Die regionsbezogenen Thermikvorhersagen sind jetzt für größere Teile Europas verfügbar. Im Kerngebiet dient ICON-D2 als Basis.
Erweiterte Thermikprognosen bei XCTherm und Burnair // Quelle: XCTherm.com und Burnair.cloud |
Zum einen umfassen sie jetzt einen deutlich größeren Bereich Europas. Zum anderen sind viele der zuvor schon verfügbaren Prognose-Regionen nun feiner zugeschnitten. Im Alpenraum zum Beispiel hat sich die Zahl der Regionen nahezu verdoppelt. Dafür wurden größere Regionen in kleinere Einheiten aufgeteilt (Details dazu s.u.).
Der Anstoß für diese Entwicklung kam von außen. Bisher bezogen Burnair und XC Therm die Daten der Thermikprognosen vom Deutschen Wetterdienst (DWD). Dieser berechnete das regionale Thermikprognosemodell Regtherm, unter anderem für das hauseigene Produkt Toptherm. Auch Austrocontrol (Alptherm) und Meteo Schweiz (Regtherm) übernahmen vom DWD die Daten für Österreich bzw. Schweiz.
Der DWD entschied im vergangenen Jahr allerdings, den Betrieb des Regtherm-Modells Ende März 2024 einzustellen und Thermikprognosen künftig auf andere Art zu liefern (s. dazu auf Lu-Glidz : Ade Alptherm & Co).
Alle Dienste, die die Regtherm-Daten vom DWD bezogen, standen damit vor der Frage: Was nun? Für Daniel Moser und Bernie Hertz, die Chefs von XC Therm bzw. Burnair, war schnell klar, dass sie die bewährten regionsbezogenen Thermikprognosen weiter anbieten wollen. Deshalb schlossen sie mit Oliver Liechti, dem Schweizer Entwickler des Regtherm-Modells, neue Lizenzverträge. Nun können sie die Thermikprognosen auf eigenen Servern rechnen. Die Umstellung geht einher mit der Definition neuer und feinerer Prognose-Regionen.
Erweiterter Prognoseraum
Beide Dienste liefern nun Thermikdaten auch für Bereiche in Europa, die bisher nicht abgedeckt waren. Besonders interessant, weil bei Fliegern beliebt, dürften Spanien und Italien sein. Wer zum Beispiel in Algodonales oder Castelluccio fliegen will, findet jetzt bei Burnair und XC Therm dazu passende Angaben.
Aktuell sind die Prognose-Regionen bei beiden Anbietern noch identisch. In Zukunft könnte sich das ändern. XC Therm hat bereits angekündigt, die Zahl der Regionen im Laufe des Frühjahrs von aktuell 654 auf voraussichtlich mehr als 1000 auszubauen. Tobia Lezuo, ein Mitarbeiter von XC Therm, arbeitet seit Wochen daran, den Zuschnitt der Gebiete festzulegen.
XC Therm plant, noch weitere Länder abzudecken und zum Beispiel Portugal, Großbritannien und den Balkan inklusive Griechenland mit aufzunehmen. Zudem soll der Dienst so erweitert werden, dass er künftig auch für Segelflieger interessant ist – gewissermaßen als Alternative für den auslaufenden Toptask-Dienst des DWD.
Burnair, dessen Angebot weit über die Thermikprognosen hinausgeht, will sich hingegen weiterhin auf die Gleitschirmszene fokussieren. Inwieweit auch Burnair in Zukunft sein Angebot an Prognose-Regionen noch ausbauen wird, bleibt abzuwarten.
Verfeinerte Regionen
Beispiel Regionsaufteilung alt (l.) und neu (r.) // Quelle: Burnair |
Ein Beispiel: In der Schweiz gab es bisher die Regionen Voralpen West (1) und Berner Oberland (2), die sich beide nebeneinander liegend etwa vom Genfer See bis zum Vierwaldstätter See erstreckten (s. Grafik, linke Seite). Über diese Distanz hinweg gab es des öfteren größere Diskrepanzen zwischen der Regionsprognose und den realen Verhältnissen vor Ort.
