Die Wetterseite Windy.com hat ein neues Modell im Anzeige-Portfolio: ICON-D2 vom Deutschen Wetterdienst. Mit seinem feinen Raster ist es vor allem zur Windeinschätzung interessant. 

ICON-D2 rechnet nur für Mitteleuropa und für 
nur 48 Stunden im voraus. // Quelle: Windy.com
Seit geraumer Zeit bietet der Deutsche Wetterdienst die Daten seiner Wettermodelle als Open Source zur Weiternutzung an. Anfangs galt das nur für das Globalmodell ICON und für das europaweite Modell ICON-EU. Letzteres basiert auf einem Modellgitter von 7 km. In diesem Jahr kam dann auch noch das besonders feinmaschige ICON-D2 hinzu, das mit einer Gitterweite von rund 2 km rechnet. Seither haben diverse Meteo-Seiten die Daten von ICON-D2 für ihre Darstellung adaptiert. Seit neuestem ist das auch für die beliebte Website Windy.com der Fall. Bisher ist das Modell nur in der Desktop-Version zu finden. In der Windy-App wird es noch folgen.

Für Gleitschirmflieger in Deutschland und dem Alpenraum ist der Blick auf ICON-D2 durchaus empfehlenswert. Denn vor allem die bodennahen Windströmungen werden darin deutlich realistischer den Geländeformen angepasst gerechnet. 

Durch das feine Raster von 2 km sind prägende Landschaftsformationen wie Berge und Täler deutlich genauer in diesem Modell repräsentiert. Talwinde (zumindest von größeren Tälern), aber auch die auf hohen Bergen vorherrschenden Windspitzen und Böen werden viel feinräumiger erfasst.

Eine Böenprognose von ICON-D2 im Vergleich
zu ECMWF zeigt deutlich die viel feinere
räumliche Differenzierung der Werte.
// Quelle: Windy.com
In den Alpen eignet sich ICON-D2 beispielsweise hervorragend zur Erkennung von Föhngefahren und großräumigeren Lee-Fallen, aber auch windgeschützten Bereichen. Im nebenstehenden Bild als Beispiel sind einmal für die Region Innsbruck, Stubaital und Brenner eine Böenprognose des ICON-D2 neben der des gröberen, aber ansonsten sehr guten Modells ECMWF dargestellt. Man erkennt sofort, wie im feineren Raster von ICON-D2 einzelne (größere) Berge wie z.B. der Patscherkofel mit den zugehörigen, deutlichen Böenspitzen aufscheinen. Auch das Stubaital zeigt sich windgeschützt, während das ECMWF-Modell den gesamten Alpenhauptkamm im Grunde nur als eine viel einheitlichere "Windsoße" rechnet. ECMWF besitzt ein Raster von 9 km.

Wenn man bei ICON-D2 den Höhenwind z.B. auf den Druckhöhen 850 hPa und 800 hPa (1500m und 2000m MSL) checkt, bekommt man bei typischen Süd-Föhnlagen das Wipptal vom Brenner Richtung Innsbruck als kräftige Windschneise angezeigt, die in den Modellen mit gröberem Raster nur wenig bis gar nicht aufscheint. 

Meine Empfehlung: Wer mit Windy arbeitet, sollte künftig für den Check der Windprognosen des aktuellen Tages stets auch ICON-D2 zu Rate ziehen.

Dennoch sollte man nicht davon ausgehen, dass ICON-D2 grundsätzlich das Modell ist, das die Wetterentwicklung stets am besten anzeigt. Warum? Das feine Raster kann dazu führen, dass sich bestimmte Entwicklungen im Modell eher mal etwas chaotisch aufschaukeln können. Bei den grobmaschigeren Modelle fallen solche Wetterausreißer gewissermaßen durchs Raster. Diese eingebaute "Dämpfung" ist hilfreich, v.a. wenn man den Prognosezeitraum noch möglichst zutreffend weiter in die Zukunft ausdehnen will.

Nicht von ungefähr rechnet ICON-D2 seine Prognosen jeweils nur für 48 Stunden im voraus. In der Praxis wird es hilfreich sein, auf ICON-D2 v.a. für den aktuellen Tag zu vertrauen.

Windy ist nicht der einzige Dienst, in dem ICON-D2-Daten abgerufen werden können. Das Modell ist auch z.B. in den Wetterkarten von Meteoblue, den Wetterprognosen von Burnair (für Abonnenten), bei XC Therm oder bei Meteo-Guru (Velivole) zu finden. Windy bietet allerdings den Vorteil, die Daten von ICON-D2 sehr einfach und in konsistenter Darstellung mit anderen Modellen vergleichen zu können. Dabei gilt: Je ähnlicher sich die Ergebnisse der Modelle auch im zeitlichen Ablauf sind (wann kommt der Regen, wann dreht der Wind etc.), desto wahrscheinlicher kommt es auch tatsächlich so. 

Noch ein Vorteil: Windy bietet auch für ICON-D2 Punktprognosen in Form von Meteogrammen mit integrierter Wolken- und Höhenwinddarstellung an (Airgram). Das ist sehr hilfreich zur Einschätzung der Fliegbarkeit und der Thermikträchtigkeit eines Tages. 


Hinweis: Ich werde im Frühjahr 2022 wieder Online-Seminare zur Einführung in die Nutzung von Windy für Flug-Meteo-Prognosen anbieten. Die Termine stehen noch nicht fest. Sie werden auf Lu-Glidz angekündigt.