Der DHV brüskiert österreichische Flugschulen. Mit den Folgen könnte er der Gleitschirmszene möglicherweise einen Bärendienst erweisen

Langjährige Partner auf Kollisionskurs.
// Grafik: KI generiert

Seit dem 1. September 1996 galt zwischen Deutschland und Österreich folgende, in einer Erklärung festgeschriebene Verabredung: Alle Hängegleiter-, Gleitsegel- und Paragleiter-Pilotenscheine, die in einem der Länder erteilt werden, werden auch in dem anderen Land als gleichwertig anerkannt. 

In der Praxis hieß das: Wenn ein Deutscher in Österreich seinen Paragleiterschein machte, konnte er damit auch in Deutschland fliegen und den Schein problemlos, ohne eine zusätzliche Prüfung, in eine deutsche Fluglizenz umschreiben lassen. 

Ab dem 1. Januar 2026 wird diese Regelung Geschichte sein – zumindest für alle ab diesem Datum neu erteilten Scheine. Man könnte meinen, es sei nur eine Änderung in den für Flugschüler relevanten Vorgaben, über die sich bereits lizenzierte Piloten keine Gedanken zu machen brauchen. Doch weit gefehlt! Für die bislang sehr partnerschaftlich agierende deutsch-österreichische Gleitschirmszene entwickelt dieser Vorgang gerade eine ungeahnte Sprengkraft. Aber der Reihe nach...


Nach fast 30 Jahren ist Schluss

Am 30. Oktober 2025 hat das deutsche Bundesministerium für Verkehr bekannt gegeben (pdf), dass die oben genannte Erklärung zum 31.12.2025 aufgehoben wird. Künftig gilt: Wer ab 2026 eine Gleitschirmausbildung abschließt und als Pilot mit deutschem Wohnsitz in Deutschland fliegen will, der muss dafür eine deutsche Fluglizenz besitzen und gemäß den geltenden, vom DHV definierten Ausbildungsregeln gelehrt und geprüft worden sein. (Wichtig zu wissen: Für Piloten, die ihre Lizenz bzw. den Paragleiterschein noch vor 2026 erlangt haben, gilt Bestandsschutz, d.h. für sie ändert sich an der Lizenzgültigkeit nichts.) 

Grundsätzlich bleibt es mit der neuen Regelung weiterhin möglich, als Person mit deutschem Wohnsitz zu einer österreichischen Flugschule zu gehen. Das Fliegen in Deutschland wird dieser Person aber nur dann erlaubt sein, wenn die österreichische Flugschule ihren deutschen Flugschülern am Ende auch eine DHV-konforme Prüfung vor einem vom DHV anerkannten Prüfer anbieten kann. 

Einige Flugschulen in Österreich haben so etwas durchaus schon im Programm. Die Mehrzahl jedoch baute bisher auf die bedingungslose gegenseitige Anerkennung der Ausbildung. Durch die neue Rechtslage fühlen sie sich vom DHV vor den Kopf gestoßen und gegängelt, wie aus Kreisen des Flugschulverbands Austria zu hören ist.


Eine Frage der Qualität?

Die neuen deutschen Vorgaben sind nicht einfach so dem Hirn eines Ministerialbeamten entsprungen. Die Initiative dazu kam vom DHV. Als gesetzlich Beauftragter ist er für die Regeln der Scheinerteilung zuständig.

Schon länger verfolgt der DHV das Ziel, durch striktere Vorschriften und Kontrollen für die Flugschulen eine harmonisierte und bessere Ausbildungsqualität zu erreichen – in der Hoffnung, damit auch allgemein das Sicherheitsniveau der gesamten Pilotenschar zu heben. Die direkte Macht des DHV erstreckt sich allerdings nur auf die deutschen Flugschulen. 

In Österreich folgt die Gleitschirmausbildung einem historisch etwas anders entwickelten Muster: Dort gibt es weniger strikte Vorgaben bei zum Beispiel der Zahl der Höhenflüge mit Fluglehreraufsicht und der vor Ort erforderlichen Zahl der Fluglehrer. Die Flugschulen haben mehr eigenverantwortliche Entscheidungsbefugnisse, ab wann sie einen Flugschüler als reif für die Prüfung einstufen. Am Ende erfolgt die Prüfung dann auch nur flugschulintern.


Eine Frage des Geldes?

Nun ließe sich darüber debattieren, welches System letztendlich mehr dazu beiträgt, mündige Piloten hervorzubringen. Aus Sicht des DHV ist die Sache klar. Zumal der Verband schon seit Jahren mehr oder weniger offen Bedenken äußert, dass es in Österreich einige Flugschulen gibt, die es mit der Ausbildung aus seiner Sicht etwas zu lax halten. Wenn es um die Frage geht, warum er es für richtig hält, die automatische Anerkennung österreichischer Paragleiterscheine in Deutschland aufzuheben, sind vom DHV unter anderem solche Argumente zu hören.

In Österreich wird die Angelegenheit etwas anders gesehen. Dort kursiert der Verdacht, dass der DHV mit seiner Initiative auch noch andere Interessen verfolgt. Zum Beispiel, sich neue Einnahmequellen zu erschließen. 

