Anfang April war ich für eine Woche in Südspanien, um mit einer kleinen Gruppe von Piloten des DGC Siebengebirge in Algodonales zu fliegen. Algodonales ist ein kleiner Ort in Andalusien, in dessen Umgebung sich eine Reihe hervorragender Fluggebiete für alle Windrichtungen befinden. Interessant ist das Fliegen dort vor allem im Winterhalbjahr - Mitte September bis Mitte April. Während im restlichen Europa weitgehend Thermikpause herrscht, geht es dort häufig noch munter nach oben. Zudem sind alle Starthänge auch wunderbar zum Soaren geeignet. Hinzu kommt ein beneidenswert sonniges Winterklima, dass bei Kältegeplagten schnell Frühlingsgefühle aufkommen lässt.

Algodonales liegt auf halber Strecke zwischen Málaga und Jerez de la Frontera. Beide Städte werden von Deutschland aus angeflogen (u.a. Tuifly, AirBerlin, Germanwings). 1,5-2 Stunden sind es dann noch im Auto bis "Algo". Im Umkreis von einer Stunde Fahrtzeit hat man dann acht Startplätze zur Wahl. Das Hauptfluggebiet ist der Mogote (1, 2, 3), der Hausberg direkt im Norden von Algodonales, auch bekannt als Sierra de Lijar. Er bildet, neben dem Montellano (4), den besten Ausgangspunkt für Streckenflüge in der Region. Die weiteren Fluggebiete auf der Karte sind El Bosque (5), Ronda la Vieja (6), Cañete la Real (7) und Teba (8). Zu den genauen Beschreibungen der Startplätze komme ich später.


Wetterbesonderheiten in Algo
Die Region ist i.d.R. stark vom Azoren-Hoch beeinflusst, wenn nicht gerade mal ein Tief mit seinen Frontausläufer die Gegend quert. Da der Kern des Hochs meist im Westen oder Nordwesten liegt, herrschen in Algo typischerweise Winde aus Nord bis Südost vor. Allerdings liegt die Region noch so nah an der Küste, dass im Tagesverlauf, wenn sich die Landmassen erwärmt haben, der Seewind bis dorthin vordringt und seinen Einfluss geltend macht. Er fällt durch die Täler ein, weshalb bei Algo am Nachmittag der Wind häufig auf West bis Nordwest dreht. Durch die wilde Topographie prägt sich der Seewind lokal freilich immer anders aus. In Ronda beispielsweise bläst er eher aus Süd. Außerdem erfasst er i.d.R. nur die tieferen Luftschichten bis etwa 1500m, kann über Gebirgszügen oder dahinter aber auch höher reichen. Diese wechselnde Windsituation rund um Algo ist für den lokal unerfahrenen Flieger häufig mit Überraschungen verbunden, schon allein weil der Windversatz beim Kurbeln deutliche Sprünge aufweisen kann. Wer sich davon nicht aus dem Konzept bringen lässt, kann mit Hilfe des Seewindes tolle Streckenflüge entlang von Konvergenzlinien machen oder bei geschickter zeitlicher und räumlicher Planung Dreiecke schließen, bei denen jeder Schenkel mit Rückenwind geflogen wird! Allerdings verlangt die richtige Einschätzung der Lage viel Erfahrung. Es lohnt sich, immer wieder das Wissen der Locals anzuzapfen.


Beachten sollte man in jedem Fall, dass Algodonales viel westlicher liegt als Deutschland - bei gleicher Uhrzeit. Dementsprechend springt die Thermik mindestens 1-2 Stunden später an und erreicht erst am späteren Nachmittag ihr Maximum. Zu frühes Losfliegen vom Berg erhöht das Absaufrisiko!

Kommen wir nun zu den einzelnen Startplätzen. Die Nummerierung entspricht derjenigen in der Karte (s.o.). Auf den Fotos (draufklicken zum Vergrößern) habe ich Start- und Landeplätze z.T. mit den Kürzeln SP und LP markiert. Hier gibt es noch die passende kmz-Datei für Google-Earth zum download (oder direkt in Google-Maps anschauen).


