Nach dem 5. Task der Gleitschirm-WM wurden einige Piloten bestraft, da sie in eine CTR flogen. Laut ihren Instrumenten waren sie aber außerhalb geblieben. Ein mathematisches Dilemma   

Wenn ein Kreis nur als Vieleck gerechnet wird,
dann ist eine Position außerhalb des Polygon
zuweilen doch schon innerhalb des Kreises. 
(Klicke ins Bild zum vergrößern) // Quelle: DHV
Vielleicht hat dieser Vorfall der Gleitschirm-Weltmeisterschaft im argentinischen Tucumán eine entscheidende Wendung gegeben – zumindest was die Team-Wertung betrifft: Denn unter den fast 30 bestraften Piloten mit deutlichem Punktabzug waren unter anderem genau jene der mit vorne liegenden Teams aus Frankreich und Deutschland. Der nachträgliche und deutliche Punktverlust bedeutete: Deutschland fiel auf Rang 10, Frankreich gar auf Rang 12 der Nationen-Wertung zurück. Und die Möglichkeit, den Punkterückstand bei den ausstehenden Tasks noch aufzuholen, ist eher gering. An diesem Freitag ist bereits der letzte mögliche Wettkampftag.

Doch was war nun eigentlich geschehen? Bei Task 5 am Montag führte die Route relativ nah an die kreisförmige CTR des Flughafens von Tucumán heran. Ein Pulk drehte direkt daneben in einer Thermik auf, gewissermaßen auf Tuchfühlung mit der CTR, aber mit stetem Blick auf die Instrumente, um eben keine Luftraumverletzung zu begehen. Die Instrumente schlugen auch nicht an, sondern notierten die Trackspuren außerhalb. Erst bei der späteren Auswertung folgte die böse Überraschung. Laut der offiziellen Auswertungs-Software lagen einige der Tracks doch innerhalb der CTR, basierend auf den Aufzeichnungen der offiziellen Tracker der FAI, die jeder Pilot mitführen muss.

Natürlich hagelte es deswegen Proteste. Genauere Analysen zeigten dann aber den Kern des Problems: Einige Instrumente bzw. Apps wie u.a. XC-Track machten aus der kreisrunden CTR in ihrer internen Darstellung ein Polygon, bei dem die Kreisform nur durch ein Vieleck angenähert wird. Das erleichtert die Positionsberechnung, bedeutet allerdings auch, dass der Streckenzug des Polygons mal leicht innerhalb, mal leicht außerhalb des perfekten Kreises verläuft (s. Bild oben). So kann es passieren, dass eine Trackspur zwar noch außerhalb des Polygons, aber innerhalb des Kreises liegt. Und wenn die CTR selbst als exakter Kreis definiert ist, dann endet dieser Fall in einer korrekt geahndeten Luftraumverletzung. 

Man könnte das als unfair gegenüber den Piloten bezeichnen und ihnen eine geringe Toleranz von 0,1 Prozent einräumen wollen, wie es die FAI mit Bezug auf Wegpunkte in ihren Regularien durchaus vorsieht. Doch für Lufträume gilt offiziell eine Nulltoleranz, weshalb die Rennleitung der WM hier kein Einsehen hatte. 

Das hielt die davon negativ betroffenen Teams wie z.B. Deutschland freilich nicht davon ab, das als "Fehlentscheidung der Organisation" zu bezeichnen (s. Bericht auf der DHV-Website).


Am Ende können mehrere Gruppen daraus ihre Lehren ziehen

1. Die Piloten: Um keinen Punkteverlust zu riskieren, tun sie gut daran, Luftraumgrenzen auch im Wettbewerb nicht bis auf den letzten Meter auszureizen. Zu groß ist das Risiko, vielleicht doch aus Versehen auf die falsche Seite zu geraten.

2. Die Instrumenten- bzw. Softwarehersteller: Sie werden sicher bald mit Updates aufwarten, in denen kreisförmige Lufträume dann nicht mehr nur als vereinfachte Polygonzüge gerechnet werden.

3. Die Task-Setter: Sie sollten Wegpunkte so setzen, dass die Piloten möglichst gar nicht erst in Versuchung kommen, ihren Flugweg nah an gesperrte Lufträume heranzuführen.

4. Die FAI: Sie wird künftig darauf achten müssen, dass sie Instrumente nur dann für Wettbewerbe offiziell zulässt ("approved"), wenn deren Software Lufträume u.ä. in mathematisch exakter Weise berücksichtigt.