Der siebte Schirm meiner diesjährigen Testreihe neuer Highend EN-B Modelle ist der Atis 4 von Sky. Weitere Schirme im lu-glidz-Test waren der Skywalk Chili 3Mac Para Eden 5, U-Turn Blacklight, Nova Mentor 3, Swing Mistral 7 und Niviuk Hook 3. Geflogen bin ich den Atis 4 in Größe M (75-95 kg) mit rund 92 kg, und zwar soarend und thermisch kreisend am Dreiser Weiher (Eifel) bei teils sehr kräftigem Wind. Das Gurtzeug war ein Woody Valley Peak. Mein Dank geht an Martin Schwarz vom Flightclub, der mir den Atis 4 freundlicherweise als Testschirm zur Verfügung stellte.
Leider haben die Flugwetterbedingungen während meines Testzeitraums keinen ganz so ausführlichen Test erlaubt wie mit einigen anderen o.g. Modellen. Vor allem einige Manövertests wurden vom Starkwind "verblasen". Die Flüge reichten allerdings aus, um den Grundcharakter des Flügels zu erfassen.


Der Atis 4 von Sky beim Groundhandling.
Sky nimmt mit seiner Schirmpalette seit Jahren eine Sonderstellung unter den Gleitschirmmarken ein. Denn der Designer Alexandre Paux hat so seine ganz eigenen Vorstellungen vom Gleitschirmbau. Während andere ihre Kappen mit langen Stäbchen stabilisieren, die Leinensätze enorm reduzieren und dafür aufwendige Innenkonstruktionen kreieren müssen, um den Schirm die erhöhten Punktlasten aufnehmen zu lassen, setzt Paux weiterhin auf (äußerlich) herkömmliche Bauweisen: vier Leinenebenen, nur ein bisschen Mylar in der Nase, vollummantelte Leinen. Wer nun meint, solche Schirmtypen wären "von gestern" und vor allem leistungsmäßig nicht mehr auf der Höhe der Zeit, der ist wohl noch keinen Sky geflogen. In vieler Hinsicht - soviel sei schon mal verraten - war ich bei meinem Test sehr positiv überrascht.

Minimalistische String-Rippen im Atis 4.
Die ganz eigene Handschrift von Paux zeigt sich auch in weiteren Konstruktionsmerkmalen des Atis 4. Tücher und Leinen sind nicht auf Leichtbau ausgerichtet, und doch bleibt die Kappe im Gewicht unter 5 kg. Das Geheimnis steckt im Inneren. Bei den Rippen ist jeder überflüssige Stoffteil, der keine Lasten aufnimmt, konsequent herausgeschnitten. Hier wird sichtbar, dass Sky über einen computergesteuerten Lasercutter verfügt. An der Eintrittskante sorgt nur ein wenig Mylar, das mit einem Kunststoff-Streifen (Adiprene) verstärkt ist, für leichte Vorspannung. Ram-Air-Taschen stabilisieren die Vorderkante des Untersegel. Kurz dahinter ist sogar ein 3-D-Shaping am Untersegel zu finden. Offenbar versucht Sky Leistungsgewinne vor allem durch ein optimiertes Profil zu realisieren. Dazu passt, dass der Schirm seine im High-End B-Sektor vergleichsweise geringe Streckung von 5,2 immerhin auf 53 Zellen verteilt.

Starten: Das Starten geht mit dem Atis 4 einfach vonstatten, wenn man ein paar Besonderheiten beachtet: Der Schirm sollte nur über die Inneren A-Gurte aufgezogen werden. Zwar liegen die äußeren A, von einem Magneten angezogen, dicht am inneren A-Gurt an. Doch wer zum Beispiel versucht, den Atis einmal freihändig aufzuziehen, der wird hinter sich eine Banane in den Himmel zu stemmen versuchen. Die Ohren kommen deutlich früher hoch. (Welchen Zweck überhaupt der Magnet erfüllen soll, hat sich mir nicht erschlossen. Ich empfand ihn als störend).
Rückwärtsstarts mit dem Atis 4 sind ebenfalls angenehm. Wer bei stärkerem Wind gerne in die hinteren Gurtebenen greift, sollte aber auf jeden Fall nicht nur die D-Gurte, sondern auch die C-Gurte mitnehmen. Denn die D-Leinen greifen nur in der Mitte des Schirmes an. Mit ihnen allein ist keine schnelle Richtungskorrektur möglich. Inklusive C-Ebene ist die Kontrollierbarkeit der Kappe im Starkwind aber herausragend. Da macht das Groundhandeln richtig Spaß, zumal der Schirm alle Spielchen mitmacht: 30 cm über der Grasnarbe im Wind halten? Kein Problem! Aus der verkrumpelten Rosette heraus aufziehen? Easy. Kobra-Start? Natürlich.

