Der Advance Theta ULS ist ein vielseitiger Leichtschirm-Allrounder mit einem agilen, aber gut zähmbaren Charakter.
Der Theta ULS in seinem Element // Fotos: Lu-Glidz |
[Wer besser verstehen will, mit welchem Fokus Lu-Glidz Gleitschirme testet, der sollte zuerst die Interpretationshilfe für Schirmtests lesen! Mir geht es nicht darum, Schirmen eine Gesamtnote zu geben, sondern die verschiedenen Eigenschaften zu beschreiben. Was wem wie wichtig ist, liegt am Ende im Auge des Betrachters und hängt mit eigenen Vorlieben und auch Erfahrungen zusammen. Bedenke auch: Ich teste immer nur eine Größe mit einem Typ von Gurtzeug im oben angegebenen Gewichtsbereich. Ein anderes Setting könnte auch ein abweichendes Verhalten ergeben.]
Vom Advance Iota gab es einst eine etwas modifizierte Leichtversion namens Xi, die vom Flugcharakter und Pilotenanspruch ganz ähnlich angesiedelt war. In der Zwischenzeit hat sich einiges getan. Advance hat seine Baureihen in DLS (Durable Lightweight Structure) und ULS (Ultra Lightweight Structure) aufgeteilt. Und anstelle eines Xi ULS haben die Schweizer eine neue Modellreihe mit dem griechischen Buchstaben Theta gestartet.
Technische Daten des Theta (klick zum Vergrößern) |
Softlinks des Theta ULS |
Als Leinenmaterial setzt Advance auf komplett unummantelte, aber farbcodierte Aramid-Leinen der Serie Edelrid 8001 Pro Dry. Nur am Stabilo kommt - löblicherweise - eine ummantelte PPSL-Leine zum Einsatz. Diese hätte aber farblich besser abgesetzt werden können. Denn die benachbarten B- und C-Leinen sind ebenfalls in einem ähnlichen orange gehalten.
Insgesamt bringt der Theta ULS in der mittleren Größe 25 laut Herstellerangaben 3,55 kg auf die Waage. Damit liegt er in einem ähnlichen Rahmen wie die vergleichbaren Konkurrenten Phi Beat 2 light (s. Test auf Lu-Glidz), Niviuk Hiko P oder der UP Lhotse X. Im Vergleich zum früheren Xi ist der Theta sogar 300 Gramm leichter.
Starten:
Mit Nitinol gut vorgespannte Eintrittskante |
Der Theta ULS ist ein gut kontrollierbarer Starter. Die Eintrittskante wird durch Nitinol-Stäbchen gut vorgespannt. Die Kappe füllt damit schnell über die gesamte Spannweite und steigt dann als Block nach oben, ohne voraus eilende Ohren. Man sollte aber darauf achten, nur die inneren A-Gurte zu nutzen und keinen zu kräftigen Aufziehimpuls zu geben, sonst kann der Schirm bei etwas Wind oben raus ordentlich Wumms entwickeln und den Piloten aushebeln. Mit gefühlvollem Händchen geführt, bleibt die Kappe brav im Zenith stehen. Diese Mischung aus energetischem und zugleich gut zähmbaren Charakter wird einem auch im Flug mit dem Theta immer wieder begegnen.
Der Theta hat vergleichsweise lange Leinen. Dementsprechend etwas länger ist auch der Aufstiegsweg der Kappe. Beim Vorwärtsstart mit Nullwind muss man ein, zwei zusätzliche Schritte für die Aufziehphase mit einrechnen. Bei Starkwind ist natürlich auch der Weg durch die Powerzone länger, was den Piloten fordern kann bzw. Übung verlangt. Würde man den Theta v.a. unter dem Gesichtspunkt "Bergschirm" für auch sehr kleine Startplätze betrachten, dann könnte man diese Langleiner-Starteigenschaften als suboptimal empfinden. Ein Kobra-Start als Alternative bei Starkwind funktioniert mit dem Theta allerdings richtig gut.
Ein Lob muss ich Advance für die einfach gehaltenen, aber perfekt greif- und wickelbaren Bremsgriffe aussprechen. Gut funktionieren auch die kleinen, leicht öffnenden, aber trotzdem gut haltenden Druckknöpfe, mit denen die Bremsen am Tragegurt fixiert werden. Diese Lösung gefällt mir besser als die sonst bei Advance üblichen Magnete.
Landen:
Unproblematisch. Wer von einem Low-B kommt, wird anfangs überrascht sein, wie gut der Theta ausgleitet und Geschwindigkeit noch in Höhe umsetzen kann.
Bremsen:
Simpel, aber gut greifbar |
Ungewöhnlich in dieser Klasse ist, wie kurz die erforderlichen Steuerwege ausfallen. Die Lenkung greift früh, direkt und präzise. In diesem Punkt übertrifft der Theta sogar den Iota DLS wie auch die meisten anderen EN-B-Schirme, selbst im High-B-Bereich. Der Schirm vermittelt durch seine direkte Lenkung eine Art Go-Cart Feeling, was ihm einen geradezu sportlichen Charakter verleiht. Im Flugalltag muss man selten einmal tiefer als Karabinerhöhe ziehen.
