Die 1. Hike-and-Fly-Meisterschaft der Vereinigten Arabischen Emirate zeigte vier Tasks im neuen Format. Nach einem "Tragic Move" des Großmeisters gewannen am Ende die Youngsters. 

Dünenkletter-Rennen mit Schirm
zum Einstieg in die Soaring-Ridge.
// Quelle: uaehikeandflychampionship
Eigentlich hätte der Sieger der ersten Hike-and-Fly Meisterschaft der Vereinigten Arabischen Emirate (wieder einmal) Chrigel Maurer heißen müssen. Beim Schluss-Sprint mit geschultertem Schirm zum Ziel-Tor des vierten Tasks am felsigen Hügelzug in der Al Faya Wüste lag er eindeutig vorn. Hätte er das Tor als erster passiert, wäre er damit auch auf Platz eins der Overall-Wertung vorgerückt. Doch dann geschah etwas merk- und denkwürdiges. 

Der X-Alps-Seriensieger Chrigel verlangsamte seine Schritte und ließ erst den wenige Dutzend Meter hinter ihm laufenden Tschechen Stanislav Mayer passieren. Doch mehr noch: Chrigel bog einfach ab, lief in einem auf den ersten Blick nicht mehr magischen, sondern tragischen Move am Ziel vorbei, hetzte ein weiteres Mal die Düne hinauf und schwang sich in die Luft, um einfach weiter zu soaren, während die anderen Piloten einer nach dem anderen das Ziel erreichten. 

Als Chrigel schließlich doch noch ins Ziel kam, blieb er den nach seinen Beweggründen fragenden Kommentatoren der Live-Übertragung jede sinnvolle Antwort schuldig. Erst später gab er auf Facebook und Instagram eine noch immer ungewöhnliche Erklärung ab: Angesichts des in sozialen Medien aufgebauten Druckes regierte in ihm die Unsicherheit. 

(Eine redaktionelle Anmerkung zum Hintergrund: Es gab u.a. Fragen nach der Sinnhaftigkeit und moralischen Legitimation der Teilnahme an einem Wettbewerb, den man nicht nur vom Sicherheitsaspekt kritisch einstufen, sondern auch als eingekaufte Marketingaktion im Dienste des "Sportwashing" eines undemokratischen Staates sehen konnte). 

Wörtlich schrieb Chrigel desweiteren (hier aus dem Englischen übersetzt): "Bis zum Ende wusste ich nicht, ob ich überhaupt gewinnen wollte. Ich habe mich dann in der letzten Sekunde dagegen entschieden. Ich habe so etwas nie zuvor getan und werde es nicht wieder tun, weil es unfair ist. Ich entschuldige mich dafür bei meinen Wettbewerbern, Partnern und den Organisatoren! Es war eine Art Blackout, den ich bisher so nicht kannte..."

Vermutlich kann es auch keine bessere, rationale Erklärung geben. Das Geschehen zeigt vielleicht nur einmal mehr: Bei aller Coolness und Strategie ist Chrigel ein Mensch, der gerade die großen Entscheidungen auch aus dem Bauch heraus trifft. Nur allzu denkbar ist die im Gedärm grummelnde Abwägung zwischen zwei Optionen: Entweder dem Wettbewerb, an dem man selbst auch Zweifel hat, mit seinem Sieg und Namen die Legitimation zu erteilen; oder mit einem Ausweg ganz kurz vor dem Ziel zwar seine Dominanz zu beweisen, aber die Krönung als offizieller Wüstenkönig des Hike and Fly mit allen möglichen Fotos und Folgediskussionen zu umgehen. Hier darf nun viel spekuliert werden (gerne auch in fairen und namentlich gekennzeichneten Kommentaren unter diesem Post).

