Der Apco Nestra light ist ein leistungsstarker 2,5-Leiner High-B mit einem besonders gefälligen Kurven- und Thermikhandling 

Apco Nestra light // Fotos: Lu-Glidz

Die hier beschriebenen Eindrücke zum Apco Nestra light habe ich bei Flügen und Groundhandling-Sessions rund um die Eifel und in den Vogesen gewonnen. Geflogen bin ich den Schirm in der Größe M (76-96 kg) mit rund 93 kg Startgewicht. Das Gurtzeug war ein leichtes Liegegurtzeug von Karpofly. Der Schirm wurde mir für den Test freundlicherweise von Stephan Walkowiak von Flyapco.de zur Verfügung gestellt.


[Wer besser verstehen will, mit welchem Fokus Lu-Glidz Gleitschirme testet, der sollte zuerst die Interpretationshilfe für Schirmtests lesen! Mir geht es nicht darum, Schirmen eine Gesamtnote zu geben, sondern die verschiedenen Eigenschaften zu beschreiben. Was wem wie wichtig ist, liegt am Ende im Auge des Betrachters und hängt mit eigenen Vorlieben und auch Erfahrungen zusammen. Bedenke auch: Ich teste immer nur eine Größe mit einem Typ von Gurtzeug im oben angegebenen Gewichtsbereich. Mit einem anderen Setting könnte sich auch ein abweichendes Verhalten ergeben.]


Der israelische Hersteller Apco ist einer der ältesten am Markt. Früher war die Marke auch in Deutschland und den Alpenländern stärker vertreten, verlor dann aber an Einfluss. Die Schirme standen zwar immer im Ruf, gute Qualität, herausragende Haltbarkeit und einige interessante technische Ansätze zu bieten. Allerdings verpasste die Marke den in Europa aufkommenden Trend hin zu leichteren Ausrüstungen. In jüngerer Zeit bemüht sich Apco erkennbar, wieder Anschluss zu finden. 

Technische Daten Nestra
(klick ins Bild für eine
größere Darstellung)

Beim hier getesteten High-B-Schirm wird das sogar gleich im Namen marketingtechnisch erkennbar: Er heißt "Nestra light", obwohl es gar keine schwerere Version davon gibt. Mit einer vier vor dem Komma beim Gewicht aller verfügbaren Größen fällt die Kappe de facto in die mittlerweile übliche Kategorie "semi-light".

Die technischen Daten des Nestra light lassen durchaus aufmerken. Sie zeigen, dass Apco hier vor allem auf die leistungs- und XC-orientierten Piloten als Kunden zielt. Der 61-Zeller mit Shark-Nose kommt mit einer Streckung von 6,0 daher und ist als hybrider 2,5-Leiner konstruiert. Das heißt, dass die Außenflügel wie bei einem Zweileiner nur noch an zwei Stammleinenebenen aufgehängt sind, während die Schirmmitte über A+B+C-Ebene verfügt. 

Apco betont dabei, dass der Nestra ein "echter" 2,5-Leiner sei, weil die jeweils hinteren Leinenebenen sich nicht unter der Kappe nochmals zu einer weiteren stützenden Ebene aufgabeln. So liegt der Nestra mit nur 215 Metern Gesamtleinenlänge in der getesteten Größe M gleichauf oder sogar unter typischen Zweileinern aus der C-Klasse!

Mylar-Verstärkungen der
Leinenaufhängungen

Die weiten Abstände zwischen den Aufhängungspunkten verlangen freilich weitere stabilisierende Maßnahmen. So ist der Schirm in fast Kappentiefe komplett mit dünnen Nylondrähten versteift, was zwangsläufig ein wenig zu Lasten des Packmaßes geht. Zudem sind viele Leinenaufhängungen zusätzlich mit breiteren Mylar-Verstärkungen abgestützt. 

Das etwas reduzierte Gewicht kommt hauptsächlich durch den verwendeten Tuchmix aus 42er, 33er und 27er Skytex zustande, wobei auch im Kappeninneren alle nicht aufgehängten Rippen aus 27er-Tuch bestehen.

Beim Kappenaufbau gibt es einige kleine Besonderheiten, die in dieser Form nur bei Apco zu finden sind: Am Untersegel sitzen keine Leinenloops, sondern dort sind kurze Dyneema Galerieleinen als sogenannte Embedded Hook-in Points direkt eingenäht. Das soll den Luftwiderstand senken. Ob das tatsächlich aerodynamisch etwas nennenswertes bringt, ist kaum nachprüfbar.

V-Link Leinenschloss

Keine eindeutigen Vorteile bringen auch die sogenannten V-Links. Das sind geschmiedete Leinenschlösser, die am Tragegurt anstelle von Schraubschäkeln zum Einsatz kommen. Die V-Links sind zwar leichter und sehen edler aus als übliche Maillons. Allerdings erschweren sie ein Trimmtuning der Kappe, sollte dieses mal nötig sein. 

