Immer mehr Hersteller drängen auf den Markt der Parakites. Braucht die junge Szene bald eine eigene Zulassungsnorm?

Ein Parakite-typischer Girlandenflug mit dem 
Flare Moustache. // Quelle: Flare

Fangen wir mit der Definition an: Parakites sind Gleitschirme, deren Profilformen und Steuerungsweise von Kites abgeleitet ist. Die Profile haben einen relativ starken S-Schlag (Reflex), wodurch sie ihren Anstellwinkel autostabil halten. Und die Tragegurte sind so aufgebaut, dass über die Bremsleinen nicht nur die Hinterkante ausgelenkt wird, sondern auch C- und B-Gurte anteilig herabgezogen oder freigegeben werden. So kann das gesamte Geschwindigkeitsfenster sehr intuitiv allein über die Steuerleinen erflogen werden, ohne den Einsatz eines Beschleunigers.

Interessant ist dieser Ansatz vor allem fürs Soaring und andere, eher dynamische und geländenahe Flugweisen. Denn mit Parakites lässt sich Höhe jederzeit in Geschwindigkeit und die Geschwindigkeit auch wieder in Höhe umsetzen. Das heißt, sie haben eine hohe Dive- und Flare-Energie, die viel Flugspaß verspricht und sich damit durchaus von herkömmlichen Gleitschirmen unterscheidet (lies dazu auf Lu-Glidz: Flare-Revolution mit Schnauzer).

Nicht von ungefähr hat Skywalk für seinen ersten Parakite gleich eine neue Marke mit passendem Namen aufgebaut: Flare. Anfangs, d.h. vor drei Jahren, war es noch spannend zu sehen, ob der Flare Moustache als Erstling tatsächlich einem neuen Marktsegment den Weg bereiten könnte. Heute gibt es daran keine Zweifel mehr. Wer an klassischen Soaring-Spots wie der holländischen oder dänischen Küste in die Lüfte schaut, muss feststellen: Dort verdrängen die Parakites zusehends die klassischen Paraglider.


Der Markt boomt

Der Erfolg eines Konzeptes zeigt sich immer auch daran, wie stark es mit der Zeit von anderen Marken aufgegriffen und kopiert wird. Auf den Flare Moustache folgte bald der australische Hersteller Flow mit einem ähnlichen Modell namens Mullet. Im vergangenen Jahr brachte dann Little Cloud seine Interpretation eines Parakite namens La Mouette auf den Markt. Für dieses Jahr zeichnet sich eine ganze Flut an neuen Modellen weiterer Hersteller ab. Die Parakite-Welle rollt.

Nachfolgend ein kurzer Überblick über die bereits bekannten, vorgestellten oder zumindest schon angekündigten Modelle verschiedener Marken (ohne Gewähr der Vollständigkeit):

  • Flare: Die Vorreiter-Marke der Parakites hat neben dem Moustache das auf Speedflying spezialisierte Modell Line im Programm.
  • Flow: Nach dem Mullet und dem etwas dynamischeren Mullet X kommt in diesem Jahre der  höher gestreckte und damit leistungsorientierte Albatroxx auf den Markt. Zudem soll es den Whippet als Leichtversion des Mullet X geben. Mit dem Mohawk will Flow im Speedflying-Sektor präsent sein.
  • Little Cloud: Beim La Mouette folgt nicht nur das Profil, sondern auch die teilweise geschlossene Eintrittskante der Kite-Bauweise. Daneben bietet die Marke für eine Reihe seiner klassischen Miniwings spezielle Parakite-Tragegurte zum Nachrüsten an. Little Cloud Schirme weisen seit jeher einen gewissen Reflex-Anteil im Profil auf. 
  • Dune Rider Scraper. Ein Hochleister mit Streckung 7
    // Quelle: Dune Rider