Aus den zwei genannten Regionen sind deshalb nun sechs geworden (s. Grafik, rechte Seite). Voralpen West ist jetzt in Freiburger Voralpen (1), Emmental (2) und Zentrale Voralpen (3) aufgeteilt. Aus dem Berner Oberland wurde Berner Oberland (4), Berner Alpen (5) und Urner Alpen (6).
In ähnlicher Weise wurden noch viele weitere Regionen aufgesplittet. Für die Nutzer bringt das Vorteile, weil sie damit differenzierter vor Augen geführt bekommen, wo an einem Tag auch in direkt benachbarten Gebieten die jeweils besseren Flug- und Thermikbedingungen zu erwarten sind.
Icon-D2 als Datengrundlage
Burnair und XC Therm haben bei den Thermikprognosen noch etwas geändert: Im Kerngebiet (Mitteleuropa rund um die Alpen) dient nun das DWD-Modell ICON-D2 als Grundlage für die Berechnungen – zumindest für Tag 0 und 1 der Prognose (heute und morgen). Bisher basierten die noch vom DWD gelieferten Regtherm-Daten überall nur auf ICON-EU. Dieses Modell bildet mit einem Raster von sieben Kilometern manche Landschaftsdetails wie Talverläufe schlechter ab als ICON-D2 mit seinemzwei Kilometer Raster. Zudem bietet ICON-D2 alle drei Stunden einen neuen Lauf.
Inwieweit diese Umstellung gepaart mit den verkleinerten Regionen letztendlich eine Verbesserung der Qualität der Thermikprognosen mit sich bringt, muss die Praxis noch zeigen. Es könnte durchaus sein, dass beide Anbieter auf Basis von gesammelten Erfahrungswerten den Zuschnitt mancher Regionen in Zukunft nochmals nachjustieren werden.
Besonderheiten des Regtherm-Modells
Das Regtherm-Modell folgt einem anderen Prinzip als "klassische" Thermikprognose-Modellen wie RASP oder davon abgeleiteten Dienste wie Meteo-Parapente, Meteo.guru, Skysight und XC Skies. Diese berechnen ihre Thermikkarten in einem räumlichen Raster analog zu den dafür genutzten Meteo-Modellen.
Anders bei Regtherm: Hier werden die thermischen Verhältnisse jeweils für ganze Regionen prognostiziert und dargestellt. Der Nutzer bekommt so eine zwar gröbere, aber deutlich leichter interpretierbare Übersicht, in welchen Bereichen z.B. der Alpen oder der Mittelgebirge gute XC-Bedingungen zu erwarten sind.
Definiert sind die Grenzen der Regionen auf Basis topographischer Strukturen, sodass innerhalb des Gebietes weitgehend gleichbleibende Thermikverhältnisse zu erwarten sind.
Anzeige der Referenzpunkte // Quelle: Burnair |
Der Grund dafür ist folgender: Die thermische Qualität eines Tages (Auslösezeit, Basishöhe, Steigwerte etc.) hängt stark davon ab, welche Schichtung von Temperatur und Feuchtigkeit die Luftmassen mitbringen, die bodennah in ein Gebiet einfließen. Und in gebirgigen Regionen erfolgt die Luftzufuhr hauptsächlich kanalisiert durch die Täler (Talwinde).
Das Regtherm-Modell geht konzeptionell davon aus, dass die einfließenden Luftmassen letztendlich die gesamte Region "prägen". Deshalb wird auch nur ein Bezugspunkt als Referenz für die Thermikentwicklung berücksichtigt.
Damit am Ende die Qualität der Prognosen auch stimmt, ist es entscheidend, die Prognose-Regionen passend zuzuschneiden. Das setzt viel Erfahrung mit den realen Strömungsverhältnissen und typischen lokalen Luftmassengrenzen voraus.