Apco führt zwar aus, dass der verwendete Leinensatz komplett aus unummanteltem Aramid (Edelrid 8001) ein Schirmleben lang kein Nachtrimmen erfordern soll. Um nachzuprüfen, ob das in der Langzeitpraxis tatsächlich stimmt, reichte der Zeitrahmen dieses Tests allerdings nicht aus! 


Starten:
Kobra-Start

Der reduzierte, unummantelte Aramid-Leinensatz des Nestra light fällt gut auseinander. Die mittlere Leinenebene neigt etwas zur Schlaufenbildung. Beim Sortieren erschweren die komplett in rot gehaltenen Stammleinen die Übersicht. Hier hätte Apco für meinen Geschmack besser auf weitere Leinenfarben gesetzt, wie sie in der verwendeten 8001er Serie von Edelrid durchaus verfügbar sind. 

Als völlig unpassend für europäische Verhältnisse halte ich die schwarz ummantelte Bremsleine. In der israelischen Wüste mag sich schwarz ja vielleicht gut gegen einen hellen, sandigen Untergrund abheben. Auf einem Wiesenstartplatz in den Alpen erweist sich das aber als echte Tarnfarbe. 

Beim Aufziehen des Schirmes muss man sich an die relativ hohe Streckung und überdurchschnittlich langen Leinen anpassen. Vor allem bei Nullwind gilt es, die Kappe betont bogenförmig auszulegen, sonst steigen die Außenflügel gerne voraus und der Schirm formt ein "Brötchen". Das Aufziehen sollte deshalb immer nur mit den inneren A-Gurten erfolgen.

Bei nur etwas Wind wird der Nestra dann allerdings zu einem sehr gefälligen Starter. Die Kappe verlangt mit ihren stärker zurückversetzten A-Leinen einen gewissen Impuls und dann eine durchgängige Führung. Reißt man dabei nicht grobmotorisch an den Gurten, neigt sie nicht Überschießen, sondern bleibt brav wie ein Anfängerschirm über dem Piloten stehen. Auch der Kobra-Start geht gut von der Hand. 

Auch im Starkwind lässt sich der Nestra gut kontrollieren. Obwohl am Tragegurt C- und B-Ebene miteinander verbunden sind (für die BC-Steuerung, s.u.), bleibt der verfügbare Zugweg groß genug, um den Schirm beim Groundhandling leichtgängig über die C-Ebene zu kontrollieren und auch sicher zu stallen. 

 
Landen: 
Beim Landen bietet Apco Nestra genügend Energie für einen langen Flare. Wer von niedriger klassifizierten Schirmen aufsteigt, wird sich an die längere Ausgleitstrecke gewöhnen müssen. 


Bremsen: 
Die Bremsen sitzen 
an einem langen
elastischen Steg


Die Bremsgriffe lassen sich auch mit einem halben Schlag angenehm greifen. Am Tragegurt werden sie von rechteckigen Magneten gehalten, die ihre Aufgabe gut erledigen. 

Auffällig und löblich ist ein ungewöhnlich langer und zudem elastisch ausgeführter Bremssteg, der ein sehr effektives Brake-Shifting ermöglicht (waagerechtes Verschieben des Zugpunktes, um eine mehr innen- oder außen-betonte Bremsanlenkung zu erreichen).

Bei normalem Zug greift die Bremse über ein Raff-System gleichmäßig über die Hinterkante. Der Vorlauf ab Werk ist etwas länger als in dieser Klasse üblich, sollte sich aber bei Bedarf noch etwas einkürzen lassen. Der Bremsdruck liegt im mittleren Bereich und steigt linear an. Zum Abrisspunkt hin werden die Bremsen sehr hart. 


Kappenfeedback: 
Nestra im Roentgenblick

Der Nestra gehört zu den mitteilsameren Charakteren im High-B-Bereich, vergleichbar mit dem Gin Explorer 2Niviuk Ikuma 2 oder dem UP Summit X. Der Schirm liefert seine Rückmeldungen hauptsächlich über die Tragegurte und ist auf der Rollachse wenig gedämpft. Je nach Gurtzeugeinstellung kann man das in bewegteren Luftmassen zuweilen auch als störendes Hebeln empfinden – oder man bleibt einfach locker in der Hüfte. 

Pitchbewegungen hingegen sind im Normal- und Thermikflug stark reduziert, was dem Piloten in angenehmer Weise einiges an Steuerlast abnimmt. Die Kappe ist sehr kohärent abgespannt, verwindet sich nur wenig in sich, liegt satt und vertrauenserweckend in der Luft. Den Luftströmungen folgt sie sehr willig, man sollte sie einfach fliegen lassen. 