Bei einer österreichischen Scheinerteilung fließt ja kein Geld an den DHV. Wird eine DHV-konforme Prüfung hingegen Pflicht, kann der DHV auch die zugehörigen Gebühren kassieren. Desweiteren dürfte der Zwang zum deutschen Flugschein letztendlich dazu führen, dass der Verband künftig auch ein paar mehr neue Mitglieder bekommt. Bisher musste man sich ja als Wohnsitzdeutscher mit einem österreichischen Paragleiterschein nicht unbedingt beim DHV anmelden.


Drohkulisse mit Sprengpotenzial

Wo auch immer die Triebfeder beim DHV letztendlich liegt: Im Ergebnis fühlen sich die Flugschulen in Österreich durch dessen Vorgehen brüskiert. Auch beim österreichischen Aeroclub (ÖAeC) ist man alles andere als "amused". Und so gibt es aus Österreich Zeichen, dass man bereit ist, auf Konfrontationskurs zu gehen. Ganz nach dem Naturgesetz: Druck erzeugt Gegendruck, oder: Wenn ihr uns so kommt, kommen wir euch anders.

Noch ist von Seiten Österreichs nichts beschlossen bzw. offiziell verkündet. Aber dem Vernehmen nach stehen als Drohkulisse Gegenmaßnahmen im Raum, die es in sich haben. 

Als erstes könnten Deutsche Flugschulen künftig in Österreich nur noch dann schulen dürfen, wenn ihre Lehrer auch eine österreichische Fluglehrerlizenz besitzen. Deutsche Tandempiloten sollen in Österreich nur noch fliegen dürfen, wenn sie ihre Berechtigung beim ÖAeC umschreiben lassen. 


Künftig Alpinflugeinweisung erforderlich?

Ein noch größeres Sprengpotenzial hat allerdings folgende Idee: Deutschland könnte aus der österreichischen Gästeflugverordnung gestrichen werden. Damit hätten Gleitschirm- und Drachenpiloten mit deutschem Flugschein nicht mehr das Recht, einfach so in Österreich fliegen zu gehen. Sie müssten erst zusätzliche Auflagen erfüllen. 

Im Gespräch ist eine verpflichtende, sogenannte Alpinflugeinweisung. Diese könnte eine mehrtägige Schulung samt theoretischer und praktischer Prüfung bei einer österreichischen Flugschule erfordern. Wer noch keine Einweisung hat, dürfte trotz deutscher Lizenz in Österreich nicht mehr legal fliegen. 

Bei der Begründungen für den möglichen Bedarf einer Alpinflugeinweisung drehen die Österreicher den Spieß einfach um. In Österreich sind bei der Ausbildung 40 Höhenflüge mit mindestens 300 Meter Höhenunterschied gefordert, davon 15 mit über 500 Metern. Vom DHV gibt es seit der Corona-Zeit nur die Vorgabe, insgesamt 18.000 Höhenmeter bei mindestens 40 Höhenflügen zu sammeln, ohne Mindestvorgaben für die Höhendifferenz. Man könnte seine DHV-Ausbildung theoretisch also auch mit 90 Hüpfern von 200-Meter-Hügeln abschließen. Damit würde aber eine echte Alpinerfahrung fehlen. Dass zudem besonders viele deutsche Scheininhaber in der Paragleiter-Unfallstatistik in Österreich auftauchen, ist ein weiteres Argument.

Würde die Alpinflugeinweisung als Zwangsmaßnahme für alle deutschen Scheininhaber tatsächlich eingeführt, wäre Österreich als beliebte Destination fürs Gleitschirmfliegen für die meisten deutschen Piloten erst einmal außen vor.


Krisendiplomatie 

Angesichts solcher unschöner Aussichten hat man auch beim DHV ein wenig kalte Füße bekommen. In den Adventstagen glühten die Telefondrähte nach Österreich, um zumindest etwas Druck aus dem Kessel zu nehmen. "Verbände suchen Lösungen", titelte der DHV noch am 19. Dezember auf seiner Website. (Hinweis: Am 22.12. hat der DHV diese Seite mit einem Nachtrag geupdatet).

Allerdings ist die Hoffnung des DHV nicht aufgegangen, in einer noch für kurz vor Weihnachten geplanten Gesprächsrunde eine mögliche gemeinsame Grundlage für die künftige Zusammenarbeit direkt auf Verbandsebene zu finden. Der Termin wurde von österreichischer Seite abgesagt und auf Januar verschoben.


Am Ende nur Verlierer?

Vielleicht hilft diese Pause ja auch dabei, dass sich die Gemüter etwas beruhigen und beide Seiten mit einem pragmatischen Blick den Sachstand sowie die Optionen und ihre Auswirkungen betrachten. Denn liefe es auf den großen Clash hinaus, gäbe es am Ende auf allen Seiten nur Verlierer: die Flugschulen in beiden Ländern, die Piloten, die Tourismuswirtschaft. Verlierer wären auch die Verbände – gerade auch der DHV. Diesem könnten von seinen Mitgliedern viel Unmut und Unverständnis entgegen schlagen, sollte es nach 30 Jahren mit einem Mal Hürden für ihre Fliegerei im Nachbarland Österreich geben.


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