Der Fokus auf einzelne Referenzpunkte stellt sowohl eine Stärke, als auch eine Schwäche von Regtherm dar. Vereinfacht kann man sagen: An Tagen oder in Zeiten, an denen die Talwindsysteme großräumig aktiv sind, wird Regtherm den allgemeinen Thermikcharakter einer Region in der Regel besser treffen. Typischerweise ist das eher im späteren Frühjahr und im Sommer der Fall.
Im Winter und zeitigen Frühjahr hingegen, wenn die Talwindsysteme noch schwach sind und die Schneegrenzen tief liegen, werden Luftmassen regional viel weniger durchmischt. Was Regtherm dann als Prognosen für den Referenzpunkt ausspuckt, wird seltener für die gesamte zugehörige Region gut passen.
Burnair oder XC Therm?
Regionsprognose Pyrenäen // Quelle: XC Therm |
Ob man besser Burnair oder XC Therm abonniert, hängt von den eigenen Vorlieben bei der Darstellung, den Info-Bedürfnissen und dem Budget ab.
Das für den Zugriff auf die Thermikprognosen nötige Premium-Abo von Burnair ist teurer (129 €/Jahr), schließt dann aber auch den Zugriff auf alle weiteren Angebote von Burnair mit ein. Dazu gehört zum Beispiel das Abrufen von Previ-Temps. Das sind Prognosen der Luftschichtung und Höhenwinde für frei wählbare Punkte auf der Karte. Damit bietet Burnair neben der regionsbezogenen auch eine lokale Sicht auf die Thermikverhältnisse. Zudem erlaubt die in einer Art Ampelsystem der Fliegbarkeit farbcodierte Darstellung der Thermikregionen eine schnelle Einschätzung der Lage.
XC Therm ist als App und Webseite deutlich schlanker gehalten, bietet damit allerdings auch "nur" Thermikprognosen und eine Darstellung von Wind-, Wolken- und Niederschlagsdaten für Europa. Das Abo ist entsprechend günstiger. Neben der Abo-Variante "unlimited" (79 €/Jahr)), die alle von XC Therm berechneten Regtherm-Regionen umfasst, gibt es zudem die Möglichkeit, für 29 bzw. 59 Euro nur fünf oder 30 Regionen als individuelle Teilauswahl aus dem gesamten Prognoseraum zu buchen.
Punkten kann XC Therm mit der bald noch größeren Abdeckung (nochmals mehr Länder und Regionen). Ob dies für einen Alpenflieger letztendlich relevant ist, muss jeder Nutzer selbst entscheiden.
Grundsätzlich gibt es auch die Möglichkeit, beide Dienste zu kombinieren. Wer zum Beispiel eh schon ein Burnair Premium-Abo hat, demnächst aber mal zum Fliegen nach Portugal oder Griechenland reisen möchte und passende Thermikprognosen sucht, der könnte sich für seinen Urlaub ergänzend ein Monatsabo von XC Therm buchen. Das ist bereits ab 5 Euro für eine freie Auswahl von fünf Regionen möglich. (Hinweis: Portugal und Griechenland sind aktuell noch nicht im Regionen-Portfolio von XC Therm zu finden, sollen dort aber im Frühjahr mit aufgenommen werden.)
3 Kommentare
Du schreibst:
AntwortenLöschen"Wer zum Beispiel eh schon ein Burnair Premium-Abo hat, demnächst aber mal zum Fliegen nach Portugal oder Griechenland reisen möchte und passende Thermikprognosen sucht, der könnte sich für seinen Urlaub ergänzend ein Monatsabo von XC Therm buchen."
Ich glaube nicht dass das erfolgversprechend ist, da XC-Therm auch in der erweiterten Version weder Portugal noch Griechenland abdeckt.
Liebe Grüße
Thomas
@Thomas: Aktuell deckt XC Therm Portugal und Griechenland noch nicht ab. Aber weiter oben im Text steht, dass XC Therm im Frühjahr noch mehr Regionen in die Prognose mit aufnehmen will, u.a. Portugal und Griechenland...
LöschenUm hier weitere Missverständnisse zu vermeiden, habe ich am Ende im Text noch einen entsprechenden Hinweis ergänzt.
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