1 - Levante [SO/SW, 1020m, GPS N36° 53' 54", W5° 23' 37"]
Der Startplatz Levante auf dem Hausberg von Algo ist der am häufigsten beflogene Startplatz. Er ist groß und auch für Anfänger geeignet. Durch die Ausrichtung nach SO setzt hier die erste Thermik früh ein (wobei früh im weit westlich gelegenen Algodonales bedeutet: so zwischen 12 und 13 Uhr). Wegen der langen Auffahrt lohnt es sich aber i.d.R. mit dem Start noch ein bisschen länger zu warten, um nicht unnötig abzusaufen und dann die bessere Thermik zu verpassen. Rechts vom Start steht - über einer Felsrinne - der Hausbart. Die Rinne sollte wegen der recht impulsiven Ablösungen sicherheitshalber nicht zu tief angeflogen werden. Ein weiterer guter Bart ist links vom Start in der Mitte des Hanges zu finden (oberhalb einer Felsstufe im unteren Hangbereich). Typische Streckenflüge gehen nach Norden Richtung Montellano oder Morón de la Frontera. Bei schwachem Grundwind oder einsetzendem Seewind sind auch Strecken Richtung Olvera oder Ronda interessant (wie z.B. dieser Flug im OLC). Der Levante eignet sich gut zum Toplanden. Dafür wird normalerweise eine kleinere Fläche hinterm Startplatz angeflogen (neben der Straße Richtung Turm).

Am Levante gibt es noch eine zweite Startmöglichkeit Richtung SW - mit Blick auf Algo. Dieser Start wird immer dann bevorzugt, wenn die erste Ansätze des Seewindes spürbar werden und der Wind entsprechend dreht. Den Erfahrungen nach ist dieser Startplatz ab diesem Zeitpunkt aber nur für rund eine Stunde sicher nutzbar. Danach überspült der Seewind meistens schon den gegenüberliegenden Hang, so dass man gefährliche Lee-Effekte zu spüren bekommt. Dann wird es Zeit, zum eigentlichen SW-Startplatz des Mogote umzuziehen, dem Poniente (2).

Als Landeplatz des Levante dient ein Feld in der Ebene links unterhalb des SO-Startes [400m, GPS N36° 53' 36.56", W5° 22' 0.56"] - neben einem weißen Gehöft. Er ist im Gleitflug problemlos zu erreichen. Am Nachmittag trägt es über den Feldern häufig noch besonders gut - über einen verlängerten Landeanflug braucht man sich nicht zu wundern.


2 - Poniente [SW, 900m, GPS N36° 53' 41", W5° 24' 58"]
Der Poniente ist nicht nur wegen seiner Ausrichtung nach SW-W ein klassischer Nachmittagsstartplatz (weil die Thermik dort später einsetzt), sondern auch, weil dann häufig der Seewind ansteht. Vor 15-16 Uhr hat man allerdings selten Glück. Dafür trägt er umso länger - u.a. weil direkt vor dem Startplatz steile Felsen liegen, die nicht nur bei relativ wenig Wind für Soaringauftrieb sorgen, sondern die tiefstehende Sonne noch thermisch umsetzen.
Die größeren Streckenflüge vom Mogote starten häufig hier und gehen dann Richtung Olvera (O) oder Ronda (SO). Vor einem Start sollte man stets auch die Windfahne auf dem Kamm hinter dem Startplatz beachten. Sie zeigt an, ob man tatsächlich Wind von vorne hat oder vielleicht in einen Leerotor startet.

Der Landeplatz befindet sich 2,5 km weiter nördlich im Tal [480m, GPS N36° 55' 14", W5° 25' 15"]. Es ist ein Wiesendreieck direkt neben der Straße nach La Muela. Der Landeplatz ist vom Poniente aus nur dann sicher zu erreichen, wenn man nicht zuviel Höhe verschenkt. Etwas talaufwärts ist eine Art Pass. Bei Wind mit Nordeinschlag (oder bei Bergwind nach Sonnenuntergang) entwickelt sich dort eine Düse. Dann wird es besonders schwer, gegen den Wind noch zum Landeplatz zu gelangen. Anstatt auf direkter Linie empfiehlt es sich, so weit wie möglich am Hang im Aufwind zu fliegen und dann den kürzeren Weg zum Landplatz zu wählen. Achtung: Parallel zur Straße am Landeplatz verläuft eine Stromleitung!


