Heute erreichte mich der Hinweis eines Fliegerkollegen, dass für Samstag doch ein extrem kräftiger Höhenwind auf dem Niveau 900 hPa (~1000m) prognostiziert sei, der alle Flugambitionen zunichte mache. Anlass genug, mal wieder ein wenig Meteo-Aufklärung zu betreiben. Denn Höhenwind und Höhenwind können bei unterschiedlichen Wetterlagen und unterschiedlichen Jahreszeiten ganz unterschiedliche Auswirkungen auf das bodennahe Fluggeschehen haben.

Ein heftiger Wind auf 1000 Meter wäre im Sommer in der Eifel garantiert ein absolut böiger Wing-Killer. Aber wir haben Winter, und da sitzt unten am Boden nach einer klaren Nacht eine etwas ausgekühlte Luftmasse, während in der Höhe etwas wärmere Luft darüber hinweg zischt. D.h. wir haben bei so einem Winterhoch (s. Wochenendwetter) eine deftige Inversionslage. Das 900 hPa-Niveau (~1000m) liegt dabei oberhalb der Inversionsschicht, die schon irgendwo auf 500m beginnt, wenn man den prognostizierten Temps des GFS-Modells glauben darf.

Als Beispiel habe ich hier einmal einen Prognose-Temp für Samstag mittag für die Region "Wiedtal" eingebaut. Rechts sieht man darauf die Skala mit den prognostizierten Höhenwinden. Rot ist die Temperaturkurve mit dem typischen Inversionsknick bei etwa 950 hPa (~500m):

Der Höhenwind mit 41 Knoten, der dort im 900 hPa-Niveau prognostiziert ist, hat bei solchen Inversionslagen kaum eine Chance, als Impuls bis zum Boden durchzurauschen. Herabgespülte Höhenwarmluft ploppt automatisch wie ein Tischtennisball im Wasser immer wieder nach oben. Zumal die thermische Durchmischung der unteren Luftschichten in den Wintermonaten i.d.R. nicht ausreicht, um so eine kräftige Inversion anzuknabbern.

Relevant für alle Flugvorhaben ist darum, was unter der Inversion geschieht. Dort sieht es mit 13 bzw. 22 Knoten in den bodennäheren Schichten bis 500m schon wieder etwas humaner aus, auch wenn die Werte für Gleitschirmpiloten immer noch abschreckend genug sein sollten. Nicht umsonst habe ich im Wochenendwetter geschrieben, dass Drachen eher ihren Spaß haben werden...

Das blöde an solchen Wetterlagen mit sehr niedriger und kräftiger Inversion ist, dass man nur sehr schwer vorhersehen kann, wie sich das ganze in der Realität auswirkt. Es kann passieren, dass die kühlere bodennahe Luft sich als deutlich träger erweist als von den Modellen vorhergesagt. Das liegt auch daran, dass die Wettermodelle nur ein sehr grobes Geländeraster verwenden (s. Wie Wettermodelle funktionieren). Die Eifel ist für das GFS-Modell quasi nur eine sanft geschwungene Hochfläche - die verschiedenen Längs- und Quertäler, die de facto als Windbremse wirken, sind darin gar nicht abgebildet. Entsprechend sind die Bodenwindangaben (v.a. im Winter, wenn keine thermische Ankopplung an die Höhenströmung erfolgt) häufig zumindest ein bisschen übertrieben.

Andererseit kann eine derart niedrige Inversion an entsprechenden Geländestufen, die in Inversionsnähe kommen, auch zu einem gefährlichen Düseneffekt führen. Die Luft muss sich zwischen Boden und der Inversion hindurchquetschen und wird dabei beschleunigt. Dort sind dann auch bodennah sehr hohe, für Gleitschirmflieger gefährliche Windgeschwindigkeiten möglich.

Mit anderen Worten: Je nach lokalen Geländebedingungen könnten die Windstärken am Samstag selbst auf recht kleinem Raum sehr deutliche Unterschiede aufweisen. Prognostizieren lässt sich das nicht. Probieren geht über studieren.

Im Wochenendwetter habe ich geschrieben, dass das Fliegen vielleicht "an nicht voll exponierten" Westhängen möglich sein könnte. Exponiert ist ein Hang, wenn der Wind davor in gerader Linie über mehrere hundert Meter bis Kilometer ungehindert Anlauf nehmen kann, bevor er auf den Hang trifft. Startplätze wie der Haardskopf, Bausenberg, Boppard u.a. fallen in diese Kategorie. Andere Startplätze, die etwas niedriger liegen als die großräumige Umgebung, sind weniger exponiert.

Ob und wo am Samstag das Fliegen bei uns in der Region doch möglich sein sollte, weiß ich selber nicht. Allerdings würde es mich nicht wundern, wenn am Tagesende vielleicht aus dem Moseltal doch noch begeisterte Flugmeldungen von sportlichen aber soarbaren Bedingugen bei mir ankommen. Neef (bei Bremm an der Mosel) ist vielleicht so ein nicht ganz exponierter Kandidat. Mir persönlich erscheint bei diesem Windlotto die Fahrt von Bonn aus dorthin freilich als zu weit, um selber die Lage zu checken. Es wäre aber klasse - falls es doch jemanden am Samstag dorthin verschlägt - wenn er über einen Kommentar zu diesem Post von seinen Erfahrungen berichten würde.