Das Leicht-Liegegurtzeug ist dank seiner Robustheit voll alltagstauglich.

Jahrelang habe ich Liegegurtzeuge abgelehnt. Nicht, weil ich dieser Form der Fliegerei nichts abgewinnen könnte. Das Packmaß schreckte mich ab. Meine Ausrüstung sollte in einen 90 Liter Rucksack passen, um noch angenehm auf die Berge getragen werden zu können. Doch mit klassischen Wettkampfgurtzeugen war das Utopie. Und all die Leicht-Liegegurtzeuge, die in den vergangenen Jahren auf den Markt kamen, konnten mich auch nicht so recht überzeugen. Zu dünne, zu empfindliche Stoffe für den harten Alltagseinsatz. Zu klein und dünn dimensionierte "Komfortschaum"-Protektoren, die nur beim EN-getesteten Fallwinkeln ihre Aufgabe erfüllen. Und häufig den Rettungscontainer im Rücken - als perfekte Wirbelbruchunterlage bei harten Landungen.

Schlauch zum Aufblasen des Protektors.
Umso interessierter war ich, als ich erstmals von einem Gurtzeug las, das in der Umkehrung all diese Punkte erfüllen könnte: Sehr kleines Packmaß, robuster Stoff, ein 17cm-Fullsize-Protektor und ein großes Retterfach unterm Hintern - und das deutlich unter 4 kg Gewicht. Das neue Fantom extra light des tschechischen Gurtzeugherstellers Karpofly sollte das bieten. Auf meine Anfrage hin stellte der deutsche Importeur Konrad Görg von Kontest.eu freundlicherweise mir gleich eins der ersten Modelle in der Göße L zum Testen zur Verfügung.

Dass das Fantom extra light trotz Fullsize-Protektor ein sehr kleines Packmaß erreicht, hängt mit einer am Markt einzigartigen Lösung zusammen: Der Protektor ist aufblasbar. Oben am Schultergurt tritt ein Schlauch mit verschließbaren Ventil heraus, über den man den Protektor aufpustet. Ich brauche circa 15 volle Lungenzüge, um den innen liegenden Luftsack aus stabilem Polyurethan in Form zu bringen. Laut Angaben von Karpofly soll man den Protektor so weit aufpusten, bis die Luft wieder deutlich aus dem Schlauch zurückströmt. Dann schließt man schnell das Ventil.

Nachschwingen des Karpofly-Protektors // Grafik: Para-Test.com
Welche Sicherheit ein aufgeblasener Protektor im Vergleich zu Schaum- und Staudruck-Lösungen bietet, fällt mir schwer zu beurteilen. Im EN-Test (Bericht als pdf) kommt der Protektor auf sehr gute Dämpfungswerte, vergleichbar mit guten Airbag-Lösungen. Laut Karpofly ist der geschlossene Luftsack so konstruiert, dass er auch bei einem harten Aufprall nicht platzt.

Bei einem simulierten Fall aus geringer Höhe auf meinen Wohnzimmerteppich zeigt sich die Wirkungsweise: Die Luft wird im Protektor vom Hintern weg hin zu den dünneren Enden gedrückt, die sich dabei etwas auswölben. Das wirkt tatsächlich dämpfend. Anschließend strebt der Protektor allerdings wie ein Gummiball wieder seine ursprüngliche Form an. Dieses Schwingen zeigt sich auch im Testprotokoll von Para-Test (s. Grafik). Inwiefern bzw. in welchen Situationen ein solches "Nachhüpfen" auch kontraproduktiv sein könnte, weil der Körper gegenläufige Beschleunigung erfährt, kann ich nicht sagen.

Auch locker gefaltet schon klein.
Im entleerten Zustand benötigt der Protektor fast gar keinen Platz. Dadurch wird das geringe Packmaß möglich. Zwar wird man das Gurtzeug in der Praxis nie wieder so klein gefaltet bekommen, wie man es in einer Stofftasche (nur wenig größer als ein Aktenordner) geliefert bekommt. Doch auch mit eingebauter Rettung bleibt das Päckchen erstaunlich klein und flach. Tatsächlich benötigt das Fantom extralight, trotz Beinsack, weniger Rucksackvolumen als mein altes Airbag-Gurtzeug, ein "Peak" von Woody Valley.

