Ozone plant, den neuen Delta 3 mit Faltleinen testen zu lassen. Damit bekäme der als EN-C konzipierte Schirm automatisch die Note EN-D. Ein Tabubruch mit Folgen. 

Vor Jahren flog Ozone mit seinem Open-Class Wettbewerbsschirm BBHPP allen davon. Der Schirm enthielt Carbon-Stäbchen und sorgte in der Branche für heftige Diskussionen darüber, ob ein Gleitschirm versteifende Elemente enthalten dürfe und wenn ja, welche. Am Ende wurde eine Definition mit Knickradien gefunden, die Carbon-Stäbchen konstruktiv ausschloss, aber Nylondrähte zuließ. Seit jener Zeit kokettiert Ozone mit seinem Alleingang und der Rolle als vordenkender Außenseiter der Szene und spricht in der Werbung augenzwinkernd von Black-Sheep-Technology.

Derzeit ist Ozone kurz davor, erneut in die Rolle des Schwarzen Schafes zu schlüpfen. Denn bei der Zulassung des Schirmes Delta 3 ist der Hersteller offenbar gewillt, die Tests der beschleunigten Klapper bei der EN-Zulassung mit Faltleinen durchführen zu lassen. Entsprechende Hinweise waren bei der Thermikmesse zu hören und sind mittlerweile auch auf der Ozone-Homepage nachzulesen. Damit würde Ozone akzeptieren, dass der Delta 3 zwar als klassischer EN-C konzipiert wurde, aber automatisch die Gesamtnote EN-D bekäme. Denn die Noten A, B oder C können bei der aktuell gültigen EN-Norm 926-2 nur vergeben werden, wenn die Prüfklapper zwingend ohne Faltleine gezogen werden.

Der Vorgänger, Delta 2, ist nach Angaben von Ozone der am Markt meistverkaufte C-Schirm aller Zeiten. In der Flugpraxis wurde er von den Piloten als guter, nicht ausgereizter Repräsentant dieser Klasse wahrgenommen, gerade wenn es um Sicherheitsfragen ging. Pikanterweise wurde der Delta 2 auch mit Faltleinen zugelassen. Zu jener Zeit war das von der EN-Norm her auch in der Kategorie EN-C noch möglich.

Der Delta 3 stellt eine direkte Weiterentwicklung des Delta 2 Konzeptes dar, bei nahezu identischen Grunddaten wie Streckung etc. Ein prägendes Merkmal: Die A-Leinen sind am Profil weit zurückversetzt, was die Stabilität des Flügels in Turbulenzen erhöhen soll. Allerdings können bei dieser Bauweise "gezogene" Klapper sich durch einen Vorbeschleunigungseffekt heftiger entwickeln, als sie dies im Alltag in bewegter Luft tun würden. Vom realen Sicherheitsplus ist zumindest das Ozone-Entwicklungsteam so überzeugt, dass es an dieser Bauweise festhalten will. Um bei der Zulassung dennoch normkonforme Klapper zu erreichen, müssen dann halt Faltleinen her, die weiter vorne am Profil angreifen. Damit stünde aber ein Urteil schon fest: Mit Faltleinen wäre der Delta 3 zwangsläufig heute ein EN-D, auch wenn sich sein Flug- und Sicherheitsverhalten in keinem Punkt vom Delta 2 als anerkanntem EN-C unterscheiden würde.

Die Ozone-Entwickler haben lange mit sich gerungen, ob sie diesen Schritt gehen sollen. Am Markt herrschte bisher der gegenläufige Trend vor: Schirme wurden eher so getrimmt und getestet, dass sie trotz hoher Streckung oder anderen Leistungsmerkmalen in niedrigere Klassen fielen. Der Delta 3 wäre das erste Modell, bei dem bewusst das Risiko einer höheren Einstufung in Kauf genommen würde. Ozone schlüpft damit ein weiteres Mal in die Rolle als Experimentator oder halt "Black Sheep". Zum Test steht, wie stark der Markt tatsächlich den EN-Einstufungen hörig ist bzw. wie sehr die Kunden in die Sicherheitsangaben eines Herstellers vertrauen. Denn der würde ihnen ja erzählen, dass der Delta 3 nur auf dem Papier die Einstufung "D" besitzt, ansonsten aber ein klassischer C-Schirm sei.

Der Ausgang dieses Marketing-Experiments ist offen. Angesichts des großen Erfolges des Delta 2 ist zu erwarten, dass viele der zufriedenen Kunden Ozone folgen würden, zumal sie ja auch bisher schon mit einem faltleinen-getesteten Schirm unterwegs waren. Für die Branche könnte dies wiederum bahnbrechende Effekte haben. Denn sollte auch ein Delta 3 als EN-D zum Markterfolg werden, könnte dieses Beispiel Schule machen.

In der Folge könnte eine andere Entwicklung weiter Schwung aufnehmen: Immer stärker zeigt sich, dass die EN-Noten A, B, C, D nur für Testkonformität stehen, aber weniger über das tatsächliche Leistungs- und Sicherheitsniveau eines Schirmes aussagen. Die Einteilung von XC-Wettbewerben nach EN-Klassen erscheint als immer weniger sinnvoll. Stattdessen rücken andere Maßstäbe wie Streckung oder Flächenbelastung zunehmend in den Fokus.

Verschwimmen die Grenzen zwischen C und D - im Grunde heute ja sogar zwischen B, C und D - könnte die Branche perspektivisch über eine generelle Neuordnung der Zulassungsregeln nachdenken. Nicht nur bei Ozone gibt es Gedankenspiele, die nur noch zwei Klassen vorsehen: Schulungstauglich und Fortgeschritten. Wobei die Beschreibung des Schirmcharakters bei den Fortgeschrittenen dem Hersteller überlassen bliebe. Gepaart mit Safety-Tests á la DHV als Korrektiv, zumindest für die weniger gestreckten Schirmen im Massenmarkt, wären solche Informationen für den mündigen Piloten sogar ehrlicher, als die aktuellen Schiebereien zwischen den EN-Klassen.