Die Bremsleinen laufen durch Low-Friction-Ringe. Das spart Gewicht, je nach Zugrichtung spürt man aber, wie der Bremsmantel über den Ring rubbelt. Ich würde klassische Bremsrollen bevorzugen.
Die Kappe ist gut abgespannt und arbeitet nur wenig in sich. Die Rückmeldungen kommen direkt. Dennoch ist der Theta ULS kein "Brett" in der Luft. Die Außenflügel besitzen noch ein gewisses Spiel und Gesprächigkeit.
Infos über die Luftmassen erreichen den Piloten hauptsächlich über die Tragegurte. Erst bei etwas größeren Steuerausschlägen kommt die Bremse als nutzbarer Infokanal hinzu.
Wie viele moderne Schirmkonstruktionen besitzt der Theta ein deutlich nickgedämpftes Profil. In Kombination mit den vergleichsweise langen Leinen muss man sich als Pilot selten um größere Nickbewegungen kümmern. Der Theta zieht zwar spürbar in Thermiken hinein, bleibt dabei aber weitgehend neutral über dem Piloten
Dafür besitzt der Schirm eine gewisse Rolligkeit, und er giert zuweilen um die Hochachse. Dank der direkten Lenkung kann man als Pilot jedoch immer gleich die Oberhand zurückgewinnen. So kann man Luftströmungen lesen und nutzen, ohne sich ihnen ausgeliefert zu fühlen.
Insgesamt wirkt in puncto Feedback der Theta noch etwas feiner und differenzierter als der hier schon überzeugende Iota DLS. Von der Sensibilität und einer latenten Zappeligkeit her, hat mich der Theta fast schon an den Niviuk Ikuma 3 erinnert. Es ist u.a. dieser Punkt, warum ich den Theta ULS vom Feeling eher als einen lebendigen High-B beschreiben würde.
Kurvenflug:
Enges Kreisen vor dem Hang |
Dennoch ist der Schirm kein typischer Flachdreher. Man kann ihn auch ohne Überredungskünste in allen Schräglagen und Kurvenradien gut einstellen. Dabei lässt er die verschiedensten Steuertechniken zu: hauptsächlich mit Innenbremse oder über die Außenbremse geflogen, mit viel oder ganz ohne Gewichtsverlagerung... Der Schirm macht alles mit und dürfte deshalb selbst mit den unterschiedlichsten Gurtzeugen und Vorlieben der Piloten gut funktionieren.
Die Kappe vermittelt einem das Gefühl, gleich zu wissen, was man will, und das dann auch willig umzusetzen. Für mich ein echtes Highlight dieses Schirms.
Thermikeigenschaften:
Das überzeugende Kurvenhandling des Theta überträgt sich auch aufs Thermikfliegen. Mit diesem Schirm bekommt man auch verschwurbelte Bärte gut zu packen, weil man jederzeit im erfühlten Steigkern noch einen Ticken enger ziehen und den Schirm sehr exakt im Steigen positionieren kann.
Allerdings sollte man sich abgewöhnen, den Theta mit tiefer Bremse herumwürgen zu wollen. Einfach laufen lassen und lieber etwas steiler stellen: Der Theta ULS steigt dann immer noch gut. Dreht man zu flach, lässt sich der Theta manchmal aus der Thermik schieben.
Auch im schwachen Steigen ist der Theta eine Bank. Da kommt ihm die leicht größere Fläche im Vergleich zum Iota DLS zugute.
Advance hat beim Tragegurt des Theta trotz "ULS" löblicherweise nicht an leichtlaufenden, großen Rollen gespart – und das sowohl bei Beschleunigersystem als auch dem Seilzug der BC-Steuerung. Das Ergebnis ist ein angenehm leichtgängiges Speed-System, mit dem man auch bei längeren Flügen keine müden Beine bekommt.
Voll beschleunigt erreicht der Schirm einen Geschwindigkeitszuwachs von gut brauchbaren 12 km/h über Trimm. Bis Halbgas bleibt die Polare dabei angenehm flach und taucht auch darüber nicht wirklich störend ab.
Für die BC-Steuerung gibt es keinen extra Griff, sondern eine Bandschlaufe zwischen B- und C-Gurt, in die man die Hände hineinlegt. Ich bevorzuge diese Bauweise, weil sie eine entspanntere und strömungsgünstigere Haltung ermöglicht als bei querstehenden Griffen. Zudem bekommt man einen direkteren Kontakt zu B-Ebene.
Die Zugkräfte der BC-Steuerung des Theta ULS liegen im mittleren Bereich. In der Praxis ist das durchaus brauchbar und lädt dazu ein, sich mit dieser Steuerweise vertraut zu machen und sie im Schnellflug regelmäßig einzusetzen. Unbeschleunigt empfand ich die Zugkräfte aber noch als zu hoch, um die C-Steuerung auch als Alternative im Thermikflug zu nutzen (Kontrolle des Außenflügels).
