Der Ikuma 2P von Niviuk ist ein leichtgängiger und in der Thermik sensibler High-B-Streckenflugschirm.
Groundhandling mit dem Niviuk Ikuma 2P // Alle Bilder: Lu-Glidz |
[Wer besser verstehen will, mit welchem Fokus Lu-Glidz Gleitschirme testet und im Text auch feinen Details zuweilen viel Raum gibt, der sollte zuerst die Interpretationshilfe für Schirmtests lesen!]
Mein Test des Ikuma 1 von Niviuk ist schon sechs Jahre her. Mit dem Nachfolger hat sich Niviuk einiges an Zeit gelassen. Vielleicht hat es die Marke weniger pressiert, weil schon der Ikuma ein durchaus gelungener Schirm war. Im Test hatte ich damals viel Gutes gefunden und im Grunde nur die stark schlagenden Ohren als markanten Kritikpunkt behalten. So war ich für den aktuellen Test gespannt, ob Niviuk dieses Problem in annehmbarer Weise lösen konnte. Und natürlich: Was ist beim Ikuma 2 sonst noch als technischer Fortschritt erkennbar?
Im Test dieses Mal die Leichtversion mit dem Kürzel P (für "Plume"). In einigen Grunddaten wie der Streckung (5,7) ähnelt der Ikuma 2P dem Vorgänger. Allerdings hat der Schirm vier Zellen mehr spendiert bekommen, jetzt sind es 61.
Tragegurt mit C-Gurt-Steuerung |
Geändert hat Niviuk auch das Leinenlayout. Während der Ikuma 1 noch mit nur zwei Stammleinen pro Seite und Ebene daherkam, ist der Ikuma 2P mit je drei Stammleinen pro Seite und geteilten A-Gurten ausgestattet. Der Tragegurt weist eine C-Steuerung auf, bei der die B-Ebene über einen Flaschenzug profilerhaltend mitgezogen wird.
Typisch für Niviuk ist die Verwendung von steifem, aber pack-unempfindlichen Nitinol-Draht als Stütze in der Front und auch im Hinterflügel. An der Eintrittskante thront eine markante Shark-Nose.
Bei den Tüchern für den Ikuma 2P vertraut Niviuk auf die bei Leichtschirmen bewährte Kombination aus Skytex 32 an der Eintrittskante und doppelt beschichtetem Skytex 27 im restlichen Segel.
Kohärente Spannung über die gesamte Schirmbreite. |
Beim Aufziehen gibt es keinen Punkt des Hängenbleibens. In der zweiten Hälfte des Aufstiegs sollte man den Schirm nur noch sanft führen, um die leichte Tendenz zum Überschießen zu neutralisieren. Wer das beherzigt, kann sich einer Kappe erfreuen, mit der man auch an schwierigeren Startplätzen bzw. in anspruchsvolleren Bedingungen sehr gut zurechtkommt. Ich hatte keine Probleme, den Schirm bei Nullwind am Hang rückwärts aufzuziehen. Löblich auch das Verhalten bei Starkwind: Trotz des leichten Tuches tendiert der Ikuma 2P nicht dazu, störend aufzuflattern. Leicht vorgefüllt, wartet er geduldig auf den entscheidenden Startimpuls des Piloten. Auch bei Windenstarts verhält sich der Schirm tadellos und zeigt eine hohe Spurtreue.
Schlingfreudige Leinen |
Farblich zu unterscheiden sind die Leinen nur durch ein kurzes Mantelstück an der Einhängeschlaufe. Zumindest für die Stabilo-Leinen würde ich mir sicherheitshalber eine erkennbarere Lösung wünschen, z.B. mit einem 50cm kurzen, farbig ummanteltem unteren Leinenabschnitt, den man bei Verhängern schneller zwischen den anderen Leinen findet. Advance zeigt beim Iota DLS, dass und wie so etwas geht...
Landen: Sehr angenehm. Der Ikuma 2P besitzt ein fein dosierbares Flare-Verhalten.
