In einem Offenen Brief plädiert PMA-Sekretär Guido Reusch für ein Absenken des LTF-Grenzwertes für maximales Rettersinken auf die EN-Vorgabe von 5,5 m/s. Zurecht? 

Eine moderne Kreuzkappe als Retter. // Quelle: Independence
"We all care about safety", steht auf der Homepage der Herstellervereinigung PMA. Und deren Sekretär, Guido Reusch, will erreichen, dass dieser Anspruch der Hersteller auch von den Piloten wahrgenommen wird. Entsprechend gilt es, sich mit Bestrebungen für mehr Sicherheit in Szene zu setzen. Auch aus dieser Motivation heraus dürfte der Offene Brief entstanden sein, den Reusch jüngst an das Bundesverkehrsministerium schrieb.

In dem Brief plädiert er im Namen der PMA: "für die sofortige Aussetzung der Prüfung von Rettungsgeräten nach LTF 91/09 mit einem Sinkwert von bis zu 6,8 m/s im Interesse der Pilotensicherheit. Wir bitten die verordnungsgebenden Stellen die LTF 91/09 in Pkt. 6.1.11 auf einen Sinkwert von maximal 5,5 m/s zu ändern, bzw. die Prüfungen für Gleitschirm-Rettungsgeräte ausschließlich nach der EN 12491:2015 zuzulassen."

Worum geht es genau? Derzeit gibt es für Gleitschirm-Rettungsgeräte noch zwei geltende Prüf-Normen. Zum einen die EN 12491:2015, zum anderen die LTF 91/09. Beide unterscheiden sich ein wenig in den Prüfvorschriften, sowohl was die Durchführung der Schock- und Lasttests betrifft, als auch hinsichtlich der Obergrenzen bei den Sinkwerten. Laut EN gilt ein Grenzwert von 5,5 m/s, bei der LTF sind hingegen 6,8 m/s Sinken erlaubt. Auf den ersten Blick erscheint die EN-Norm also als die schärfere.

Bei der Durchführung der Lasttests gelten allerdings die LTF-Vorgaben als die strengeren. Ein direkter Vergleich der jeweiligen Gesamt-Ergebnisse ist also nur schwer möglich.

Interessanterweise ist es laut LTF-Norm aber zulässig, alle Tests auch insgesamt oder teilweise gemäß den EN-Vorgaben durchzuführen, um dem Rettungsgerät am Ende die LTF-Zulassung zu erteilen. Diese Möglichkeit eröffnet ein legales Schlupfloch. Ein Rettungsschirm kann so konstruiert sein, dass er nur den weniger strengen Lasttest gemäß EN besteht, aber eben nicht auf Sinkwerte von unter 5,5 m/s kommt, sondern nur unterhalb von 6,8 m/s bleibt. Die EN-Zulassung bliebe ihm damit versagt, doch die LTF-Zulassung könnte er bekommen, auch wenn sein Lasttest eben nicht gemäß der in diesem Punkt strengeren LTF-Vorgaben durchgeführt wurde. Das Ergebnis wäre gewissermaßen eine LTF-Zulassung "light", was für einen Piloten allerdings kaum erkennbar ist. Am Markt sind derlei Retter durchaus zu finden - wenn auch eher selten.

Diesem Vorgehen würde ein Riegel vorgeschoben, wenn künftig auch in der LTF 91/09 wie in der EN ein Grenzwert für das Rettersinken von 5,5 m/s festgeschrieben würde. So weit, so lobenswert.


Was ist mit der Vorwärtsfahrt?

Es stellt sich allerdings die Frage, ob dieses Problem ein drängendes ist. Hört man sich ein wenig in der Expertenszene um, so gibt es bei den Rettertests an anderer Stelle noch ganz andere, für die Piloten undurchsichtige Ungereimtheiten: Zum Beispiel nutzen alle drei DAkkS-zertifizierten Prüfstellen (Air Turquoise, DHV und EAPR) unterschiedliche Prüfverfahren bei den Rettertests. Deren Validität bzw. Qualität wurde nie umfangreich und schon gar nicht im Vergleich zueinander getestet.

Die vermutlich größte aktuelle Schwachstelle der Rettertests ist die mangelnde Einberechnung der Vorwärtsfahrt. Viele moderne Retterkonstruktionen, gerade bei den Kreuzkappen, erreichen ihre geringe Pendelneigung und niedrigen Sinkwerte dadurch, dass sie nicht einfach nur nach unten sinken, sondern dabei auch in eine Richtung gleiten. Die Geschwindigkeit, die sie dabei aufbauen, müsste man eigentlich bei der Betrachtung der "Heftigkeit" eines Aufschlages mit einbeziehen. Ein Pilot, der mit 5 m/s am Retter vertikal sinkt, der aber zugleich mit 5 m/s horizontal gleitet, wird am Boden eine Gesamtgeschwindigkeit von rund 7 m/s abbauen müssen. Bisher werden solche additiven Werte bei den Tests aber nicht einmal gemessen und schon gar nicht für die Piloten irgendwo ersichtlich angegeben.

Der größere Dienst im Sinne der Sicherheit für die Piloten wäre es, wenn die PMA hier für allgemein mehr Transparenz und Vergleichbarkeit der Rettertestergebnisse eintreten würde, am besten mit einer einheitlichen Datenbank.

Bis es soweit ist, kann man den Piloten nur weiterhin folgende Empfehlungen zum Retterkauf geben:

  • Selbst der beste Retter hilft nur, wenn man ihn im Notfall auch frühzeitig und entschlossen wirft
  • Fläche bremst. Wähle Deine Rettergröße nicht zu klein. Ein guter Richtwert ist, 20% unter dem zulässigen Maximalgewicht zu bleiben (das gilt insbesondere für Rundkappen)
  • Praxiserfahrung zählt. Frage Sicherheitstrainer, die schon viele Retterabgänge mit verschiedenen Modellen live gesehen haben, welcher Rettertyp sich in ihren Augen im Alltag bewährt hat und welchen Retter sie selbst im Gurtzeug haben.
  • Geiz ist nicht geil, bzw. auf 100 Euro kommt es nicht an. Auf die zehnjährige "Lebensdauer" eines Retters umgerechnet, sollten einem zehn Euro mehr pro Jahr als Investition in den Sicherheitszuwachs durch ein empfohlenermaßen besseres Modell durchaus wert sein.