Kürzlich sind bei Salzburg gleich mehrere Gleitschirme abgestürzt, als der Wind stark auffrischte. Was man aus solchen Vorfällen lernen sollte
Die Sturmfront am 10. März rückte schnell vor. // Quelle: ventusky.com |
Wetter und dessen Entwicklung ist "das" Kernelement, das bestimmt, ob wir uns in der Luft wohl fühlen können oder einfach nur gefährden.
Leider kommt es immer wieder vor, dass wir Flieger vor lauter Flugeuphorie die Wandelbarkeit des Wetters unterschätzen oder einfach außer Acht lassen. Am Startplatz werfen wir einen Blick in den Himmel und auf die Windfahne. Wenn es passt, was wir da sehen, hauen wir uns raus. Erst Recht, wenn auch schon Vorflieger in der Luft sind. Doch solche Momentaufnahmen der Wettersituation können sehr trügerisch sein.
Sturmfront am Gaisberg
Ein erschreckendes Beispiel ereignete sich am 10. März bei Salzburg. Dort starteten mehrere Gleitschirmflieger vom Gaisberg. In der Luft wurden sie etwas später von einer aufziehenden Sturmfront überrascht. Laut eines Berichts des ORF stürzten fünf Gleitschirme ab, darunter ein Tandem. Sechs Personen wurden verletzt, zwei davon schwer. In einem Polizeibericht ist von vier "gewerblichen" Tandem-Schirmen und sieben verletzten Personen die Rede.
Nun könnte man sagen: "Selbst schuld. Die Sturmfront war doch angekündigt. Das hätte man wissen müssen und gar nicht erst starten dürfen." Aber damit ist keinem geholfen.
Viel mehr gilt es, solche Vorfälle zum Anlass zu nehmen, um sich selbst zu hinterfragen: Wie sind denn meine Wettercheckroutinen? Wäre mir eine solche Entwicklung aufgefallen? Und wie konsequent gehe ich bei meinem Wettercheck vor? Immer?
Ich will hier jetzt keine ausgefeilte Anleitung zum Wettercheck geben. Wer dazu mehr erfahren möchte, dem empfehle die Teilnahme an den Online-Meteo-Seminaren, die ich immer wieder mal auf Lu-Glidz anbiete.
Tipp: Wetter als Film anschauen
Die Windentwicklung mit Windy im Blick. // Quelle: Windy.com |
Sie bereiten die Daten der Meteo-Modelle in optisch sehr eingängiger Weise auf. Und man kann dort einen ganzen Wettertag (und auch mehrere) im Drei-Stunden- oder sogar Stunden-Rhythmus aufrufen und wie einen Film abspielen lassen. Das sollte man auch tun!
Klickt man sich auf diesen Seiten in kurzen Zeitsprüngen durch einen Tag, wird sofort augenscheinlich, ob eine Wetterlage stabil (kaum Wandel in den sichtbaren Farbmuster) oder sehr veränderlich ist.
Wählt man beispielsweise die Variable Regen, sieht man sehr gut, wohin und wie schnell Regenbänder ziehen. Kommen sie in die Nähe meiner potenziellen Flugregion? Dann sollten bei der Flugvorbereitung immer die Alarmglocken schrillen.
Das gleiche gilt für den Wind. Bläst dieser über den Tag eher gleichmäßig, oder rücken Bereiche mit stärkerem Wind zu mir vor?
Ab Grün wird es kritisch
Bei allen oben genannten Seiten führt die Farbgebung gerade bei den Windkarten das so simpel wie eindrücklich vor Augen. Etwas vereinfacht auf die Bedürfnisse der Gleitschirmflieger übersetzt, gilt dort: Bläuliche Bereiche sind ok. Sobald die Färbung ins grünliche geht, wird es kritisch.
Dabei ist es allerdings wichtig, den Blick etwas zu weiten und auch eine gewisse Unschärfe der Wetter-Modelle zu berücksichtigen.
Den Blick zu weiten heißt: Nicht nur eng auf die eigene Flugregion zu schauen, sondern auch stärkere Veränderung im Umfeld wahrzunehmen. Denn eine Wetterlage wird umso unberechenbarer und für den Flieger weniger planbar sein, je größer die Unterschiede auf kleinem Raum sind.
Meteo-Modelle sind unscharf
Wie schnell laufen Fronten? Das Regenradar zeigt die reale Entwicklung. // Quelle: Lu-Glidz, Windy&Burnair-Seminar |
Um ein Risiko auszuschließen, wäre es das "gesündeste", Tage mit schnellen Wetterveränderungen grundsätzlich aus seinem Flugkalender zu streichen. Wer dennoch meint, ausreichend Meteo-Kenntnisse zu besitzen und auch kleinere Flugfenster ausnutzen zu müssen, sollte zwingend Folgendes in seine Wettercheckroutine einbauen: Auch am Startplatz immer nochmals das Live-Wetter checken. Und zwar nicht nur lokal per Augenschein, sondern mit technischer Hilfe auch im weiteren Umfeld.
