Leider haben die Flugwetterbedingungen während meines Testzeitraums keinen ganz so ausführlichen Test erlaubt wie mit einigen anderen o.g. Modellen. Vor allem einige Manövertests wurden vom Starkwind "verblasen". Die Flüge reichten allerdings aus, um den Grundcharakter des Flügels zu erfassen.
Der Atis 4 von Sky beim Groundhandling. |
Minimalistische String-Rippen im Atis 4. |
Rückwärtsstarts mit dem Atis 4 sind ebenfalls angenehm. Wer bei stärkerem Wind gerne in die hinteren Gurtebenen greift, sollte aber auf jeden Fall nicht nur die D-Gurte, sondern auch die C-Gurte mitnehmen. Denn die D-Leinen greifen nur in der Mitte des Schirmes an. Mit ihnen allein ist keine schnelle Richtungskorrektur möglich. Inklusive C-Ebene ist die Kontrollierbarkeit der Kappe im Starkwind aber herausragend. Da macht das Groundhandeln richtig Spaß, zumal der Schirm alle Spielchen mitmacht: 30 cm über der Grasnarbe im Wind halten? Kein Problem! Aus der verkrumpelten Rosette heraus aufziehen? Easy. Kobra-Start? Natürlich.
Der Bremsgriff hat einen integriertem Steg. |
Alternativ zur halben Wicklung kann man auch den kleinen Steg fassen, der oben am Bremsgriff mit integriert ist. Es ist ein weiteres Beispiel für eine durchdachte Detaillösung von Sky. Selbst die Positionierung des Druckknopfes an der Bremse fällt positiv auf: Er sitzt an jener Stelle knapp über dem Griffsteg, an der die Zugkräfte am besten wirken, wenn man den Griff in die Hand nimmt. So lässt sich die Bremse ohne nervaufreibendes Zerren vom Gurt lösen.
Kappenfeedback: Der Atis 4 gehört zur Gattung der kommunikationsfreudigen Schirme, und das über alle Kanäle. Sowohl über die Tragegurte als auch über die Bremsen erfährt der Pilot, was um ihn herum in der Luft und an der Kappe los ist. Kleine Entlaster bekommt man unmittelbar zu spüren und kann so vorsorglich reagieren. Steigvarianzen in der Thermik lassen sich sehr fein über den Bremsdruck erfassen.
Allerdings bedeutet diese Feinfühligkeit der Kappe auch ein recht bewegtes Luftreiten für den Piloten. Der Schirm arbeitet spürbar in sich, zuppelt hier, hibbelt dort. Diese Informationsfreude muss man mögen, um sich als Pilot nicht schnell überfordert zu fühlen. Solange der Pilot im Gurtzeug mit lockerer Hüfte den Tanz mitmacht, wird man mit einer sehr stabilen Kappe belohnt. Ich bin den Atis unter recht turbulenten Starkwindbedingungen geflogen, empfand aber gerade die Berechenbarkeit und Kontrollierbarkeit aufgrund des ehrlichen Feedbacks als überdurchschnittlich. In dieser Feedback-Liga spielten bei meinen Tests bisher nur Mentor 3 und Mistral 7. Der hohe Anspruch an das Aufnahmevermögen des Piloten rechtfertigt auch für den Atis 4 die Einordnung als High-End-B.
Gewichtssteuerung: Der Atis 4 spricht gut auf Gewichtssteuerung an, allerdings ohne gleich Haken zu schlagen. Angesichts der hibbeligen Kappe ein gut abgestimmter Mittelweg, um trotz allem einen stabilen Geradeauslauf zu erreichen.
Kurvenflug: Eine Stärke des Atis ist die große Variationsbreite in den möglichen Kurvenstilen. Eng und zackig rum, weit und flach mit Gewicht auf der Außenseite, beidseitig stark angebremst nahezu auf dem Stabilo stehend - alles scheint möglich und erlaubt so eine spielerische Anpassung an verschiedene Bedingungen. Allerdings sollte sich der Pilot immer eines bewusst sein: Außenbremse, Außenbremse, Außenbremse! Wer es gewohnt ist, seine Kurven hauptsächlich über die Innenbremse einzuleiten und zu steuern, wird den Atis 4 als Grabkönig erleben. Ohne ständig angepasste Stütze auf der Außenseite nimmt das Kurvensinken deutlich zu. Das bedeutet aber auch: Um von Anfang an eine gute Kurvenperformance zu haben, sollte man Kurven aus einer angebremsten Stellung durch Freigabe der Außenbremse einleiten. Da der Atis 4 eine hohe Trimmgeschwindigkeit besitzt, wird man das beim Soaren aber nicht zwangsläufig als Nachteil erleben.
