Zu den großen Risiken beim Gleitschirmfliegen gehören Ablenkung und beiläufige Routinen. Gerade am Start kann das schnell passieren.
Aus der Routine heraus vergessen, ein Leinenschloss korrekt zu schließen. // Quelle: JB Chandellier |
Man quatscht noch mit Freunden, während man sich startfertig macht, es wird gescherzt. Und die eigentlichen Startvorbereitungen laufen als Routine einfach nebenher. Beiläufig.
Da kann es schnell passieren, dass man etwas übersieht. Einen kleinen Knoten in den Leinen; ein verdrehter Tragegurt; ein Bremsgriff, der zwischen andere Leinen gefallen ist; ein nicht geschlossener Bauchgurt. Viele dieser Vorfälle gehen glimpflich aus, doch sie sollten einem zu denken geben. Denn die Gefahr, in die man sich dadurch bringt, wäre leicht vermeidbar.
Einer, der jüngst heftig zum Denken angeregt wurde, ist der Franzose Jean-Baptiste Chandellier, bekannter Filmemacher, Acropilot und derzeit auch Konstrukteur- und Testpilot für Skywalk. Er berichtet auf Facebook, dass er erst nach einem Acro-Flug mit heftigen G-Lasten bemerkte, dass das Leinenschloss am A-Tragegurt seines Schirmes komplett aufgebogen war.
Der Grund war kein Materialversagen sondern schlichtweg Schusseligkeit durch Ablenkung. Jean-Baptiste hatte an seinem Schirm noch am Startplatz den Tragegurt gewechselt, dabei mit Freunden geredet und aus der beiläufigen Routine heraus vergessen, das Leinenschloss wieder korrekt zuzudrehen – und das nach 18 Jahren der Fliegerei und zehn Jahren als Testpilot, der häufig an seinen Schirmen herumtrimmt.
Der Ausgang dieses Malheurs war glimpflich, doch es hat sicher nicht viel gefehlt, damit dieser Flug für Jean-Baptiste auch anders hätte enden können. "Gewohnheit kann wirklich gefährlich werden, wir müssen fokussiert bleiben", schreibt er.
Solche anschaulichen Vorfälle sollte man ruhig einmal zum Anlass nehmen, auch über seine eigenen Gewohnheiten nachzudenken. Nehme ich mir am Startplatz die Zeit, um bewusst mit Ruhe und Konzentration den empfohlenen Startcheck zu machen? Und lasse ich nach dem Hantieren an sicherheitsrelevanten Bauteilen wie Leinenschlössern, der Verbindung zum Retter o.ä. noch einmal einen Dritten das System in Augenschein nehmen.
Ein regelmäßiger Buddy-Check bzw. ein häufiger angewendetes Vier-Augen-Prinzip wären für das Gleitschirmfliegen ein großer Sicherheitsgewinn.
7 Kommentare
Das Thema geht nicht nur die startenden, sondern auch die zuschauenden Piloten an!
AntwortenLöschenVor einigen Jahren war ich an der Hochplatte bei starkem Wind. Der SP ist steil, seitenwindanfällig und bietet nur für einen Schirm Platz. Während des Einsteigens in ein Stringgurtzeug kamen zwei noch recht junge Kollegen (ohne Schirme) am SP an und fragten mich nach dem Hausbart. Als ich ihnen freundlich geantwortet habe, dass ich vom Moment des Einsteigens an (das sind dann nur noch wenige hundert Sekunden bis zum Start) bitte keine Gespräche mehr führen möchte, gaben sie sich zwar damit zufrieden und hockten sich auf die Seite.
Dort allerdings begannen sie eines jener lauten Gespräche, die sich eigentlich an Dritte richten. Thema der Abhandlung: das müsse man verstehen, es gäbe halt solche alten Piloten, die weder Nerven noch Eier haben und deshalb keine ganz normale Frage vertragen. Freilich sollten jene "Rentner" vielleicht mal darüber nachdenken, ob denn das Fliegen für sie angesichts solcher Schwäche überhaupt noch der richtige Sport sei...
Sowohl der gedankenlose Unterbrechungsversuch als auch die kommunizierte "Wertschätzung" stehen in direktem Widerspruch zur Idee einer achtsamen Startvorbereitung. Spannend hierbei finde ich, dass das Problem hier gar nicht vom Piloten - der macht seine Startvorbereitung seit Tausenden Flügen hinreichend sorgfältig (abgesehen von einer Handvoll dummer Fehler, die mir das Schicksal aber gnädigerweise verziehen hat) - ausgegangen ist.