In Windy zum Beispiel kann man aktuelle Windwerte von Mess-Stationen aufrufen und sich Regenradarbilder anzeigen lassen (sogar mit der Entwicklung der letzten Stunde).
Die Frage hier ist: Rücken Starkwind- und Regenfelder möglicherweise schneller vor als das, was ich zuvor in der Prognose gesehen habe? Dann gilt das Meteo-Grundgesetz: Die Realität hat immer recht, nicht die Prognose! Ich muss dann akzeptieren, dass sich mein Flugfenster deutlich schneller schließen wird oder gar schon geschlossen hat.
Um Nachfragen zur oben genannten Meteo-Seite Ventusky vorzugreifen: Diese bietet eine ähnliche Funktionalität wie Windy. Vom Gesamtangebot her würde ich Windy zur Flugwetter-Einschätzung immer bevorzugen. Ventusky ist nur in einem Punkt unschlagbar: Es integriert ein Prognose-, Radar- und Satbild-Archiv. Ich kann mir Wetterentwicklungen vergangener Tage auch im Nachhinein nochmals anschauen, um mir das, was ich in der Luft vielleicht erlebt habe, besser erklären zu können. Zum Aufrufen des Archivs von Ventusky links unten neben den Zeitstrahl auf "Datum ändern" klicken.
3 Kommentare
Änderungshinweis: In einer ersten Version des Posts war nur der Bericht des ORF erwähnt und verlinkt. Den Polizeibericht mit leicht abweichenden Angaben konnte ich erst später berücksichtigen. Laut Hinweisen, die mich erreichten, soll das anrückende schlechte Wetter für die Piloten auch vor Ort schon vor dem Start erkennbar gewesen sein.
AntwortenLöschenVielen Dank für die Erinnerung wie man einen Flug in Bezug auf Wetterkunde vorbereitet. Routine und Herdentrieb am Startplatz stehen in userem Sport manchmal einer vernünftigen Entscheidung im Weg. Überrascht kann man vom Wetter jedenfalls heutzutage nicht mehr so leicht werden wie vor 20 Jahren.
AntwortenLöschenDanke für den Bericht, Lucian. Die Schirme sind sicherer geworden (mein Anfängerschirm vor 25 Jahren, ein Edel Atlas, würde vermutlich heute gerade noch ein "C" bekommen), die Analysewerkzeuge besser. Vielleicht gerade deswegen werden die subjektiven Grenzen immer weiter verschoben. Ich bin ein bekennender "Schisshase" und staune immer wieder, wenn ich sehe, wie bei Föhn, im Leerotor, vor Kaltfronten, in Sichtweite eines aktiven CB (nichts erfunden, alles in den letzten Jahren gesehen, ich schwöre!) gestartet und geflogen wird, wo ich gar nicht erst rauffahre oder auspacke.
AntwortenLöschenMeine Vermutung: Seit es immer mehr Analysewerkzeuge online gibt, steigt die Versuchung, sich zwischen Föhn und Kaltfront ein minuten- und zentimetergenaues Startfenster zu "schnitzen" und sich trotz dreier Startabbrüche und warnender Stimmen anderer hinauszuhauen, v.a. wenn es vorher auch noch ein paar "Vorbilder" aus der Local-Hero-Szene erfolgreich vorgemacht haben. Und da das (leider oder gottseidank??) 9 von 10 Male gutgeht, führt das zu einem positiven Verstärkung des Verhaltens (klassische Lerntheorie).
Mein Tipp: Die Unfallberichte beim DHV lesen, das bewahrt vor "Über- Mut". Dort heißen die Ursachen in über 2/3 aller Fälle zwar wahlweise "seitlicher Einklapper", "Frontklapper", "Verhängerspirale", "Strömungsabriss" etc. - gemeinsam aber haben sie : Die Wetterbedingungen waren kritisch, die Piloten sind meist männlich zwischen 50 und 65 Jahren (hier könnte man noch psychologische Überlegungen zu den männlichen Wechseljahren anstellen ...) und werden als "erfahren" bezeichnet.
Für mich gilt: Es gibt keine "grenzwertigen" Flugbedingungen, bei denen man "noch" fliegen kann. Es gibt "fliegbar" und "nicht fliegbar" (vgl. "schwanger") - was zutrifft entscheide ich.
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