelle: KI-generiert, Microsoft Designer |
Wenige Tage später lud er das IGC-File seines Fluges vom 17. Oktober im XContest hoch – mitsamt einer bewegenden Beschreibung seiner Erlebnisse.
Er hofft, dass andere aus seinem Fehler etwas lernen können und dunkel aufschießenden Wolken mit mehr Respekt begegnen.
Nachfolgend die deutsche Übersetzung seines Berichtes:
"Ich schreibe dies in der Hoffnung, dass es ein abschreckendes Beispiel für andere sein kann, nicht die gleichen Fehler zu machen. Die vergangenen Wochen, in denen ich in Bir geflogen bin und die großen, bedrohlichen Wolken eigentlich ziemlich harmlos waren, haben mich offenbar in einen Zustand der Selbstüberschätzung versetzt. Ich habe mehrere deutliche Warnzeichen ignoriert. Als ich reagierte, war es zu spät, um den Kurs zu ändern oder die Flughöhe zu kontrollieren.Der Sturm war unglaublich heftig und ich verlor völlig die Kontrolle über meinen Schirm. Irgendwo in der Nähe des Scheitelpunkts meines Aufstiegs wurde ich ohnmächtig – vermutlich eher wegen der G-Kräfte des spiralförmigen Aufstiegs als wegen der dünnen Luft. Die Kräfte waren so stark, dass ich nicht in der Lage war, mich in meinem Gurtzeug aufzurichten. Ich hing irgendwann nur noch gekrümmt und resigniert da.Ich überlegte, ob ich die Leinen mit meinem Rettungsmesser durchschneiden sollte. Aber meine Hände waren zu kalt dazu. Ich war sicher, dass ich sterben würde. Meine letzten Gedanken galten meiner Familie, und ich war zutiefst traurig und voller Schuldgefühle, sie so zu hinterlassen.Ich war dann überrascht, als ich in den Bäumen hängend aufwachte, nur etwa einen Meter über dem Boden. Es hagelte und meine Hände waren eiskalt. Ich konnte sehr schlecht sehen. Meine linke Hornhaut war gefroren, so dass mein linkes Auge praktisch blind war,. Auf der rechten Seite hatte ich eine Netzhautblutung, die den größten Teil meines zentralen Sehens verdeckte. Das linke Trommelfell war geplatzt. Ich hatte mir tief in die Zunge gebissen. Ich hatte hinten rechts eine Rippenfraktur, links eine Schultereckgelenksprengung und starke Muskelschmerzen im Nacken und Rücken. Glücklicherweise aber keine Brüche der Wirbelsäule oder Gliedmaßen.Ich saß unter meinem Schnellpacksack und atmete vielleicht 30 Minuten lang in meine Hände. Der Hagel ging in Regen über und hörte schließlich auf. Ich hatte keinen Handy-Empfang, aber ich wusste, wo ich war.Ich schälte mich aus dem Gurtzeug, stieg durch das Flusstal im Dschungel ab und erklomm schließlich eine Seite der Schlucht, um noch vor Einbruch der Dunkelheit Handyempfang zu haben. Es waren die schlimmsten zwei Stunden meines Lebens.Es gelang mir, meine Freunde zu erreichen. Sie halfen, eine Rettung zu organisieren. Eine einheimische Familie fand mich bei Einbruch der Nacht am Hang und führte mich zu ihrem Haus. Dabei hielten sie mich buchstäblich an der Hand, da ich in der Dunkelheit praktisch blind war. Sie rieben meine Hände und Füße mit heißem Wasser und Öl ein, zogen mir liebevoll alle Pflanzenstacheln aus der Haut und gaben mir etwas Warmes zu trinken. Ich war überwältigt von ihrer Großzügigkeit. Sie lehnten jedes Angebot einer Bezahlung ab.Wenig später erschienen meine guten Freunde mit trockener Kleidung vor dem Haus, und nach einem tränenreichen Abschied von der Familie gingen wir hinunter zum wartenden Taxi.Ich habe so ein unglaubliches Glück, dass ich noch lebe! Und ich ich bin allen dankbar, die zu meiner Rettung beigetragen haben.Drei Tage später habe ich immer noch starke Schmerzen, aber es wird besser. Ich kann meine Finger wieder benutzen, und sogar mein Sehvermögen verbessert sich langsam.Ich kann nur hoffen, dass andere Piloten, die dies lesen, aus meinen Fehlern lernen und den Wolken/Stürmen den Respekt zollen, den sie verdienen. Ich wünsche allen sichere Flüge."
In der Wolke erreichte Ben Lewis eine maximale Höhe von fast 7400 Metern, mit einem maximalen Steigen von 16 m/s und sogar 19 m/s maximalem Sinken.
Hörtipp zum gleichen Thema: 2019 geriet der Österreicher Emanuel Schuster bei einem Flug am Schöckl in eine Gewitterwolke, die ihn bis auf 6400 Meter Höhe trug, bevor sie ihn wieder ausspuckte. Seine Erlebnisse und seine Lehren daraus schilderte er eindrücklich in der Episode 12 - Gewitterflug im Podcast Podz-Glidz.
2 Kommentare
Mehr Glück als Verstand! Und, mir fehlt einfach das Verständnis dafür was offensichtlich erfahrene Piloten dazu bewegt, den Boden zu verlassen, wenn eindeutige Prognosen, oder sogar schon Sichterfahrung, auf die Entstehung von CBs hinweisen.... Nur weil es einmal harmlos war...? Der Krug geht solange zum Brunnen bis er bricht und gibt dem Sport, sobald es die Massenmedien übernehmen (TT & Co sind voll von deratigen 'near fatal happenings' auf die diverse Poster dann auch noch stolz sind), dann heißt es wieder 'Risikosportart' oder weniger harmloses. Sry wenn ich mich ausrotze. Ich freu mich für seine Angehörigen und ihn, natürlich, und finde es gut, dass es hier geteilt wird. Vielleicht gibt es ja Anregung, das allzuhäufig 'geht scho' mit dem sich der/die einen oder anderen in die Luft hebeln, zu überdenken.
AntwortenLöschenInteressant, wie du mit den Fehlern anderer umgehst. Ich versuche dagegen einen komplett anderen Ansatz. Statt auf jemanden einzuschlagen, der seinen Fehler bereits erkannt und zugegeben hat (und sei er auch noch so groß und fahrlässig verursacht), überlege ich konstruktiv, welchen Erkenntnisgewinn man aus einem Fehler ziehen kann. Ich denke, Fehlerberichte (besonders dieser) benötigten keine Empörung anderer, um einen (noch) größeren Lerneffekt zu erzielen. Es führt vielmehr dazu, dass andere dazu zukünftig bestrebt sind, ihre Fehler zu verheimlichen oder zu vertuschen, was dazu führt, dass Fehler eher öfter wiederholt werden.
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