Kurvenflug: 
Die rollfreudige Kappe spricht sehr gut auf Gewichtsverlagerung an und sollte auch viel damit geflogen werden, bei geringem Bremseinsatz. Der Schirm nimmt schnell auch höhere Schräglagen an und lässt sich problemlos darin halten. 

Das ganz flache Drehen ist nicht so sein Ding. Wer es gewohnt ist, dafür auch mal das Gewicht nach außen zu legen, wird den Nestra als etwas sperrig erleben. Mit normaler Gewichtsverlagerung und dem Spielen mit dem Brake-Shifting habe ich bessere Ergebnisse erzielt. 

Gut gefallen hat mir die hohe Reaktivität im Kurvenflug: Der Schirm nimmt jeden noch so feinen Steuerimpuls direkt an und lässt sich so sehr gut z.B. in enge Thermikkerne stellen. 


Thermikeigenschaften: 
Kurbeln im Mittelgebirge

In puncto Kurven- und Thermikhandling gehört der Nestra mit zum Besten, was ich in den letzten Jahren geflogen bin. Der Schirm zieht spürbar, aber nicht sprunghaft in die Aufwinde hinein. Mit seiner reaktiven Steuerung lässt er sich dann hervorragend darin platzieren und auch halten. Dabei zeigt die Kappe hervorragende autozentrierende Qualitäten. Mit Gewichtsverlagerung und einmal eingestellter Kurvenbremsstellung geflogen, positioniert sie sich fast selbständig im Bart und lässt sich nicht so schnell herausschieben.
 
Selbst engere Thermikkreise können mit weitgehend offener Außenbremse geflogen werden, ohne dass man ein Wegbohren befürchten muss. Sanftere Abfang-Korrekturen am Außenflügel lassen sich dann auch gut mit der BC-Steuerung tätigen. 

In schwachen Bedingungen empfand ich den Nestra beim Kreisen im Pulk zwar nur als durchschnittlichen Kletterer (obwohl er etwas mehr Fläche aufweist als Explorer, Summit & Co). In engen und stärkeren Bärten lässt sich der Schirm dafür sehr effizient nach oben korken. Hier hilft auch die hohe Agilität für ein schnelles, exaktes Nachzentrieren.

Aufgrund seiner etwas höheren Streckung und Rollfreude werden allerdings nur Piloten mit schon einiger Erfahrung diese Stärken des Nestra für sich sinnvoll ausnutzen können. Er entspricht mit diesen Qualitäten eher einem Schirmtyp, den man auch in der C-Klasse ansiedeln würde.


Beschleuniger: 
B-Ebene als Durchläufer
auf der Rolle

Im Verhältnis zur sonstigen Sportlichkeit des Schirmes fällt die Topspeed des Nestra im Rund der High-B-Schirmen etwas magerer aus. Ich konnte nur rund 11 km/h Geschwindigkeitsgewinn über Trimm erfliegen. Wobei mir der Schirm von der Stabilität her den Eindruck vermittelte, durchaus mehr zu vertragen. [Vielleicht musste Apco den Nestra an dieser Stelle etwas einbremsen, um trotz einer reinen Dreileinerkonstruktion ohne stützende D-Galerien auch bei großen beschleunigten Klappern noch die Note EN-B zu erhalten?]

In der Praxis wird man die paar km/h weniger Topspeed  in der Regel verschmerzen können. Denn davon abgesehen erweist sich der Nestra auch im beschleunigten Flug als sehr gefällig. Selbst im Fullspeed zieht er ruhig und spurtreu seine Bahn, ohne harten Knick in der Polare. Zudem ist der Beschleuniger angenehm leicht zu treten und verlangt keine großen Haltekräfte. 

Da der Schirm sein bestes Gleiten bei ca. einem Drittel Beschleunigerweg besitzt, kann man sich schnell daran gewöhnen, wie ein Sportklasse-Pilot regelmäßig zumindest in der ersten Stufe im Gas zu stehen.

Unterstützt wird das durch die sehr gute BC-Steuerung. Sie ist als angenehm zu greifende Bandwippe zwischen dem C- und B-Gurt realisiert, wobei der B-Gurt als Durchläufer auf einer kugelgelagerten Rolle integriert ist. Zusammen mit der weiter zurückversetzen A-Ebene resultiert daraus ein geringer Kraftaufwand. 

Sogar ganz unbeschleunigt lässt sich die BC-Steuerung ohne Klimmzug-Charakter bedienen – für leichte Richtungskorrekturen oder die Kontrolle des Außenflügels im Thermikflug. Die Leinengeometrie des Nestra ist so ausgelegt, dass die BC-Steuerung auch auf den Außenflügel wirkt. Mit diesen Qualitäten ist der Nestra ein sehr guter Flügel, um sich auf die Steuerweisen eines Zweileiners vorzubereiten. 