    Dudek: Der kürzlich vorgestellte Touch ist ein Parakite mit Shark-Nose. Im Gegensatz zu den meisten anderen Herstellern setzt Dudek bei den unterschiedlichen Größen auf klassische Skalierung, d.h. die Streckung bleibt jeweils gleich. Dudek bringt aus seiner Motorschirm-Entwicklung viel Erfahrung mit Reflex-Profilen mit.
  • Windtech: Der spanische Hersteller hat den Dune angekündigt, ein Parakite mit Full-Reflex-Profil und Nitinol-Stäbchen. Vom Dune soll es auch eine Tandemversion geben.
  • Ozone: Ozone baut schon seit vielen Jahren klassische Kites und hat ebenfalls schon früh mit deren Adaption als Parakite experimentiert. In diesem Jahr soll ein erstes Modell auf den Markt kommen, angeblich unter dem Namen The Sauce.
  • U-Turn: Kürzlich präsentiert wurde der Razorblade. Eine Besonderheit: Diesen Parakite wird es in gleich sieben Größen geben, von 10 bis 26m². Damit reicht das Einsatzfeld vom Speedflying bis gemütlichem Soaring.
  • Vril-Wings: Die bisher auf kleine Single-Skins spezialisierte Marke arbeitet an einem Parakite namens Raptor. Mike Küng ist an der Entwicklung beteiligt.
  • Dune Rider: Hinter dieser niederländischen Marke steckt Bryan van Ostheim, ein Entwickler von großen Kites als Zugsegel für Schiffe. Er hat sich den persönlichen Traum erfüllt, einen besonders leistungsorientierten Parakite zu bauen. Auffällig beim Scraper ist die ungewöhnlich hohe Streckung von 7 für die Größe 20. Bryan nennt den Scraper einen Parakite für "Experten". 
Die Liste ist vermutlich nicht einmal komplett. Es ist zu erwarten, dass noch weitere Hersteller auf diesen Zug aufspringen werden. BGD hat mit der Tochter-Marke "Airwave" neben der Gleitschirm- auch eine Kite-Sparte. Es wäre logisch, die Erfahrungen aus beiden Bereichen in eigene Parakites einfließen zu lassen. Dem entwicklungs- und expansionsfreudigen Team von Niviuk ist ebenfalls zuzutrauen, in diesem Marktsegment Präsenz zu zeigen. Selbst Phi-Konstrukteur Hannes Papesh hat schon mal für den Kite-Hersteller North Kiteboarding einen sogenannten Formula-Kite entwickelt (s. Newsticker 18/2024). Die Grenzen sind also fließend.


Soar libre?

Parallel zu dieser Entwicklung drängt sich eine andere Frage auf: Wie sollen Pilotinnen und Piloten angesichts der immer größeren Auswahl an Parakites überhaupt einen Überblick über den Markt und seine Möglichkeiten behalten? Woran sollen sie sich orientieren, wenn es um die Einschätzung geht, wie einfach, dynamisch, rollfreudig, schnell und auch fehler-verzeihend die verschiedenen Modelle in ihren diversen Größen geflogen werden können?

Bei klassischen Gleitschirmen gibt es dafür die EN-Norm 926-2, die mit ihrer Abstufung in die Kategorien A/B/C/D zumindest eine gewisse Hilfestellung bietet. Parakites werden bisher nur mit Lasttests gemäß EN 926-1 zertifiziert. Die Flug-Manöver der EN 926-2 sind bei ihnen nicht normgerecht durchführbar. 

Bisher gibt es auch keine Fachmagazine oder Blogs, die mit technischer Expertise und vergleichenden Tests das wachsende Informations-Vakuum zumindest ansatzweise füllen könnten. Der Parakite-Markt boomt in einem Klima des "soar libre". Dabei wächst die Gefahr, dass ihm das durch steigende Unfallzahlen – aus Unwissenheit und Selbstüberschätzung – auch auf die Füße fallen könnte.

Es sollte im Interesse aller Beteiligten sein, wenn es bald entsprechende Initiativen gäbe, eine allgemeine Systematik der Einstufung oder sogar eine eigene Norm für die Zulassung von Parakites zu entwickeln – mit mess- und vergleichbaren Werten, die den Charakter der einzelnen Modelle und Größen widerspiegeln.

So etwas wäre sogar notwendig, damit Parakites auch in Deutschland in Zukunft auch jenseits einer Grauzone legal und mit regulärem Versicherungsschutz geflogen werden könnten.