Leichter Bremsgriff mit kleinem Druckknopf. |
Die Bremse selbst besitzt ab Werk einen im Klassenvergleich eher langen Vorlauf von etwas über 10 cm. Danach setzt sie mit nur geringem Druck ein, der auch nach unten raus erst spät deutlich härter werden. Die Steuerkräfte bleiben im normalen Zugbereich gering und werden einem auch bei längeren Flügen nie zur Last.
Die Bremse des Ikuma 2P ist nicht auf super-agiles Handling, sondern auf effizienten Thermikflug hin getrimmt: Sie greift anfangs vor allem mittig an den Fügelhälften und rafft erst bei tieferem Bremszug auch die Außenflügel stärker. Ein solches Setup unterstützt das flache Kreisen, bedeutet allerdings auch, dass man für steilere Kurven und abruptere Richtungswechsel etwas tiefer und impulsiver zulangen muss. Wenn man nur mit Blick auf die Agilität urteilt, wird man die Bremsen des Ikuma 2P im Vergleich zu anderen High-B-Schirmen als recht lang empfinden. Im Thermikflug kann man den Flügel mit weniger Bremszug auf der gewünschten Kreisbahn halten.
Das Feedback kommt über Tragegurte und Bremse. |
Die Kappe weist eine sehr kohärente Spannungsverteilung auf. Sie agiert als Einheit, ohne deswegen bretthart zu wirken. Sie spricht eine klare Sprache mit dem Piloten, erzählt ihm viel über die umliegenden Luftmassen, wirkt aber nicht unangenehm aufgeregt oder gar zappelig. Piloten, die mitteilsame Schirme mögen, werden diese Abstimmung zu schätzen wissen.
Kobra-Start mit dem Ikuma 2P. |
Die Kappe im Gegenlicht-Röntgenblick. |
Man kann beim Ikuma 2P allerdings einiges wettmachen, indem man impulsiver mit Gewichtseinsatz arbeitet und für schnellere Haken nicht vergisst, bewusst die Außenbremse zu öffnen. In dieser Weise pilotiert, lässt sich der Schirm auch willig in engere Steigkerne bugsieren. Die Feinfühligkeit der Kappe hilft dabei, das Zentrum zu finden. Zumal der Schirm gut spürbar, aber ohne sprunghafte Hast zum Steigen hin zieht.
Als angenehm im Thermikflug habe ich die relativ hohe Nickdämpfung des Profils empfunden. Sie entlastet den Piloten bei der Anstellwinkelkontrolle. Die Abstimmung der Rolldämpfung des Schirmes erlebte ich als weniger gelungen. Vor allem in zerrissenen Bärten lässt sich die Kappe häufiger etwas aus ihrer Kreisbahn hebeln und aufrichten. Das reduziert die Spurtreue, verlangt öfter nach Korrekturen und Nachzentrieren. Letztendlich geht das zu Lasten der Effizienz beim Kurbeln. Möglicherweise ist das bei der schwereren Normal-Variante des Ikuma 2 etwas weniger ausgeprägt.
Die Steigqualitäten des Ikuma 2P habe ich bei meiner Flächenbelastung als durchschnittlich erlebt. Das liegt vermutlich an der relativ kleinen Flügelfläche, mit der man vor allem in schwachen Bedingungen schon gewisse Nachteile im Steigen spürt, zumindest wenn man am oberen Ende des Gewichtsbereiches fliegt. Flachlandpiloten sollten das bei der Größenwahl im Hinterkopf haben.
Leichtgängiger Beschleuniger und leichtgängige C/B-Steuerung laden zum "Gasen" ein. |
Voll beschleunigt erreichte ich beim Ikuma 2P ein Plus von rund 12 km/h über Trimmspeed. Das wären zwei km/h mehr als noch beim Ikuma 1. Damit liegt der Schirm nun im guten Durchschnitt der High-B-Schirme.
Leistungsmäßig macht der Schirm v.a. bis Halbgas eine sehr gute Figur. Die Polare bleibt angenehm flach und bricht erst spät etwas ein. Der Schirm wirkt im Speed sehr stabil, besitzt einen guten Geradeauslauf und zeigt keine störende Rolltendenz. Das lädt zum ambitionierten Streckenfliegen ein.