Das Podium mit den Plätzen 4, 2, 1, 3, 5 
im Instagram-Kanal des Wettbewerbs.
// Quelle: uaehikeandflychampionship
So waren am Ende andere die Sieger. Die Plätze eins bis drei (overall) gingen an Teilnehmer, die zu den jüngsten im 24-köpfigen Feld gehörten: Der Franzose Tanguy Renaud, Thomas Friedrich aus Österreich und Sepp Inniger aus der Schweiz. Auf den ebenfalls noch mit Preisgeldern honorierten Plätzen vier und fünf folgten der Schweizer Michael Sigel und Stanislav Mayer aus der Tschechischen Republik.

Weitere Details über den genauen sportlichen wie medialen Ablauf aller Tasks will ich den Lu-Glidz-Lesern hier ersparen. Einige Hintergründe sind schon in den Posts Hike-and-Fly in Dubai sowie Sunset-Soaring am Wolkenkratzer nachzulesen. Und wer viel Zeit hat, kann sich die einzelnen Rennen noch einmal in den Aufzeichnungen der Live-Übertragung auf Youtube anschauen, um einen Eindruck zu gewinnen (Task 1 | Task 2 | Task 3 | Task 4). 

In den kommenden Monaten werden zudem sicher noch etliche Fotostories aus dem Umfeld des Events auf den verschiedensten Magazin- und Hersteller-Kanälen erscheinen. Für die anwesenden Szene-Fotografen immerhin war das alles ein rauschendes Fest der Motive. 


Rundkurs-Racing als neues Hike and Fly Format

Eins sei hier aber noch angemerkt: Bei aller möglichen Kritik muss man den Organisatoren des Rennens um den Brasilianer Gui Padua etwas zugute halten. Bei diesem Wettbewerb wurde nicht nur finanziell (full-cost Einladung aller Teilnehmer) und territorial (Dubai als Destination fürs Gleitschirmfliegen) gewissermaßen Neuland betreten. Auch das gewählte mediale Format, die Rennen live im Youtube-Stream mit fachkundigen Kommentar und Schalten zu diversen Kamerastandorten zu übertragen, was sogar aus der Wüste fast ohne Aussetzer gelang, ist ein so mutiges wie beachtenswertes Novum.

Noch spannender ist aber das, was sich vor allem beim vierten und letzten Task abzeichnete. Ein wirklich innovatives Format für Hike and Fly Rennen in Form eines für Zuschauer nahezu komplett überschaubaren, kompakten Racing-Rundkurses: Eine zu Fuß erklimmbare Soaring-Ridge als "lange Gerade" zum Ritsch-Ratsch-Fliegen mit einigen im Flachland vorgelagerten Wendepunkten, die die Piloten zu strategischen Entscheidungen zwangen. Entweder mehr Zeit investieren, um an der Ridge ausreichend Höhe zu tanken, um vom Wendepunkt auch wieder sicher zur tragenden Ridge zurück zu kommen; oder mit weniger Höhe (aber einem Zeitvorteil) abzufliegen, mit dem Risiko des Bomb-Outs in der Wüste und einer dann längeren Laufstrecke zurück an und auf den Hang. 

Ein derartiges Rennen mit spannenden Überholmanövern am Boden und in der Luft direkt vor den laufenden Kameras hat die Gleitschirmszene so noch nicht gesehen. Vielleicht wird es ja zum Vorbild für ähnliche Run-and-Fly-Formate an künftig auch anderen Orten.

Oder gibt es, wie vom Veranstalter schon vorgesehen, im nächsten Jahr eine Neuauflage in den Vereinigten Arabischen Emiraten? Die Wiederholung könnte dann zum eigentlichen Lackmus-Test für das Event werden. Kommen die Top-Piloten zurück, wenn sie dann wissen, was sie erwartet? Lassen sie sich ein weiteres Mal der heilen und geilen Sportwelt-Bilder wegen vor den Marketing-Karren spannen? Oder erlangt das Wüsten-Rennen vielleicht gar auch seiner bahnbrechenden Form wegen eine sportliche Bedeutung?