Landen: Die Landung mit dem Atis 4 ist ebenso einfach. Er bietet nicht ganz so viel Flare-Energie wie wie Chili, Mentor oder Mistral, aber eine sehr gute Kontrolle. Und vor allem beim Toplanden in engen Spots spielt der Atis einen Pluspunkt aus: Auch wenn der normale Arbeitsbereich der Bremse keine übermäßige Länge aufweist, bleibt ein erstaunlich langer Weg bis zum Strömungsabriss, der zudem klar markiert ist. Perfekt, um punktgenau einzuparken.

Der Bremsgriff hat einen integriertem Steg.
Bremsen: Der Atis 4 hat einen mittleren Bremsdruck, der vor dem Abriss sehr deutlich ansteigt. Ein Sicherheitsplus. Die Bremswege sind etwas länger als bei anderen getesteten Modellen. Es ist angebracht, mindestens mit einer halben Wicklung zu fliegen. Hat man auf diese Weise den Vorlauf verkürzt, liegt einem der Schirm im Flug aber gut in der Hand. Der für den normalen Flugalltag nötige Zugbereich bleibt noch im kraftschonenden Armwinkel.
Alternativ zur halben Wicklung kann man auch den kleinen Steg fassen, der oben am Bremsgriff mit integriert ist. Es ist ein weiteres Beispiel für eine durchdachte Detaillösung von Sky. Selbst die Positionierung des Druckknopfes an der Bremse fällt positiv auf: Er sitzt an jener Stelle knapp über dem Griffsteg, an der die Zugkräfte am besten wirken, wenn man den Griff in die Hand nimmt. So lässt sich die Bremse ohne nervaufreibendes Zerren vom Gurt lösen.


Kappenfeedback: Der Atis 4 gehört zur Gattung der kommunikationsfreudigen Schirme, und das über alle Kanäle. Sowohl über die Tragegurte als auch über die Bremsen erfährt der Pilot, was um ihn herum in der Luft und an der Kappe los ist. Kleine Entlaster bekommt man unmittelbar zu spüren und kann so vorsorglich reagieren. Steigvarianzen in der Thermik lassen sich sehr fein über den Bremsdruck erfassen.
Allerdings bedeutet diese Feinfühligkeit der Kappe auch ein recht bewegtes Luftreiten für den Piloten. Der Schirm arbeitet spürbar in sich, zuppelt hier, hibbelt dort. Diese Informationsfreude muss man mögen, um sich als Pilot nicht schnell überfordert zu fühlen. Solange der Pilot im Gurtzeug mit lockerer Hüfte den Tanz mitmacht, wird man mit einer sehr stabilen Kappe belohnt. Ich bin den Atis unter recht turbulenten Starkwindbedingungen geflogen, empfand aber gerade die Berechenbarkeit und Kontrollierbarkeit aufgrund des ehrlichen Feedbacks als überdurchschnittlich. In dieser Feedback-Liga spielten bei meinen Tests bisher nur Mentor 3 und Mistral 7. Der hohe Anspruch an das Aufnahmevermögen des Piloten rechtfertigt auch für den Atis 4 die Einordnung als High-End-B.

Gewichtssteuerung: Der Atis 4 spricht gut auf Gewichtssteuerung an, allerdings ohne gleich Haken zu schlagen. Angesichts der hibbeligen Kappe ein gut abgestimmter Mittelweg, um trotz allem einen stabilen Geradeauslauf zu erreichen.

Kurvenflug: Eine Stärke des Atis ist die große Variationsbreite in den möglichen Kurvenstilen. Eng und zackig rum, weit und flach mit Gewicht auf der Außenseite, beidseitig stark angebremst nahezu auf dem Stabilo stehend - alles scheint möglich und erlaubt so eine spielerische Anpassung an verschiedene Bedingungen. Allerdings sollte sich der Pilot immer eines bewusst sein: Außenbremse, Außenbremse, Außenbremse! Wer es gewohnt ist, seine Kurven hauptsächlich über die Innenbremse einzuleiten und zu steuern, wird den Atis 4 als Grabkönig erleben. Ohne ständig angepasste Stütze auf der Außenseite nimmt das Kurvensinken deutlich zu. Das bedeutet aber auch: Um von Anfang an eine gute Kurvenperformance zu haben, sollte man Kurven aus einer angebremsten Stellung durch Freigabe der Außenbremse einleiten. Da der Atis 4 eine hohe Trimmgeschwindigkeit besitzt, wird man das beim Soaren aber nicht zwangsläufig als Nachteil erleben.

