Ozone hat Schirmmodelle beim Prüfbetrieb Aerotest-FFVL testen lassen. Nach neuer Deutung sind sie damit offenbar nicht LTF-konform
Der Photon von Ozone könnte die Einstufung als LTF-konform verlieren. // Bild: Ozone, verändert |
In Frankreich gibt es allerdings mit Aerotest eine Prüfstelle des französischen Verbandes FFVL, die EN-Tests für Gleitschirme durchführt, ohne eine solche Akkreditierung zu besitzen. Sie handelt lediglich auf Basis einer offiziellen Bestätigung vom zuständigen Ministerium, solche Prüfungen durchführen zu dürfen.
Juristisches Dilemma
Hier stellt sich die Frage, ob Schirme, die von Aerotest mustergeprüft werden, den deutschen LTF entsprechen? Dahinter entfaltet sich eine juristische Grauzone.
Denn in der LuftGerPV gibt es im Paragraph 11 auch den Absatz 4, der die Verordnung mit EU-Recht konform machen soll. Dort heißt es: "Muster- oder Gerätezulassungen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sind unmittelbar gültig und ersetzen die Prüfungen nach den Absätzen 1 und 2."
Wenn man das wörtlich nimmt, wären die Prüfungen von Aerotest-FFVL also "unmittelbar gültig" und somit LTF-konform.
Allerdings entsteht daraus ein juristisches Dilemma, das bei der Formulierung der Verordnung wohl übersehen wurde. Denn §11-1 schreibt eine (in der Praxis aufwendige und teure) Akkreditierung vor, während §11-4 diese Anforderung für Prüfstellen in anderen EU-Staaten de facto aufhebt.
Die Verordnung ist also in sich widersprüchlich und legt unterschiedliche Maßstäbe an Prüfstellen an. Das führt zu einer Ungleichbehandlung, die ihrerseits eben nicht dem EU-Recht entspricht.
In der Praxis war diese Widersprüchlichkeit lange Zeit nicht relevant, da alle Gleitschirmhersteller ihre Schirme entweder beim DHV oder bei Air Turquoise testen ließen, also akkreditierten Prüfstellen. Damit galten de facto gleiche Spielregeln für alle.
Allerdings hat Ozone in jüngerer Zeit begonnen, für bestimmte Modelle die EN-Tests bei Aerotest-FFVL durchführen zu lassen. Unter anderem gilt das für den EN-C-Zweileiner Photon. Diese Entwicklung hat den DHV auf den Plan gerufen.
Eine Frage der Vergleichbarkeit
Der DHV hat das zuständige Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) auf die Ungleichbehandlung hingewiesen und um Klärung gebeten, wie §11 der LuftGerPV tatsächlich zu interpretieren ist.
Aus dem jüngsten Protokoll einer Sitzung der DHV-Kommission geht hervor, dass die Antwort des BMDV wohl eindeutig ausfällt. Dort heißt es: "Es wurde unmissverständlich klargestellt, dass Prüfungen ausländischer Prüfstellen nur gemäß LuftGerPV Paragraph 11 (4) anerkannt und somit in Übereinstimmung mit der aktuell gültigen LTF in Einklang und als entsprechend nach LTF mustergeprüft deklariert werden dürfen, wenn sie von einer vergleichbaren Stelle geprüft wurden. Entsprechend sind etwa Prüfungen der Prüfstelle des FFVL nicht nach den in Deutschland erforderlichen Grundlagen als geprüft anzusehen."
Anders gesagt: Aerotest-FFVL wird als nicht vergleichbar mit einer akkreditierten Prüfstelle eingestuft, weshalb ihre Prüfergebnisse nicht den LTF entsprechen.
Noch hat das BMDV das seinerseits nicht offiziell kommuniziert, doch dies ist in den nächsten Wochen zu erwarten. Bis dahin steht noch die Frage im Raum: Wird die neue, schärfer gefasste Interpretation ab dem Datum der Veröffentlichung gelten – oder auch rückwirkend?
Im letzteren Fall hieße das: Manche bereits auf dem Markt verfügbaren Ozone-Modelle wie der Photon würden ohne weitere Tests bei einer akkreditierten Prüfstelle erst einmal nicht mehr als LTF-konform gelten. In Deutschland könnten diese Schirme dann nicht mehr gesetzeskonform geflogen werden.
Pikante Kehrtwende
Diese Entwicklung könnte noch einige Diskussionen und vielleicht sogar Rechtsstreitigkeiten nach sich ziehen. Immerhin vollzieht das BMDV bei seiner Auslegung der LuftGerPV gerade eine pikante Kehrtwende.
Bereits 2015 hatte die Herstellervereinigung PMA das Ministerium einmal um eine Klärung gebeten, inwieweit die Prüfungen von Aerotest in Deutschland anzuerkennen sind. Damals hatte das Ministerium noch geschrieben: "Eine Bescheinigung darüber, dass ein Gerät einem Muster oder einer Bauart entspricht, die in der anerkannten Prüfstelle (AEROTEST) erfolgreich getestet worden ist, ersetzt somit die in Deutschland geforderte Geräteprüfung nach § 11 Absatz 1 LuftGerPV." Der damalige Vorgang ist auf Lu-Glidz nachzulesen unter: Der LTF-Zwang ist Geschichte.