Ohren schlagen nicht

Ohren anlegen: 
Zum Ohrenanlegen muss man direkt in die auf einem Durchläufer sitzenden äußeren A-Leinen greifen. Die Ohren legen sich sauber an und schlagen löblicherweise nicht. Allerdings bleiben sie recht hartnäckig drin und müssen in der Regel mit kurzen, tiefen Bremsimpulsen rausgepumpt werden. 


Steilspirale: 
Wie vom Kurvenhandling her zu erwarten, lassen sich Steilspiralen mit dem Nestra leicht einleiten. Die Kappe taucht schnell ab, nimmt sofort Fahrt auf und entwickelt vergleichbar hohe G-Kräfte. Wer noch kein geübter Steilspiralenflieger ist, sollte sich an dieses Manöver mit dem Nestra vorsichtig herantasten. Positiv ist zu vermerken, dass der Schirm sehr gut kontrollierbar und differenziert in den Sinkwerten einstellbar bleibt. Zudem kommt er erstaunlich gut ohne stärkeres Nachdrehen aus dem Kreiselflug heraus. 


Nicken: 
Das Profil des Nestra weist im Normalflug eine überdurchschnittlich hohe Nickdämpfung auf. Und auch selbst wenn man versucht, den Schirm mit getaktetem Bremseinsatz aufzuschaukeln, hält sich der Effekt in gut händelbaren Grenzen. Auch der Pendelcharakter als Langleiner trägt dazu bei, dass der Pilot ein vergleichsweise großes Zeitfenster hat, um abfangend einzugreifen. 


Rollen: 
Im Gegensatz zur hohen Nickdämpfung erweist sich der Nestra als überdurchschnittlich rollfreudig. Schon allein mit Gewichtsverlagerung kann man ihn zu nennenswerten Wingovern aufschwingen. Wer dann noch die Bremse mit dazu nimmt, sollte damit erst einmal behutsam umgehen. 


Packen:
Wie andere, auf fast kompletter Flügeltiefe durchgestabelte 2,5-Leiner erlaubt auch der Nestra light nicht die kompakteste Packweise. Zwar schreibt Apco, dass der Schirm ganz normal gepackt werden könne. Dennoch habe ich ihn lieber in einen Zellenpacksack gesteckt und dann ums Gurtzeug gewickelt, um allzu enge Knickradien zu vermeiden. In dieser Form passte die Ausrüstung samt Liegegurtzeug mit Aufblas-Protektor noch in einen 90 Liter Rucksack. 

Vor allem die Frontsektion des Schirmes trägt etwas dicker auf, u.a. weil die Stäbchen der Shark-Nose am jeweiligen Kreuzungspunkt in einer mylar-verstärkten Tasche sitzen. Für die Haltbarkeit ist das sicher von Vorteil. 


Loch als Schmutzauslass

Qualität: 
Bei der Materialwahl und der Verarbeitung mit vielen sinnvollen Verstärkungen hinterlässt der Schirm einen sehr guten Eindruck. Nur in kleineren Details sehe ich noch Verbesserungspotenzial. 

Das betrifft hauptsächlich die Farbwahl der Leinen und den Einbau normal zu öffnender Schmutzauslässe in den Außenflügeln. Der Nestra besitzt hier nur eingestanzte Löcher im Untersegel, aus denen zwar Sand herausrieseln kann, die aber Gras und kleinere Ästchen gefangen halten. Man muss diese dann aufwendig aus der Kappe herausfummeln. 


Fazit: 
Mit dem Nestra light hat Apco einen sehr ansprechenden Schirm im Portfolio. Mit dem gut umgesetzten Konzept eines 2,5-Leiners spielt er weit oben in der High-B-Kategorie mit. In puncto Handling (Kurvenflug, Thermik, leichtgängige BC-Steuerung) gehört er sogar mit zum Besten, was ich in letzter Zeit geflogen bin. Kleinere Abstriche müssen leistungsorientierte XC-Piloten nur beim Topspeed machen. Im Flachland, wo viel mit dem Wind und in stärker versetzten Thermiken geflogen wird, macht der Flügel auf jeden Fall eine gute Figur. Vom Pilotenanspruch her ist der Nestra mit einem Gin Explorer 2 oder UP Summit X vergleichbar, die ebenfalls im oberen B-Sektor angesiedelt sind. Der Nestra dürfte sogar Rücksteigern aus der C-Klasse gut gefallen. Wer vom Low-B kommt, wird den Nestra hingegen in der Regel noch als (zu) fordernd erleben. Auch wenn der Nestra die Bezeichnung "light" im Namen trägt, sind Packmaß und Gewicht nur bedingt Hike and Fly tauglich. 



Einen Apco Nestra gewinnen...

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