Ein wenig kompensieren lässt sich das durch zwei andere Qualitäten: Der Atis 4 zieht auffallend gut in Thermiken hinein. Er stellt sich kaum auf, sondern drängt teilweise richtig nach vorne ins Steigen. Hinzu kommt die sehr feinfühlige Kappe, mit der sich die Position einer Thermik bzw. ihres Steigzentrums überdurchschnittlich gut erkennen lässt.
Bemerkenswert ist auch die große Pitchstabilität des Schirmes. Wenn man aus dem Bart fällt, nickt die Kappe nur sehr wenig vor und lässt sich sehr leicht abfangen.
Beschleuniger: Der Atis ist schon im Trimm mit einer hohen Geschwindigkeit von knapp 39 km/h unterwegs. Tritt man den Beschleuniger, nimmt der Schirm auffallend schnell Fahrt auf. Halb beschleunigt sind es bereits 7-8 km/h, der Top-Speed liegt etwa bei 52 km/h. Voll getreten kann die Gleitleistung des Atis nicht mehr mit z.B. einem Mentor 3 oder Chili 3 mithalten. Hier dürfte wohl der noch deutlich höhere Widerstand der 4 Leinenebenen zu Buche schlagen.
Ohren anlegen: Die Ohren sind ausreichend groß und erreichen mit voll getretenem Beschleuniger auch beachtliche Sinkwerte. Die Öffnung erfolgt deutlich verzögert.
Steilspirale: nicht geflogen
B-Stall: nicht geflogen
Frontklapper: nicht geflogen
Seitenklapper: nicht geflogen. Ich hatte auch keine Klapper "in freier Wildbahn". Kleine Entlaster an den Ohren sind deutlich über die Bremse spürbar und lassen sich unverzüglich ausbügeln.
Nicken: Der Atis 4 hat im Normalflug eine bemerkenswerte Pitchstabilität, stellt sich kaum mal auf oder nickt weit vor. Wenn man allerdings über die Bremse die Kappe weit nach hinten zwingt, kann sie doch überraschend schnell große Oszillationen zeigen. Das Abfangen wiederum geht vorbildlich.
Rollen: Schon mit Gewichtsverlagerung allein lassen sich schöne Schwünge fliegen. Mit Bremseinsatz wird daraus großes Kino.
Schmales Mylar mit gelbem Adiprene-Streifen. |
Fazit: Der Atis 4 ist ein Schirm, der sehr vieles von dem vereint, was ich mir von einem "ehrlichen" und so alltags- wie reisetauglichen EN-B-Schirm erwarten würde. Vollummantelte Leinen, ein sehr feines Handling am Boden und in der Luft, hohe Geschwindigkeits- und Sicherheitsreserven, geringes Gewicht und Packmaß. Im Steigen und bei der beschleunigten Gleitleistung kann der Atis zwar mit den besten "Streckenmaschinen" unter den High-End-B-Schirmen nicht ganz mithalten. Doch dafür muss sich der Atis-Pilot auch nicht mit den Kehrseiten solcher Konstruktionen wie kringelnden Zahnseideleinen oder Verhängertendenzen der stark reduzierten Leinen-Setups auseinandersetzen. So ganz für jedermann ist der Atis 4 am Ende dennoch nicht zu empfehlen. Die Mitteilsamkeit der etwas hibbeligen Kappe muss man zu nehmen und zu nutzen wissen. Wer das kann, wird mit dem Flügel großem Flugspaß erleben.
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1 comments
Schönes Bericht; habe ihn selber brobiert: stimmt genau.
AntwortenLöschenÜbrigens, könnte auch für Atis 3 gelten
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