Zieleinflug in Valle de Bravo. Foto: PWC
Das mit Spannung erwartete Superfinale des Paraglidingsworldcup im mexikanischen Valle de Bravo ist entschieden. Gewonnen hat der Schweizer Peter Neuenschwander unter einem Ozone Enzo vor dem Franzosen Jean-Marc Caron.unter Niviuk Icepeak. Bester Deutscher war Marc Wensauer (Ozone Enzo) auf Platz 24. Das deutsche Team kam auf Platz 4. Alle Ergebnisse hier.

Die Spannung galt in diesem Jahr freilich weniger den Piloten als den neuen zertifizierten Wettbewerbsschirmen (vielleicht sollte man von High-Level EN-D sprechen). Würden diese Schirme tatsächlich ein Sicherheitsplus bringen und den leistungshungrigen Worldcup-Piloten dennoch ihr gewohntes Fluggefühl vermitteln? (Wer etwas mehr zur Vorgeschichte wissen will, lese meine früheren Posts über das Drama der Wettkampfschirme (Teil 1, Teil 2) sowie Großes Showdown beim PWC Superfinale).

Aus den Diskussionen im Paraglidingforum, dem Gleitschirmdrachenforum und weiterer Kanäle lassen sich ein paar Grunderkenntnisse destillieren:

Die neuen Schirme sind nicht zwangsläufig sicherer als die Vorgänger der echten "offenen" Klasse, doch sie sind auch nicht als inhärent unsicher auffällig geworden. Schwere Unfälle gab es in Mexiko nicht, doch zahlreiche Retterabgänge, vor allem in den ersten Wettbewerbstagen. Das kann mehrere Gründe haben, die nicht immer bei den Schirmen zu suchen sein müssen: Die meisten Piloten hatten ihre Schirme erst kurz vor dem Wettbewerb erhalten und tasteten sich direkt unter starken thermischen Bedingungen an deren Grenzen heran. Zudem gab es Tasks, die durch die unorthodoxen Windverhältnisse vor Ort unbeabsichtigt in Leefallen führten.

Zu den schirmbedingten Gründen zählen zum einen Trimmprobleme, die sich bei Gins Boomerang X durch eine deutliche Schrumpfung bestimmter wenig belasteter Leinen zeigten (soll bei den Seriengeräten behoben werden). Zum anderen zeigt sich ein bedenkenswerter Trend beim Flugstil, der mit der begrenzten Geschwindigkeit der Schirme zu tun hat. Die Schirme "gehen" nur noch rund 60 kmh, rund 10 kmh langsamer als die Vorgänger der Open Class. Doch in diesem Geschwindigkeitsbereich sind sie noch sehr stabil. In der Praxis führt das dazu, dass die Piloten den Beschleunigers gewissermaßen "digital" einsetzen. Entweder unbeschleunigt beim Thermikkreisen, oder gleich voll beschleunigt auf allen Gleitstrecken. Das zeigte sich dann auch in den geflogenen Durchschnittsgeschwindigkeiten, die eher über denen früherer PWC Wettbewerbe lagen. Beim letzten Task waren das 43 kmh. Die Piloten standen quasi unter Zwang zum Full Speed.

Von einigen Piloten kam die Klage, dass diese Entwicklung weniger taktische Optionen ermögliche. Wer einmal zurückgefallen ist, hat kaum die Chance mit etwas mehr Höhe und Speed das Feld von hinten wieder aufzurollen - zumal es zwischen den Schirmmodellen keine eindeutig erkennbaren Leistungsunterschiede gab. Entsprechend defensiver waren die Piloten bei der Routenwahl. In der Regel blieb der Pulk dicht beieinander - mit Zieleinflügen im Sekundentakt.

Das große Fragezeichen hinter dieser Entwicklung stellt sich freilich nicht für den PWC, sondern für den Freizeit- und Ligapiloten. Werden die neuen High-Level-Geräte künftig zum Standard in der EN-D-Klasse, d.h. mustern die Hersteller ihre aktuellen Low-Level-D-Schirme demnächst aus? Und wie wird der große Markt darauf reagieren? Ist tatsächlich bald nur noch "hauptsächlich Speed" gefragt?

Weil's nett ist am Ende noch zwei gegensätzliche Videos. Das erste demonstriert die Eleganz der Fliegerei beim PWC, das zweite zeigt die ebenso vorhandenen Probleme der Piloten mit ihren gestreckten Flügeln und den Zipfelgurtzeugen bei Start und Landung.


Ginger Come Back 2 from broers philippe on Vimeo.