Diese kleine Serie auf lu-glidz beschäftigt sich mit Sicherheitsmängeln, die viele Schirme der neuen Generation konstruktionsbedingt aufweisen (können). Im Teil 2 geht es um überfrachtete Stabilos.

Multifunktionsstabilo bei einem Mentor 3.
An der Stabilo-Leine sind weitere Zellen aufgehängt.
Die Stabilo-Leine ist jene Abspannung, die vom Tragegurt - in der Regel auf der B-, manchmal auf der C-Ebene - zu den seitlichen Flügelenden, den Stabilos führt. Sie hat eine wichtige Sicherheitsfunktion: Wenn sich einmal nach einem Klapper eine Flügelhälfte in den Leinen verhängt, kann der Pilot an der Stabilo-Leine ziehen. So greift er gewissermaßen nach der äußersten Zelle, zieht diese aus dem Leinenwust heraus und kann in vielen Fällen den Verhänger auf diese Weise lösen.

Bei fast allen Schirmen älterer Generationen ist die Stabilo-Leine allein am Stabilo aufgehängt. Doch viele der auf Leistung getrimmten neueren Modelle besitzen im Grunde einen Multifunktionsstabilo. Weil weniger Leinen weniger Luftwiderstand erzeugen und somit eine Schirm mit weniger Leinen eine bessere Gleitleistung hat, haben viele Hersteller damit begonnen, die erforderliche Stabilo-Leine in diesem Sinne zu nutzen. Bei neueren Leinen-Layouts findet man häufig eine Variante, bei der sich die Stabilo-Leine in der Galerie nochmals gabelt und dann nicht nur den Stabilo, sondern auch noch drei bis sechs innere Zellen mit abspannt. Sicherheitstechnisch ist das bedenklich - ein Leistungsmakel.

Ein "heilloser" Verhänger bei einem Blacklight.
Durch die zusätzlichen Aufhängungen an der Stabilo-Leine kann es vorkommen, dass nach einem Verhänger die Zugkraft des Piloten nicht mehr direkt auf den Stabilo wirkt, sondern nur noch auf die inneren, an der gleichen Leine hängenden Zellen. Der Rest des Außenflügels flattert dann lose im Wind. Es kann passieren, dass ein solcher Verhänger gar nicht mehr zu lösen ist. Damit wird eine wichtige Funktion der Stabilo-Leine konterkariert. Zwar betreffen solche Verhänger häufig nur die Ohren, man kann in einem solchen Zustand (s. Foto) noch sicher landen. Aber ein aussichtsreicher Streckenflug ist nach einem solchen Vorfall vorbei, und das ständige Gegenhalten und Richtungskorrigieren kostet den Piloten Nerven.

Die Aufhängung mehrerer äußerer Zellen am Stabilo kann noch zu anderen gefährlichen Situationen führen, beispielsweise beim Sicherheitstraining. Dort werden Piloten angehalten, bei der Simulation eines Frontklappers alle A-Leinen zugleich nach unten zu reißen. Bei einem Schirm mit "Multifunktionsstabilo" werden bei einem so durchgeführten Manöver die äußersten Zellen aber nicht richtig mitgeklappt - sie hängen ja an der nicht mitgezogenen Stabilo-Leine. Deshalb bleiben sie luftgefüllt und flugfähig stehen, fliegen weiter, können vorne zusammenstoßen und im Extremfall sogar miteinander verhängen. Der Schirm nimmt dann eine Hufeisenform an. Das Wiederöffnen aus einer solchen Fluglage erfolgt häufig verzögert, ungleichmäßig und unkontrolliert, was einen unerfahrenen Piloten schnell überfordern kann. Wie so etwas in der Praxis ausschaut, zeigt folgendes Youtube-Video ab 0:20:



Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, das ein so anspruchsvolles Klapp- und Öffnungsverhalten eines "gezogenen" Klappers nicht zwangsläufig dem Schirmverhalten unter normalen Flugbedingungen entsprechen muss. Abwinde, die Frontklapper auslösen, werden dort auch auf die äußeren Zellen einwirken. Allerdings bleibt es dennoch fraglich, ob ein Quentchen mehr an Leistung auch bei Schirmen aus der "Hobbyklasse" B einen Sicherheitsverlust in Form schlechterer Verhängerlösungsmöglichkeiten rechtfertigt. Zumal die beiden hier in den Fotobeispielen gezeigten Modelle nicht die einzigen sind, die diesem Trend folgen.