3 - Lijar-Nordwest [NW, 860m, GPS N36° 54' 07", W5° 24' 44"]
Auf dem Weg zum Levante (1) kommt man automatisch am NW-Startplatz des Mogote vorbei. Er ist recht klein und kurz, weshalb er nur bei ausreichend Wind sicher startbar ist. Den Landeplatz des Poniente hat man direkt im Blick. Von hier aus kann man zu wunderschönen Soaringflügen an der gesamten Nordwestkante der Sierra de Lijar entlang starten. Das sind immerhin knapp 5 km. Thermische Streckenflüge von hier aus gehen normalerweise Richtung Ronda. Bei allzu kräftigem NW-Wind ist es empfehlenswert, zum Soaren nach Teba (8) auszuweichen. Von der Kirche in Algodonales aus gibt es einen ausgeschilderten Wanderweg (Sendero), der direkt zum NW-Startplatz führt. Der Aufstieg ohne Gepäck dauert rund 1,5 Stunden.


4- Montellano [NO, 510m, GPS N37° 0' 19", W5° 32' 50"]
Der Montellano (platter Hügel) liegt etwa eine halbe Stunde Fahrtzeit von Algodonales entfernt im Norden. Er bietet eine perfekt geneigte Soaringkante, die aus der vorgelagerten, leicht gewellten Ebene ungestört angeströmt wird. Bei passenden Bedingungen ist hier Soaring bis zum Abwinken angesagt.

Am Montellano gibt es zwei Startplätze. Einer oben an der Kante (SP1), der zweite deutlich tiefer auf einem vorgelagerten Hügel oberhalb des Landeplatzes [330m, GPS N37° 0' 32", W5° 32' 31"]. Der tiefere SP2 wird v.a. bei stärkerem Wind genutzt. Mit etwas Überhöhung und Geschick kann man sich nach hinten an den eigentlichen Hang versetzen lassen und aufsoaren. Bei echtem Starkwind ist es allerdings empfehlenswert, früh genug die Ohren anzulegen und wieder Höhe zu vernichten, um nicht ungewollt über die obere Kante verblasen zu werden.

Das Ziel kleinerer Soaring-Streckenflüge ist typischerweise der Turm auf dem vorgelagerten konischen Hügel im Osten (Foto: www.ganterfly.de). Bei guter Thermik ist der Montellano idealer Ausgangspunkt für größere Streckenflüge. Drachenflieger schaffen es von dort häufiger bis zur Küste (~100 km).


5 - El Bosque [W, 700m, N36° 45' 15", W5° 29' 23"]
El Bosque ist eine Alternative zum Startplatz Poniente (2), v.a. bei etwas stärkerem Westwind. El Bosque liegt tiefer und hat zudem noch die hohe Sierra de Grazalema im Rücken, was den Wind weiter abschwächt. So kann hier noch häufig gesoart werden, wenn es am Poniente schon allzu sehr bläst. Der Landeplatz [260m, GPS N36° 44' 28", W5° 30' 42"] liegt westlich vom Start und ist problemlos erreichbar.

Die Streckenflugmöglichkeiten von El Bosque aus sind etwas beschränkt. Normalerweise fliegt man nach Norden den Hang entlang, um schließlich den Sprung über die Ebene nach Algodonales zu probieren. Ein Flug direkt Richtung Osten über die Sierra de Grazalema sollte man nur bei sehr guten thermischen Lagen und großer Höhe wagen. Das Relief dort ist sehr schroff und für mindestens 15 km gibt es keine vernünftige Landemöglichkeit.


6- Ronda la Vieja [NW, 900m, GPS N36° 50' 19", W5° 14' 17"]Direkt neben dem Ausgrabungsfeld der römischen Siedlung Acinipo (einem Vorläufer des 12 km entfernten heutigen Ortes Ronda) liegt der Hang von Ronda la Vieja (Altes Ronda, Foto: www.ganterfly.de). Er hat eine ideale Neigung, um bei anstehendem NW-Wind stundenlang zu soaren. Gelandet wird entweder top bzw. am Hang oder rund 2,6 km nördlich auf einem Feld neben der Straße nach Setenil [530m, GPS N36° 51' 43, W5° 14' 08"]. Folgt man den Konturen des Geländes, ist die weite Strecke auch gegen den Wind erstaunlich gut zu überbrücken.

Für Streckenflüge wird Ronda la Vieja eher selten als Ausgangspunkt genutzt. Umso häufiger enden hier manche luftigen Ausflüge vom Mogote aus in einem genüsslichen Abendsoaring. Durch die hohe und exponierte Lage ist Ronda la Vieja recht anfällig für Starkwind. Eine tiefer gelegene Alternative ist Teba (8).


