Ein klassischer Kaltluftausfluss mit Böenwalze sorgte für mehrere Abstürze am Gaisberg. Vom Risiko der schnellen Abgleiter vor dem Regen.
Ein Regenband rückt zum Gaisberg vor. // Quelle: gaisberg.panomax.com |
Genauso wichtig ist es, dann auch den vor Ort kritischen Wetteranzeichen Respekt zu zollen. Denn bei der Unfallreihung am Gaisberg war laut verschiedenen Berichten, die Lu-Glidz erreichten, bereits ein anrückendes Starkregenband sichtbar (siehe Webcam-Bild), als die wenig später verunglückten Pilotinnen und Piloten noch starteten – vermutlich in der Hoffnung, schnell einen Abgleiter machen zu können, um vor dem Regen vom Berg zu kommen.
Dass das angesichts des Himmelsbildes alles andere als ratsam war, sollte klar sein. Und viele werden jetzt vermutlich die Dummheit der Betroffenen beschwören. Mehr geholfen ist allerdings, wenn man solche Vorkommnisse zum Anlass nimmt, auch sein eigenes Meteo-Verständnis zu hinterfragen und aufzufrischen.
Wie häufig sieht man Gleitschirmflieger, die mal noch eben vor einem anrückenden Schlechtwetter vom Berg segeln, um einem angeblich beschwerlicheren Abstieg zu entkommen? Ich würde sagen: zu häufig. Da werden sich viele an die eigene Nase packen können.
Das Problem ist: Die Auswirkungen von Regen werden häufig unterschätzt. Denn es ist nicht nur gefährlich, "im" Regen zu fliegen. Auch "vor" dem Regen zu fliegen geht mit einem enormen Risiko einher.
Wie ein Kaltluftausfluss entsteht
In unseren mitteleuropäischen Breiten startet Regen hoch oben in den Wolken typischerweise in vereister Form. Beim Herabfallen in immer wärmere Luftschichten (Temperaturgradient), tauen diese Eistropfen auf. Die für den Phasenübergang von fest zu flüssig nötige Energie entziehen die Tropfen ihrer Umgebung. Das heißt: Die Luftmassen, durch die der Regen fällt, werden abgekühlt – je stärker der Regen, desto mehr.
Kältere Luft ist schwerer (größere Luftdichte) und drängt somit nach unten. Mit dem Regen fällt also auch Kaltluft aus den Wolken heraus. Und wenn sie ausreichend kalt ist, wird sie diesen Impuls bis zum Boden beibehalten.
Bei einem voll entwickelten Kaltluftausfluss wird die Luft, wenn sie auf den Boden trifft, zu den Seiten hin umgelenkt und rauscht dann wie eine zusätzliche, turbulente Front dem Regen voraus. Das Phänomen wird auch Böenwalze genannt.
Daten der Wetterstation Eugendorf bei Salzburg. Sehr prägnant der Temperaturabfall und der Windsprung gegen 13.30 Uhr, ausgelöst durch den Kaltluftausfluss einer Regenfront. // Grafik: spotair.mobi |
In der Meteo-Schulung lernt man den Begriff Böenwalze in der Regeln nur in Verbindung mit dem Thema Gewitterrisiken kennen. Allerdings kann dieses Phänomen auch ganz ohne echte Gewitter auftreten, wenn nur der Regen und die damit verbundene Abkühlung der Luft stark genug sind.
Deshalb ist es so wichtig, allen anrückenden Regenbändern Respekt zu zollen und am besten die "schnellen Abgleiter" im Vorfeld aus seinem Flugrepertoire einfach zu streichen.
4 comments
Hallo Lucian, ich finde es gut, dass Du dieses Unfallgeschehen direkt aufgenommen und sachlich bearbeitet hast. Unabhängig vom tatsächlichen Unfallgeschehen gibt es mir wieder mal zu denken, wie schnell wir Gefahr laufen, sichtbare Anzeichen von Gefahren deutlich zu unterschätzen. So leid mir diese Unfälle für die Beteiligten tun, genauso fühle ich mich ertappt bei einigen Flugwetter Entscheidungen persönlich für mich. Danke für Deine umfassende Beschreibung des Kaltluftausflusses. Ich werde dies in meine Schulungen einbauen.
AntwortenLöschenSehr hilfreicher Artikel, den man am besten vor jeder Bergfahrt nochmal durchliest. Gerade die aktuellen Wetterentwicklungen mit schnell einsetzendem, lokal oft begrenztem aber andauerndem Starkregen begünstigen diese Bedingungen. Bin gerade vor 2 Tagen (zum Glück als Fußgänger) mit einem mehr oder weniger aus heiterem Himmel dramatisch schnell einsetzendem Starkregen konfrontiert worden, in der Luft wäre das die Hölle gewesen.
AntwortenLöschenWow, das war sehr hilfreich und spannend. Ich hatte das nicht so auf dem Schirm. Habe mich schon immer gewundert, warum es kurz vor dem Regen oft sehr stürmisch ist. Vielen Dank!
AntwortenLöschenNicht nur der Phasenübergang von fest zu flüssig, sondern auch der teilweise Phasenübergang von flüssig zu gasförmig (ein Teil des Regens verdunstet auf dem Weg nach unten) führt zur Abkühlung der Luft im Niederschlagsbereich. Das ändert nichts an den Tatsachen, die Lucian beschrieben hat, hilft aber vielleicht, zu verstehen, dass auch bei kleinen Regenschauern aus wenig hoch aufgetürmten, "unschuldig" aussehenden Wolken, Kaltluftausflüsse entstehen können.
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