Das bedeutet freilich auch, dass man Ozone in der aktuellen Entwicklung nichts vorwerfen kann. Es bleibt abzuwarten, ob alle Beteiligten vielleicht eine pragmatische Lösung finden, damit zumindest der Marke und den Pilotinnen und Piloten, die mit solchen Schirmen fliegen, keine Nachteile entstehen.
10 Kommentare
Hinweis: Mittlerweile hat auch der DHV zu diesem Thema eine "News" auf seiner Website veröffentlicht.
AntwortenLöschenIn 2jahren hat der DHV es nicht geschafft die neuen EN-anpassungen in die LTF zu Übernehmen, aber wenn ihnen jemand ein bisschen Arbeit weg nimmt sind sie plötzlich wieder schnell.. mal ganz ehrlich , "kein" anderes Land außer Deutschland und hier auch nur der DHV interessiert die LTF .. die Aktuelle LTF ist absolut veraltet...hier lässt der DHV den Anzeigenhauptmeister raushängen.
AntwortenLöschenKann man so sehen, ist in einem Punkt aber nicht ganz korrekt. Für Änderungen der LTF samt Integration der geänderten EN-Vorgaben ist nicht der DHV, sondern das LBA zuständig.
LöschenDamit geht dann die mittlerweile langjährige Geschichte "DHV gegen Ozone" in die nächste Runde, sie wollen es offensichtlich einfach nicht gut sein lassen. Anders kann man den DHV Text mit Bezug auf diese genau die Marke kaum deuten! Als Pilotenverband hätte man ansonsten eher so etwas wie "wir werden uns für die Piloten der betroffenen Schirme einsetzen, um hier eine gute Lösung zu finden" schreiben können...
LöschenMarkus, das hat hier eher nix mit DHV vs Ozone zu tun. Hätte ein anderer Hersteller bei Aerotest prüfen lassen, wäre die Frage die gleiche gewesen.
LöschenAus einem persönlichen Gespräch weiß ich, dass der DHV durchaus überlegt, wie man den Schaden bzw. die Folgen für Ozone und die Piloten abmildern kann. Einiges hängt von der Entscheidung des BMDV ab, ob die neue Auslegung der Verordnung rückwirkend gilt oder nicht.
Die DAkkS sehe ich inzwischen, nach einigen Jahren beruflicher Erfahrung, ziemlich kritisch und würde jeden Weg ohne Akkreditierungswesen bevorzugen. Sie ist ein Zwitter aus Amt und Unternehmung und Industrielobbyverein. Eine Akkreditierung beweist nicht wirklich qualitative Arbeit, sondern vor allem finanzielle und personelle Potenz. Ob es da einen rechtlichen Ausweg gibt weiß ich nicht. In einem Feld wie der EN-926-1 und EN-926-2, wo es nie mehr als eine Hand voll akkreditierte Stellen geben wird, liegt die fachliche Kompetenz viel mehr bei den Stellen als auf Seiten der DAkkS. Man wird vermutlich keinen wirklich neutralen Begutachter in der kleinen Szene finden. Also wird, reine Vermutung, in erster Linie das Qualitätsmanagement, also Abläufe, Dokumentation etc. geprüft. Das ist vielleicht ein Weg, mehr Professionalität einzubringen, aber die detaillierten fachlichen Fragen, die über den Norminhalt hinausgehen, werden sowieso von den Testpiloten unter sich ausgemacht. Hier wäre interessant zu wissen, ob es verpflichtende Richtlinien gibt, und ein Forum, wo diese diskutiert werden. Bei dieser Aufgabe könnte die DAkkS evtl. helfen, aber es gibt mMn bessere, günstigere und internationale Wege dazu. Die Diskussion gab es glaub ich schon öfters, kenne den Status der PMA nicht.
AntwortenLöschenOb durch die Akkreditierung für den Endkunde bessere/sichere Produkte bringt mag ich stark bezweifeln. Eher steigt der Preisdruck und der Markteintritt wird erschwert.
Die DAkkS wollte niemand, außer seinerzeit die EAPR, weil es die einzige Chance war, im Zulassungs-Business zu bleiben. Die EAPR gibt es nicht mehr, aber die Folgen des Lobbyings müssen alle anderen noch tragen
LöschenIst Deutschland eigentlich das einzige Land mit einer Zertifizierungspflicht? Nicht dass ich etwas gegen die EN/LTF Zertifizierung hätte aber diese Zwängerei von staatlicher Seite finde ich schon speziell. Da wurde wohl etwas mit der Bürokratie übertrieben.
AntwortenLöschenJa, nur Deutschland hat die Pflicht. Ist historisch so gewachsen. Man kann das auch positiv sehen. Ohne LTF, hätte es die EN-Normen vielleicht nie gegeben. Heute erscheint die LTF dann aber anachronistisch.
LöschenHerrlich, dass sich der DHV mit solchen Grauzonen beschäftigt. Die CCC GRAUZONE im Wettkampf in Deutschland aber seit Jahren grau bleibt 🤣
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