7 - Cañete la Real [S-SO, 730m, GPS N36° 56' 44", W5° 1' 12"]
Wer bei Wind aus S-SO nicht immer nur zum Levante (1) hochfahren will, der kann auch mal das östlich gelegene Cañete la Real ausprobieren. Das Fluggebiet wird vor allem fürs Soaring genutzt und stellt eine Starkwindalternative dar.
Der Startplatz befindet sich direkt an der Felskante beim Friedhof von Cañete, ist kurz und steil und nichts für Anfänger. Wer mit mehr Sicherheitsreserven in die Luft kommen will, kann hinter dem Friedhof den Hang 60 Höhenmeter bergauf wandern. Dort sind sanfter geneigte Startflächen zu finden. Gelandet wird auf den unbestellten Feldern am Fuß des Hanges. Wer mit etwas Höhe den Sprung über die Taldüse östlich vom Startplatz schafft, dem stehen am nächsten Hügel nochmals 1,5 km Prallhang zur Verfügung. Landschaftlich sehr reizvoll!


8 - Teba [NW, 580m, GPS N36° 58' 47", W4° 55' 35"]
Wenn der Nordwind etwas nach West tendiert ist Soaring in Teba angesagt. Dort gibt es zwei Startplätze. Der eine liegt westlich der Ortschaft (Foto: www.wasserkuppe.com). Man erreicht ihn, wenn man in der ersten Kurve bei der Ortseinfahrt (beim Firestone-Händler) rechts abbiegt und dann immer an der Kante entlang bergauf fährt. Gelandet wird entweder top oder auf den riesigen Feldern am Hangfuß.

Der zweite Startplatz, östlich des Ortes, ist vom Anblick her wenig attraktiv, weil man direkt an einer Müllhalde startet [580m, GPS N36° 59' 21", W4° 54' 53"]. Allerdings steigt dahinter der Berg noch weiter an, so dass man zum einen bei stärkerem Wind mit größeren Sicherheitsreserven soaren kann, zum anderen auch thermisch leichter Anschluss findet. Alternativ kann man den Hang hinauf wandern und den Schirm auf einem felsenfreien Wiesenfleck aufziehen.

Teba ist v.a. fürs Soaring geeignet und bietet an der Kante deutlich mehr Platz als etwa Ronda la Vieja (5). Das Streckenfliegen ist etwas problematisch, weil man sich schon unter dem Luftraum C des Flughafens Málaga befindet. Man sollte in der Einflugschneise nicht höher als ~1800m MSL aufdrehen.


Weitere Tipps
Wer nach dieser Fluggebiets-Beschreibung gerne mal nach Algodonales fahren möchte und nach passenden Unterkunftsmöglichkeiten sucht, dem empfehle ich, Kontakt mit Gerhard Ganter aufzunehmen. Gerardo, wie ihn die Spanier rufen, ist das Urgestein der Fliegerszene von Algo. Er war vor Jahren der erste, der einen Drachen mit Mauleseln auf den Mogote schleppte, um aus dem Gestrüpp heraus zu starten. Dass die Startplätze heute so gut ausgebaut sind, ist u.a. seiner Initiative zu verdanken. Gerardo bietet Gastpiloten in Algo Zimmer, Appartements und sogar ein komplettes Haus an. Infos zu Ausstattung und Preisen sowie weitere Serviceangebote rund ums Fliegen in Algo findet man auf seiner Homepage www.ganterfly.de.

Wer auf eigene Faust nach Algo reist, dem sei ein Besuch in JJ's Sports Bar angeraten. Johan, der holländische Besitzer, spricht gut Deutsch. Das JJ's ist der klassische (internationale) Piloten-Treffpunkt, wo man nicht nur im Internet die neuesten Wetterprognosen checken kann, sondern auch schnell Kontakt mit anderen Fliegern bekommt, um z.B. Fahrgemeinschaften zu den Startplätzen zu bilden.

Am Ende noch ein Anregung: Algodonales gilt zwar als ideales Winterfluggebiet, doch nach Auskunft von Gerardo fliegt es sich dort das ganze Jahr über sehr gut. Im Sommer wird es zwar sehr heiß, aber es ist eine trockene Hitze, die den Körper angeblich nicht so belastet. Mittags geht's in der Luft sportlich zu. Doch weil sich der Erdboden über den Tag stark und tief aufheizt, bleibt am Abend noch lange eine Restwärme erhalten, die für sehr sanfte, großflächige Thermik sorgt. Die spanischen Piloten nennen dieses Phänomen colchón. Es ist ein einmaliges Erlebnis, bei Sonnenuntergang auf dieser Warmluft-Matratze gemeinsam mit den großen, aber friedlichen Geiern am Poniente zu kreisen.