Guido Reusch, langjähriger Chef der früheren Musterprüfstelle EAPR und späterer Sekretär der Herstellervereinigung PMA, zieht sich aus der Gleitschirmszene zurück. Ein Abgesang
Der Fingerzeig des Guido Reusch. // Quelle: Youtube, Screenshot |
Nach eigenen Angaben will er künftig nur noch als freier Unternehmensberater für die Textilbranche tätig sein. Von allen gleitschirm-bezogenen Aktivitäten ziehe er sich vollständig zurück.
Lu-Glidz nimmt das zum Anlass, den nicht zu unterschätzenden Einfluss Reuschs auf die Gleitschirmszene mit etlichen Links ins Archiv der vergangenen 15 Jahre nachzuzeichnen.
Erfolge
Jahrelang war Reusch mit seiner Musterprüfstelle EAPR so etwas wie der Stachel im Fleisch des Hoheitsanspruchs des weltgrößten Gleitschirmverbandes, zumindest wenn es um Technikfragen ging. Durch ihn verlor der DHV 2007 sein Monopol in der Gleitschirm-Zertifizierung (s. DHV-Tester haben jetzt Konkurrenz).
2008 setzte Reusch dem DHV im sogenannten Protektorstreit zu, was letztendlich zu einer Verbesserung der Prüfstände und -routinen führte. Reusch war wichtiger Fürsprecher an der Seite der PMA, als es darum ging, dass die Zertifizierungen für Schirme (A/B/C/D) wie für Rettungsgeräte gemäß europäischer Normen (EN) auch in Deutschland komplette Gültigkeit erlangen. Ebenso darf man die politische Entscheidung, Musterprüfstellen nicht mehr durch das Luftfahrtbundesamt anerkennen, sondern durch die DAkkS zertifizieren zu lassen und somit einer Art geregelten Qualitätsprüfung zu unterziehen, zumindest in Teilen als Ergebnis auch seiner Lobby-Arbeit sehen. Dem Wohl der Gleitschirmpiloten hat das sicher nicht geschadet.
Weniger öffentlich wahrgenommen, aber trotzdem von Bedeutung, war seine umtriebige Arbeit in verschiedenen Normungsgremien. Auch dort ging sein Einsatz zulasten des DHV (vgl. Der DHV verliert an Einfluss auf die EN) – wenn auch nur vorübergehend. Denn mit Reuschs Rückzug, der schon 2018 mit dem Verzicht auf eine neue Akkreditierung der EAPR als Musterprüfstelle begann (s. EAPR gibt LTF-Prüfungen auf), zeichnet sich ab: Der DHV wird seine Vorstellungen von den technischen und rechtlichen Vorgaben fürs Gleitschirmfliegen künftig wieder leichter durchsetzen können.
Guido Reusch folgte erklärtermaßen anderen Überzeugungen als der DHV. Er hielt es für einen Irrweg, das Gleitschirmfliegen als sicheren Flugsport für jedermann zu promoten. Vielmehr hätte er gerne die Selbstverantwortung von (deutlich strenger ausgebildeten) Piloten stärker in den Mittelpunkt gerückt und die technischen Normen auf das Notwendige reduziert. Einige seiner Ideen sind im Podcast Podz-Glidz in der Folge 14 "Der Influencer" nachzuhören.
In den letzten fünf Jahre hatte Reusch versucht, als Sekretär (im Sinne eines Geschäftsführers) der Herstellervereinigung PMA mehr Gewicht zu verleihen. Zwar wuchs die Zahl der PMA-Mitglieder wieder. Doch viele seiner Bemühungen, die Hersteller bei verschiedenen Themen auf einen Nenner und zu mehr pragmatischer Kooperation zu bringen, blieben nur von bescheidenen Erfolgen gekrönt.
Reuschs Urteil über die Professionalität in der Gleitschirmbranche fällt am Ende "extrem ernüchtert" aus, wie er sagt.
Pleiten
Zu einem Rückblick auf Reuschs Aktivitäten gehören auch einige seiner Pleiten. Der 2013 als Konkurrenz zum DHV von Reusch mit aus der Taufe gehobene Deutsche Gleitschirm Verband (DGV) erwies sich schnell als Totgeburt. Gleiches gilt für die 2017 als Alternative zur Thermikmesse geplante European Paragliding Convention (EPC), die zwei Jahre später unter dem Namen PMA Convention abermals chancenlos blieb. Auch der Versuch, als Antwort auf den DHV bei der EAPR eigene Safety-Class-Tests zu etablieren, stieß auf wenig Interesse der Hersteller.
2013 verlor Reusch vor Gericht einen Streit mit dem Luftfahrtbundesamt, wobei die Richter im schriftlichen Urteil unverhohlen seine charakterliche Eignung als Prüfstellenleiter infrage stellten. In Teilen der Szene wurde das recht süffisant zur Kenntnis genommen.
Am Ende bleibt aber anzuerkennen: Guido Reusch hat viel bewegt und auch einige sinnvolle Entwicklungen für die Gleitschirmszene mit eingeleitet und geprägt. Als provokanter, aber auch antreibender Querkopf wird er der Gleitschirmbranche fehlen.
PMA sucht Nachfolger
Die Herstellervereinigung PMA sucht nun nach einem Nachfolger. Sie hat die Stelle eines "PMA Managers" in Teilzeit ausgeschrieben. Interessenten können via Email an info[at]p-m-a.info die Anforderungen und weitere Details erfragen.
1 Kommentare
Danke für die Info... :-)
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