Schlaufe statt Brummelhaken |
Kleine Anmerkung: Der normalgewichtige Ikuma 2 besitzt noch normale Brummelhaken. Die Schlaufenlösung beim 2P bringt unterm Strich nur eine Gewichtseinsparung von wenigen Gramm, wenn überhaupt. Sie sieht aber leichter aus. Das Beispiel zeigt, dass manches, was "light" wirkt, letztendlich nicht der Funktion, sondern des Marketings wegen gewählt wird. Ich würde allerdings auch an Normalschirmen die Schlaufenlösung für die Beschleunigerverbindung bevorzugen!
Das Sharknose-Profil des Ikuma 2P. |
Niviuk empfiehlt im Handbuch, alternativ die Ohren über die B3- anstelle der A3-Leinen anzulegen, weil das Abstiegsmanöver damit sowohl effizienter als auch ruhiger würde. Allerdings muss man feststellen: Die zu überwindenden Zugkräfte und anschließenden Haltekräfte der B3-Ohren sind deutlich größer. Zudem sitzen die B3-Leinen nicht auf einem eigenen Tragegurt, sondern man muss direkt in die Leinen greifen. Sie können dann spürbar in die Hände einschneiden. Über längere Zeit mit B3-Ohren zu fliegen wäre mir zu anstrengend. Bei ausgedehnten Fluchtmanövern unter einer saugenden Wolke ist das kein Spaß mehr.
Steilspirale: Dieses Abstiegsmanöver ist angenehm zu fliegen. Die Einleitung erfolgt etwas verzögert. Der Ikuma 2P lässt sich sogar gut in Steilkurven mit ordentlichem Sinken halten, ohne dass der Schirm gleich weiter auf die Nase geht. Erst bei deutlich gesetzter Innenbremse kippt der Flügel ohne Hast ab und lässt sich dann in der Spirale nach Wunsch einstellen. Bei moderaten Sinkwerten zeigt der Schirm eine deutliche Aufrichtetendenz. Hier ist ein sensibler Umgang mit der Außenbremse gefragt.
Drecksöffnungen am Stabilo |
Rollen: Der Schirm ist angenehm rollfreudig. Er lässt sich auch nur mit Gewichtsverlagerung gut aufschaukeln. Wer das konsequent nutzt, kann im Kurvenflug einiges an Agilität gewinnen.
Packen: Unproblematisch. Die Nitinol-Stäbchen in der Eintrittskante und im Hinterflügel machen so gut wie jedes Krumpeln mit und vertragen enges Packen (auch wenn man den Schirm natürlich nicht eng gepackt lagern sollte). Ich habe den Schirm problemlos in einem kleinen Concertina Compress Bag 2.7 von Gin untergebracht.
Sauber und passförmig vernäht und verstärkt. |
Suboptimal ist in meinen Augen auch der Einsatz von Softlinks. Ich halte metallene Leinenschlösser auch bei Leichtschirmen für sinnvoller. Zumindest solange man nicht meint, z.B. für ein H&F-Rennformat auf jedes Gramm achten zu müssen. Die 60-80 Gramm Gewicht, die die Schraubschäkel zusätzlich auf die Waage bringen, dürften im Alltag von Ottonormalpiloten kaum der Rede wert sein. Die einfacher bedienbaren Schraubschäkel können einem aber bei einer Leinenreparatur am Berg oder auf Reisen viele Flüche ersparen. Zumal sich ein Schirm mit normalen Leinenschlössern beim Check besser, genauer und auch günstiger nachtrimmen lässt.