Ordnet man den Theta ULS als Mid-B ein, so ist seine Gleitleistung im Klassenvergleich überragend. Er kann locker mit aktuellen High-B mithalten. Gestört hat mich nur eine gewisse Rollneigung der Kappe bei Fullspeed. Dieses Tendenz zum Aufschaukeln kostet Leistung.
Ohren anlegen:
Stabile Ohren |
Steilspirale:
Bei der Spirale entpuppt der Theta einmal mehr seinen Charakter als maskierter High-B. Die Einleitung kann dank der direkten Steuerung sehr flott erfolgen, und der Schirm entwickelt schnell höhere G-Kräfte. Weniger (spiral-)erfahrene Piloten sollten sich mit einer gewissen Vorsicht an das Manöver herantasten.
Davon abgesehen lässt sich das Manöver gut dosieren und kontrollieren. Bis zu mittleren Sinkwerten ist die Ausleitung völlig problemlos. Bei kräftigen Spiralen ist dann der Pilot gefragt, die Ausleitung wirklich aktiv zu fliegen. Darauf weist Advance sogar im Handbuch des Theta extra hin.
Nicken:
Im Normalflug ist das Profil stark nickgedämpft. Dennoch ist der Schirm keine Nick-Spaßbremse. Mit entsprechend rhythmischen Bremsinputs lässt er sich immer noch ausreichend aufschaukeln, um diese Dynamik zu nutzen.
Rollen:
Der Theta ULS reagiert gut, aber nicht übertrieben auf Gewichtsverlagerung. Im Vergleich zum Iota DLS würde ich ihn als etwas weniger rollfreudig einstufen.
Packen:
Dank der knick-unempfindlicher Nitinolstäbchen in der Front lässt sich der Theta problemlos und beliebig packen. Bei Bedarf auch sehr klein und komprimiert. Es gibt zwar Schirme in dieser Gewichtsklasse, bei denen Volumenfetischisten vielleicht noch ein paar cm³ mehr rausquetschen können. Aber diese Schirme sind dann i.d.R. doch noch etwas konsequenter auf kompletten Leichtbau bis hin zu String-Tragegurten ausgerichtet und damit empfindlicher.
Qualität:
Sehr sauberes Nahtbild |
Fazit:
Mit dem Theta ULS hat Advance einen sehr interessanten Schirm im Markt der leistungsorientierten Leicht-EN-B. Von den technischen Daten her noch im oberen Feld von Mid-B verortet, entpuppt sich der Schirm in der Luft als quirlige Maschine, die sowohl von Leistung wie Handling und Pilotenanspruch her schon den Charakter eines High-B zeigt. Im Vergleich zu klassischen, v.a. für den Streckenflug optimierten High-B vermittelt der Theta den Flugspaß eines Allrounders – aufgrund seiner kompakten Kappe und des direkten Go-Cart-Feelings. Das muss man allerdings zu nehmen wissen, weshalb ich Piloten, die noch nicht so erfahrenen sind oder zur groben Motorik tendieren, den Theta nicht ans Herz legen würde. Alle anderen könnten mit diesem vielseitigen Schirm, der weit mehr als nur ein leichter Bergschirm ist, viel Freude haben. Dass er nicht nur für Hike and Fly, sondern auch fürs bereits anspruchsvolle Streckenfliegen taugt, haben Chrigel Maurer und Peter von Känel eindrücklich bewiesen. Ich kann deren Schirmwahl für das X-Peaks Projekt (besteigen und erfliegen aller 82 Viertausender der Alpen) gut verstehen.
Einen Advance Theta ULS gewinnen...
… kannst Du bei Lu-Glidz nicht. Der Blog ist unabhängig und werbefrei und steht damit nicht unter dem versteckten Einfluss von Herstellern. Das dürfte auch in den ehrlich-differenzierten Schirmtests deutlich werden. Diese sind mit einigem Aufwand verbunden, wie auch die ganze aktuelle Berichterstattung über die Gleitschirmszene.
Wenn Dir Lu-Glidz etwas bringt, dann sei bitte so fair, das zu honorieren. Obwohl der Blog im Internet kostenfrei verfügbar ist, hat er Inhalte wie ein Gleitschirm-Magazin. Um diese professionelle Arbeit langfristig fortsetzen zu können, benötige ich die Hilfe meiner Leserinnen und Leser.
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1 Kommentare
Danke erneut für den aufschlussreichen, großen Testbericht! Den Theta hatte ich im letzten Oktober als Tester mit in den Vogesen und kann bestätigen, daß er sich wie ein Go-Cart fliegt. Auf den teils kleineren, unbekannteren Hike&Fly-Plätzen in den Vogesen mit Wacholderbewuchs und co waren die unummantelten Leinen suboptimal. Ansonsten fand ich den Schirm sehr überzeugend. Leider preislich kein "Schnapper".
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