Die Thermikmesse 2019 war deutlich "übersichtlicher" – was angesichts einiger fehlender, namhafter Aussteller zu erwarten war. Der Branche fehlt eine gemeinsame Vision.

Der größte Andrang auf der Thermikmesse 2019 herrschte bei den
Gurtzeugherstellern. Doch auch hier fehlten einige wichtige
Player des Marktes. // Foto: Lu-Glidz
Über die Vorgeschichte dieser Thermikmesse hatte Lu-Glidz schon mehrfach berichtet (siehe: Thermikmesse am Scheideweg und Thermikmesse im Umbruch). Die Realität in Halle 10 der CMT in Stuttgart entsprach dann auch den zurückgeschraubten Erwartungen. Weniger Fläche, weniger Aussteller lockten auch weniger Besucher.

Das heißt nicht, dass überall die Stände leer waren! Gerade jene größeren Hersteller wie Woody Valley (Turnpoint), Skywalk, Supair, Swing und Nova, die zahlreiche Gurtzeuge präsentierten, waren immer wieder dicht umlagert. Sie dürften ihre Messepräsenz in diesem Punkt durchaus als Erfolg werten. Ähnliches galt zum Teil auch bei den Vario-Anbietern, allen voran Skytraxx. Der Schwarzwälder Hersteller hatte mit dem Skytraxx 2.1 als einziger auch eine echte Neuheit in diesem Sektor zu bieten.

Davon abgesehen lieferte die Branche (gerade auch durch Abwesenheit!) ein eher gesättigtes, uninspiriertes Bild. Von Aufbruchstimmung war wenig zu spüren. Szenefremde CMT-Besucher bekamen erstaunlich wenig geboten, was sie für das Hobby Gleitschirmfliegen hätte faszinieren können. Keine Action, keine Show-Vorführungen (außer einem Teddybären am Nova-Stand, der immer wieder unter einem kleinen Rettungsschirm vom Hallendach fiel), keine schon von Weitem blickfangenden Flugvideos auf Großbildleinwänden, keine beschwingte Musik, kein Coolness-Faktor. Selbst der DHV, der noch vor einem Jahr bei der Thermikmesse einen prominenten Stand am Eingang der Halle hatte und dort die Werbetrommel rührte, war jetzt weiter hinten im Rund von Ausstellern versunken. Dorthin dürften deutlich weniger "Newcomer" den Weg gefunden haben.


Hat sich die Thermikmesse schon überlebt?

Jetzt stellt sich die Frage: Wie weiter? 2020 soll die Thermikmesse noch einmal im Rahmen der CMT stattfinden, wenn auch mit erneut geändertem Konzept: In einer eigenen Halle, stärker abgegrenzt vom anderen Messetreiben, um wieder mehr ins Bild einer Fachmesse zu passen. Aber werden die Hersteller diesem Angebot des Veranstalters Jürgen Häffner eher folgen? Werden die verlorenen wieder zurückkehren? Oder werden nicht auch weitere der verbliebenen aus den Erfahrungen dieses Jahres heraus den Schluss ziehen, dass ein Branchentreff, auf dem die halbe Branche fehlt, sich de facto schon überlebt hat? Noch ist es zu früh, hierfür eine Prognose zu wagen. Zumal es noch andere Entwicklungen gibt, die derzeit als düstere Wolken am Horizont stehen und den Lauf der Dinge beeinflussen könnten.

Viele der Hersteller (gerade auch der abwesenden) begründeten ihre Zurückhaltung bei der Thermikmesse auch damit, dass sie auf großen Testivals wie dem Stubai-Cup oder in Kössen viel bessere Möglichkeiten hätten, ihre Produkte den Piloten zu präsentieren. Doch genau diese Events hängen derzeit an einem seidenen Faden: Die Behörden bürden den Veranstaltern mittlerweile so hohe Sicherheitsauflagen auf, dass bis dato noch immer nicht offiziell bestätigt ist, ob sie in 2019, geschweige denn in Zukunft überhaupt werden stattfinden können.

Mit anderen Worten: Wenn es schlecht laufen sollte, könnte der Gleitschirmbranche jeglicher Boden entzogen werden, auf dem sie sich im deutsch-sprachigen Raum noch gemeinschaftlich einer größeren Piloten-Community präsentieren kann. Dazu hätte dann auch diese Gemengelage aus Spardrang, Ignoranz, Kurzsichtig- und Visionslosigkeit beigetragen, für die sich viele Hersteller an ihre eigene Nase fassen müssten. Vielleicht wird es manchen noch Leid tun, die Thermikmesse 2019 ausgelassen zu haben.