Fazit: Mit dem Ikuma 2P bietet Niviuk einen würdigen Nachfolger des ersten Ikuma. Dessen Schwächen (schlagende Ohren, geringe Top-Speed) sind ausgemerzt. Als herausragende Eigenschaften sind beim Ikuma 2P das sehr gute Startverhalten, der leichtgängige Beschleuniger und die feinfühlige Thermikspürnase zu nennen. Allerdings ist beim Thermikflug ein Pilot gefragt, der die erhöhte Strömungssensibilität zu nehmen weiß, die die Kappe in bewegterer Luft zeigt. Es braucht etwas Steuererfahrung und -technik, um den Schirm auch in zerrissenen Luftmassen auf Spur zu halten. Aufsteigern in die B-Klasse würde ich den Ikuma 2P deshalb weniger empfehlen. Ambitioniertere XC-Piloten hingegen werden die Leichtgängigkeit (geringe Brems- und Beschleunigerdrücke, effektive C/B-Steuerung) zu schätzen wissen, zumal man mit dem Ikuma 2P auch leistungsmäßig sehr gut mit anderen aktuellen High-B-Schirmen mithalten kann. Angesichts der relativ kleinen Schirmflächen sehe ich den Ikuma 2P eher als Alpin- denn als Flachlandschirm.
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3 Kommentare
Hallo, Lucian!
AntwortenLöschenBesten Dank für deinen genauen Artikel über den IKUMA 2. Mit der einfachen Handhabung bei den Schraubschäkeln ist es aber bei manchen Herstellern auch vorbei. Viele haben mittlerweile ein Doppelgewinde das mit Gewindekleber gesichert wird. Einfach aufdrehen und "Gummis" wechseln ist nicht mehr. Ich habe den Eindruck das zum Teil auch grausige Qualität verbaut wird.
Hallo Lucian, besten Dank für deinen Testbericht. Ich bin gerade am Testen da ich einen neuen Schirm für Hike und XC erwerben möchte. Ich habe unteranderem auch den Ikuma 2P getestet, grundsätzlich stören mich 2 Dinge an diesem Schirm, 1. die Leinen, es gibt immer wieder die Situation von Startplätzen in den Bergen wo man solche Leinen die förmlich aneinander kleben nicht brauchen kann, wo möglich gewöhnt man dies mit der Zeit, aber der 2. Punkt war für mich entscheidend das ich bis jetzt noch nicht zugeschlagen habe, und zwar die Spurtreue in thermischen Bedingungen hat mich nicht überzeugt, der Schirm klettert sehr gut aber es ist sehr schwer die Spur zu halten, die Kappe wird sehr nervös( nur auf die Spur bezogen) und mich hat das eigentlich etwas genervt. Womöglich ist es auch hier so, dass es etwas dauert und man sich umstellen muss. Sonst ist der Schirm Top!
AntwortenLöschenDa du ja viel Erfahrung mit den unterschiedlichsten Schirmen hats, hättest du eine Testempfehlung für mich? : der Schirm soll leicht, kleines Packmaß(wichtiger als Gewicht), ein guter Starter für kleine Startplätze in den Bergen und für XC Flüge( hier ist meine Leistung sicher noch ausbaufähig :) momentan 97km FAI Dreieck), weiters sollte der Schirm im B Segment angesiedelt sein.- Aktuell fliege ich einen Rise3 für deine oder auch eure Empfehlungen wäre ich sehr dankbar!
SG Stefan
Hi und danke für den Test
AntwortenLöschenIch habe mir den Ikuma 2p auf "gut glück" bestellt und bin begeistert.
Fliege den 24er mit 3-5 kg unter max last
Das mit dem schlechteren Steigen habe ich nicht bemerkt, ich kann immer noch genau gleich mit meinen Kumpels im Schlauch mithalten, auch mit den 2 m2 geringerer Fläche als mit dem Rush5. Wenn er herausfällt, kann er schon etwas schaukeln, was mich aber nicht weiter stört.
Der Schirm ist sehr lebendig aber nicht klapperanfällig, im Wallis hats mich schon turbulent hin und her befördert, der Schirm fühlt sich jederzeit safe an.
Ich liebe diese präzise Steuerung, das Handling, und vor allem gleitet der Schirm echt gut und schnell für ein High B, mit einem Nova Triton light von 2016 im Vollgas kam ich mit der 1ten Stufe gas "gemütlich" mit und hatte besseres gleiten. Der andere Pilot war schon etwas "baff"
Und btw, in Orange sieht er echt heiss aus, viel besser als auf der Niviuk Seite präsentiert :)
Danke für deine Arbeit
Gruss Valentin
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