Das kleine Packmaß ist noch einer weiteren Eigenart geschuldet. Das Fantom extra light ist nach dem ursprünglich von Advance entwickelten Hängemattenprinzip aufgebaut, kommt also ohne Sitzbrett daher.

Protektor freigelegt: Der Luftsack dient auch als
stützendes Element für die Hängemattenkonstruktion.
Was im Flug erst etwas gewöhnungsbedürftig ist, entpuppt sich durchaus schnell als recht bequem. Zumal der Protektor hier noch für eine Art Zwitterlösung sorgt. Fest aufgeblasen wirkt er versteifend. Es fühlt sich an, als säße man auf einem luftgepolsterten Brett. Reduziert man den Druck ein wenig, schmiegt sich die Hängematte stärker an den Körper an. So trägt auch der Protektor selbst zur variablen Einstellung des Gurtzeugs bei.

Die klassischen Einstellmöglichkeiten sind recht spartanisch. Wo Advance bei seinen Gurtzeugen fünf Gurte und Schnallen verbaut, um die Hängematte perfekt an Körper anzupassen, benötigt Karpofly nur zwei. In Verbindung mit dem formgebenden Fullsize-Protektor ist das auch völlig ausreichend. Verzichtet man allerdings aufs Aufblasen des Protektors oder vergisst, das Ventil vor dem Start zu schließen, ist die Rückenabstützung vergleichsweise schlecht. Hier zeigt sich einmal mehr, dass der Protektor auch eine wichtige strukturelle Funktion für das Gurtzeug erfüllt.

Die Länge des Beinsackes wird über vier Bänder eingestellt, die dafür geknotet werden müssen. Eine Einstellung im Simulator kostet allein wegen der Fummelarbeit schon viel Zeit. Einmal angepasst, sitzen die Knoten aber auch bombenfest.

Die Größe L des Gurtzeuges soll offiziell von 1,80 bis 1,95 cm Körpergröße geeignet sein. Bei meinen 1,82 cm erwies sich der Beinsack allerdings auch in der kürzesten Einstellung als etwas zu lang, während die Größe M des Gurtzeugs (auf der Thermik-Messe probegesessen) mir im Rücken einen Ticken zu klein erschien. Ähnliche Rückmeldungen bekam ich auch von anderen Piloten mit vergleichbarer Körpergröße. Ich selbst löste das Problem, indem ich zwei der Haltebänder des Beinsackes einfach etwas abnähte und so weiter verkürzte - mit dem kleinen Schönheitsfehler, dass der Beinsack nicht mehr ganz straff und faltenfrei sitzt.

Großes, weit öffnendes Retterfach.
Was die Robustheit betrifft: Das Fantom extra light ist durchgängig aus einem stabilen Cordura-Stoff gefertigt. Selbst der Beinsack besteht zu großen Teilen daraus, er hat nur einen etwa 40 cm breiten "Dehnungsbereich" aus vergleichsweise dickem Neopren. Damit sollte das Gurtzeug auch einmal eine ungewollte Landung in den Dornen schadlos überstehen. Alle Schnallen und Verschlüsse sind ebenfalls nicht auf Leichtigkeit getrimmt, sondern von der stabileren Sorte

Lobenswert ist das Retterfach. Es ist unten angebracht, allerdings keine enge Tube, sondern eine weit öffnende Lade, aus der selbst große Rettungen noch problemlos rutschen. Die tiefe Position des Retters erlaubt zudem ein erstaunlich großes Staufach im Rücken. Lange Stöcke, ein Rucksack mit nicht faltbarem verstärktem Rückenteil wie der Everest 2 Pro, ein Trinksack in der dafür vorgesehen extra-Tasche mit Durchführung des Trinkschlauchs - all das verschwindet darin problemlos. (Hinweis: Bei den kleineren Größen des Gurtzeugs fällt das Fach um einige Zentimeter kürzer aus.)

Stabile Nähte, aber schön sieht anders aus.
Neben dem vielen Licht gibt es beim Fantom extra light freilich auch etwas Schatten. Da ist zum einen die Nähqualität, zumindest was die Optik betrifft. Da sind beileibe keine exakten Schnitt- und Nähroboter am Werk. Die tragenden Nähte erscheinen zwar alle sehr stabil, aber exakt und schön sieht anders aus.