Marktnews von der Thermikmesse 

Auf der Thermikmesse in Stuttgart wurden auch einige Neuigkeiten verkündet – mal mehr, mal weniger offiziell. Hier eine knapp gehaltene Zusammenstellung (ohne jeglichen Anspruch auf Vollständigkeit):

Aircross: Den High-B U Cruise gibt es demnächst in einer Leichtversion als U Cruise Evo. Sie spart gegenüber der verhältnismäßig schweren "Normalversion" rund 1,5 kg ein. Zudem kommt ein neuer EN-A: U Go. Es handelt sich um eine Variante des neuen Sol-Schirms Prymus 5.

Nova: Den High-B Mentor gibt es jetzt in seiner sechsten Auflage als Mentor 6. In der zweiten Jahreshälfte soll es davon auch eine Leichtversion geben. Zudem ist ein weiterer Leichtschirm geplant. Die Marke feiert in diesem Jahr ihr 30-jähriges Bestehen.

High Adventure: Vom rogallo-artigen Retter Beamer 3 wird es eine weitere Größe für Anhängelasten bis 170 kg geben.

Skywalk: Breeze heißt ein 2,2 kg leichtes Schlaufengurtzeug (ohne Sitzbrett) mit einem aufblasbaren Protektor und Retter unter der Sitzfläche. Das verbaute Protektorsystem namens Permair soll künftig zur Basis weiterer Gurtzeugentwicklungen der Marke werden. Daneben verkündete Skywalk auch eine neue Square-Rettung, die Salsa. Im Vergleich zum Modell Pepper Cross ist sie etwas günstiger und schwerer, bietet dafür etwas verringerte Sinkwerte. Seit kurzem auf dem Markt ist der als "Multitool" vermarktete Mid-B Arak.

Woody Valley: Den Kreuzkappenretter Quadro gibt es jetzt auch in der Größe 140.

Supair: Neben den Liegegurtzeugen Delight 3 und Skypper 2 haben die Franzosen jetzt auch das Acrogurtzeug Acro 4 neu im Programm.

Swing: Agera RS heißt der neue C-Schirm mit weiter entwickeltem Rast-System.

Phi: Designer Hannes Papesh will mit dem Maestro den High-B-Sektor aufmischen. Der Schirm hat seit kurzem in den meisten Größen die Zulassung.

Sky: In 2019 kommt neu der Apollo 2 (EN-B), der Leichtschirm Kea 2 und der A-Schirm Aya. In der Pipeline ist auch ein neues Leicht-Liegegurtzeug Skylighter 4, bei dem Sky erstmals auch einen aufblasbaren Protektor einsetzen will.

Neo: der kleine, aber feine französische Hersteller war erstmals auf der Thermikmesse präsent und zeigt dort u.a. seine Liegegurtzeuge Suspender und Stay Up. Deren Besonderheit ist der Einsatz sogenannter Koroyd-Protektoren, die bei 9 Zentimeter Dicke dennoch gute Verzögerungswerte erreichen. Beim Suspender formt der Protektor sogar eine Art stabile Sitzschale wie bei einem Racing-Sitz.

Skytraxx: Das Skytraxx 2.1 ist ein Allround-GPS-Vario, das mit einer langen Laufzeit und integriertem Fanet/Flarm glänzt.

Flymaster: Der portugiesische Hersteller arbeitet an einem neuen High-End-Vario, das erstmals auch ein Farb-Display haben soll.

XC Tracer: der Schweizer Solarvario-Hersteller bietet neu den XC Tracer II Flarm, in den eine Kollisionswarnsystem nach dem Flarm-Standard integriert ist.

Volirium: Für das Volirium P1 soll es bald auch ein Flarm-Modul geben.

Naviter: Die Slowenen arbeiten daran, Fanet/Flarm in ihre Geräte zu integrieren.

Renschler: Schon vor zwei Jahren als Prototyp gezeigt, kommt nach viel Entwicklungs- und Optimierungsarbeit in diesem Frühjahr das Solarvario Solario+ mit Bluetooth, Sprachausgabe und GPS-Option auf den Markt.

Abgeflogen: Der auf Para-Zubehör und Bekleidung spezialisierte Hersteller hat eine speziell auf die Bedürfnisse von Gleitschirmpiloten zugeschnittene Jacke namens Aventus 3.1 entwickelt.

Videomitschnitte des Vortragsprogramms 2019 dürften bald im Youtube-Kanal der Thermikmesse erscheinen.