Vermutlich nehmen auch Piloten, die gerade in der "Zuschauerrolle" stecken, besagte Startvorbereitung ernst, wenn es um sie selber geht - aber ganz so eng sollte der Horizont nicht sein. Wenn nicht gerade einer seinen Beschleuniger vergessen hat oder mit offenen Gurten loslaufen will, gehört es auch zur fliegerischen Sorgfalt, andere weder bei der Startvorbereitung zu stören noch si dafür gar abzuwerten.
Wie ich finde ein wichtiges Thema, denn wir sind als Gleitschirmflieger in einer besonderen Situation – meistens alleine. Im Bergsport ist das Vier-Augen-Prinzip seit Jahren durch den "Partnercheck" gelöst und wird gut umgesetzt. In früheren Jahren sind schwerwiegende Unfälle passiert, die durch das bloße "draufschauen" des Partners hätten vermieden werden können. In der Regel waren das typische Routinefehler, wie z. B. den Knoten nicht komplett geknotet. Beim Gleitschirmfliegen sind wir zwar meistens mit mehreren am Startplatz, Vorbereitungen und Kontrollen macht aber jeder ganz alleine und für sich. Auch hier passieren regelmäßig Routinefehler. Wer sich hier nicht selbstkritisch immer wieder selbst auf die Finger schaut wird meiner Meinung nach früher oder später eine böse Überraschung erleben.
AntwortenLöschenVor Jahren bin ich einmal über Jochen Schweizer eine Hauswand heruntergelaufen. Das Team auf dem Dach hat mich vorbereitet und überprüft, anschließend wurde ich nochmal von zwei Personen überprüft, die unabhängig von den Vorbereitungen waren und sich mit einem frischen Blick alles angeschaut haben. Hier gab es einen ganz klaren Kontrollablauf. Beim Tandemfliegen kann mindestens genauso viel schief laufen wie an der Hauswand. Üblicherweise ist hier der einzige, der nochmal eine Kontrolle durchführt, der Pilot. Ich selber habe mir ein festes Prozedere angewöhnt, bei dem ich vorher nochmal alles kontrolliere. Vom Passagier über die Spreize bis hin zu mir. Diese "Checkliste" hilft mir sehr und verringert die Chance etwas zu übersehen.
Seid euch dem Risiko bewusst, egal ob Solo oder Tandem, es reicht ein entscheidender Fehler. Seid selbstkritisch und konzentriert bei den Vorbereitungen. Was wir definitiv mehr brauchen ist das Miteinander, seid aufmerksam und hilfsbereit anderen gegenüber.
Nicht nur im Bergsport (wie bereits erwähnt), sondern auch im Tauchsport ein verpflichtendes und ab der ersten Stunde gelehrtes Prozedere.
AntwortenLöschenEs gab vor vielen Jahren eine Versuchsreihe einer Uni mit Bergführern, in einer für die Teilnehmer einfachen Seillänge einer Kletterroute, die immer wieder durchstiegen werden musste. Ziel war festzustellen, wie oft der Hauptsicherungskarabiner bei einsetzender Routine nicht zugeschraubt wurde. Obwohl es sich bei den Teilnehmern um absolute Profis handelte, sie sogar wußten, worum es ging, war der Prozentsatz extrem hoch.
Die Einführung eines Buddychecks (wie im Tauchsport), so ein zweiter Pilot am Startplatz verfügbar, könnte das Risiko deutlich minimieren. Interessant wäre sicher zu wissen, wie die Haltung des DHV zu diesem Thema ist...
Oh dünnes Eis. Bringt doch den DHV nicht auf dumme Ideen. Gleitschirmflieger sind Individualisten.
AntwortenLöschenBuddy Check gehörte beim Fallschirmspringen auch absolut zur Routine -- übrigens teilweise auch etwas Hilfe beim Anlegen. Diese Solo-Meierei ist aus meiner Sicht albern, und dem Sport abträglich.
AntwortenLöschen@ xcaucasus: WIe stellst dir das beim Gleitschirmfliegen vor. Nur noch zu 2???
AntwortenLöschenIch halte den Partnercheck beim Fliegen nicht für zielführend. Wieso? Weil es im Gegensatz zum Klettersport, kein Partnersport ist. Es kommt auch vor, dass man ohne Partner startet und dann muss man vom Prozedere abweichen.
AntwortenLöschenDas schöne an unserem Sport ist, dass man auch einen stillen Partnercheck machen kann. Ob das Gurtzeug zu ist, und die Karabiner geschlossen, kann man auch still aus einiger Entfernung checken. Piloten die anderen beim Start zusehen, haben offensichtlich auch nichts wichtigeres zu tun, und können so einen stillen Partnercheck durchführen.
Mit einem Hinweis auf der Infortafel, sind auch nicht fliegende Zuschauer schnell eingewiesen, und können die 2 wichtigen Punkte checken anstatt ablenkende Fragen zu stellen.
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