Auch die Plastikteile, etwa am Mundstück des Protektors, machen eher einen billigen Eindruck, ebenso die Verschlusshaken des Beinsackes. Letztere halten zudem die Stofflaschen des Beinsackes nicht immer fest genug. Ich bin mehrfach ungewollt mit (wieder) offenem Beinsack gestartet. Als günstige Behelfslösung habe ich schließlich jeweils ein Packgummi so um die Haken gewickelt, dass die Schlaufe über diese Gumminase nicht mehr von sich aus rausrutschen kann. Nicht schön, aber funktional.

Beim kleinen, etwas instabilen Cockpit ist
der Neigungswinkel nicht einstellbar.
Ebenfalls nicht optimal gelöst ist das auf dem Beinsack angebrachte Cockpit. Das Instrumentenbrett ist vergleichsweise klein und nicht abnehmbar, der Ablesewinkel ist nicht einstellbar, und die ganze Konstruktion trotz aufspannbarer Kunststoffversteifung zudem nicht richtig stabil, wenn man das Cockpit nicht irgendwie formgebend ausstopft. Daneben wird man am Beinsack auch weitere kleine Taschen etwa für Kamera oder Müsliriegel vermissen.

Im Flug kann das Fantom extra light wiederum punkten. Einmal richtig eingestellt (und bei aufgeblasenem Protektor) sitzt bzw. liegt man in der Matte auch nach Stunden noch sehr bequem. Der Einstieg in den Beinsack nach dem Start ist einfach. Der zweistufige Beschleuniger ist gut und dank großer, kugelgelagerter (Plastik-)Umlenkrollen auch leicht zu treten.

Im Flug kann man ruhig mal entspannt die Beine hängen lassen, durch den formgebenden Protektor hat man immer noch genügend Stütze. Die Aufhängung des Gurtzeugs ist vergleichsweise hoch, also wenig kippelig. Dennoch taugt dieses Setting für eine wirksame Gewichtssteuerung. Geht es in der Luft heftig zur Sache, zeigt sich ein weiteres Mal ein Effekt des Luftprotektors, auf dem man sitzt. Harte Schläge der Kappe werden angenehm abgefedert, bleiben aber spürbar.

Fazit: Karpofly hat mit dem Fantom extra light ein sehr interessantes Leicht-Liegegurtzeug im Programm, das dank seiner Robustheit voll alltagstauglich ist. Pluspunkte sind das sensationell geringe Packmaß mit Fullsize-Protektor, die gute Sitz- und Fluggeometrie, großes Stau- und vorbildliches Retterfach. Abzüge gibt es für die lieblose Verarbeitung und das nur eingeschränkt nutzbare Mini-Cockpit.

Tipp: Wer als Pilot auch ein Kilogramm mehr Gewicht und ein nur etwas größeres Packmaß akzeptiert, der sollte sich einmal das ganz ähnlich aufgebaute Karpofly-Modell Fantom light race anschauen. Das besitzt u.a. ein größeres Cockpit, Taschen auf dem Beinsack und zusätzliche Versteifungen des Rückenteils, um dessen aerodynamisch Form auch ohne komplette Füllung zu halten.

Nachtrag (September 2014): Nach einem halben Jahr im erfolgreichen Einsatz riss bei meinem Gurtzeug der dünne Stoff, der den Protektor am Platz hält, entlang von Nähten großflächig auf. Offenbar wurden hier beim Beschleunigen Lasten in den Stoff eingeleitet, denen dieser nicht gewachsen war. Im Paraglidingforum berichteten auch andere Piloten von ähnlichen Vorfällen. Karpofly hat den Schaden unkompliziert geregelt. Ich bekam ein neues Gurtzeug aus jüngerer Produktion im Austausch. Darin sind baulich ein paar Dinge anders gelöst. Die Protektorhülle ist nun aus einem stabileren Stoff gefertigt, Reißverschlüsse an der Deckeltasche und Cockpit sind stabiler ausgeführt. Die Laschen zum Verschließen des Beinsackes sind nun dicker ausgeführt und rutschen nicht mehr so leicht aus den Haken. An der Außenhaut wiederum kommt nun ein etwas dünnerer (aber im Vergleich mit anderen Leicht-Gurtzeugen noch immer erstaunlich stabiler) Cordura-Stoff zum Einsatz.