Thermikeigenschaften: So spielerisch variabel die Kurvenstile auch sind - wenn es ums effiziente Thermikkurbeln geht, gehört der Atis 4 nicht zu den Spitzenreitern seiner Klasse. Durch den Zwang, die Kappe mit der Außenbremse immer etwas flach zu halten bzw. zu ziehen, wird man eher mal aus dem Steigzentrum geschoben. Will man sich steil hineinstellen und lässt die Außenbremse dafür aus, raubt einem das erhöhte Kurvensinken die erhofften Vorteile.
Ein wenig kompensieren lässt sich das durch zwei andere Qualitäten: Der Atis 4 zieht  auffallend gut in Thermiken hinein. Er stellt sich kaum auf, sondern drängt teilweise richtig nach vorne ins Steigen. Hinzu kommt die sehr feinfühlige Kappe, mit der sich die Position einer Thermik bzw. ihres Steigzentrums überdurchschnittlich gut erkennen lässt.
Bemerkenswert ist auch die große Pitchstabilität des Schirmes. Wenn man aus dem Bart fällt, nickt die Kappe nur sehr wenig vor und lässt sich sehr leicht abfangen.

Beschleuniger: Der Atis ist schon im Trimm mit einer hohen Geschwindigkeit von knapp 39 km/h unterwegs. Tritt man den Beschleuniger, nimmt der Schirm auffallend schnell Fahrt auf. Halb beschleunigt sind es bereits 7-8 km/h, der Top-Speed liegt etwa bei 52 km/h. Voll getreten kann die Gleitleistung des Atis nicht mehr mit z.B. einem Mentor 3 oder Chili 3 mithalten. Hier dürfte wohl  der noch deutlich höhere Widerstand der 4 Leinenebenen zu Buche schlagen.

Ohren anlegen: Die Ohren sind ausreichend groß und erreichen mit voll getretenem Beschleuniger auch beachtliche Sinkwerte. Die Öffnung erfolgt deutlich verzögert.

Steilspirale: nicht geflogen

B-Stall: nicht geflogen

Frontklapper: nicht geflogen

Seitenklapper: nicht geflogen. Ich hatte auch keine Klapper "in freier Wildbahn". Kleine Entlaster an den Ohren sind deutlich über die Bremse spürbar und lassen sich unverzüglich ausbügeln.

Nicken: Der Atis 4 hat im Normalflug eine bemerkenswerte Pitchstabilität, stellt sich kaum mal auf oder nickt weit vor. Wenn man allerdings über die Bremse die Kappe weit nach hinten zwingt, kann sie doch überraschend schnell große Oszillationen zeigen. Das Abfangen wiederum geht vorbildlich.

Rollen: Schon mit Gewichtsverlagerung allein lassen sich schöne Schwünge fliegen. Mit Bremseinsatz wird daraus großes Kino.

Schmales Mylar mit gelbem Adiprene-Streifen.
Packen: Der Schirm besitzt kaum Verstärkungen in der Kappe, nur sehr schmale Mylar-Monde an der Eintrittskante, die noch mit einem aufgenähten Kunststoffband verstärkt sind. Letzteres macht die Mylars weniger knickempfindlich, auch wenn man sie dennoch nicht unbedingt richtig knautschen sollte. Diese Bauweise erlaubt im Grunde jede erdenkliche Packtechnik. Dank des stark ausgedünnten Innenlebens lässt sich aus dem Atis auch ein sehr kompaktes Päckchen rollen. Rechnet man auch noch das relativ geringe Schirmgewicht mit ein, bietet sich der Atis gut für kleinere Hike-and-Fly-Touren an.

Qualität: Da gibt es kaum etwas zu Meckern. Das Schnittbild der Profile, das Nahtbild an der Kappe und den Leinen ist tadellos. Schaut man sich die Tragegurte an, sehen die nicht ganz so wertig aus, wie bei manchen anderen Marken. Das Gurtband ist etwas schlabberig. Aber Funktionalität und Verarbeitung sind sehr gut. Hinzu kommen schöne Details wie die umnähten Vorderkanten der stark belasteten Diagonalrippen auf der A-Ebene, was eine Vertrimmung durch das Längen des Stoffes über die Zeit verhindern sollte. Ob sich im Gegenzug die stark reduzierten Rippen im Inneren negativ auf die Trimmstabilität auswirken können, kann ich nicht abschätzen. Mir sind zumindest keine negativen Berichte von Sky-Piloten bekannt.

Fazit: Der Atis 4 ist ein Schirm, der sehr vieles von dem vereint, was ich mir von einem "ehrlichen" und so alltags- wie reisetauglichen EN-B-Schirm erwarten würde. Vollummantelte Leinen, ein sehr feines Handling am Boden und in der Luft, hohe Geschwindigkeits- und Sicherheitsreserven, geringes Gewicht und Packmaß. Im Steigen und bei der beschleunigten Gleitleistung kann der Atis zwar mit den besten "Streckenmaschinen" unter den High-End-B-Schirmen nicht ganz mithalten. Doch dafür muss sich der Atis-Pilot auch nicht mit den Kehrseiten solcher Konstruktionen wie kringelnden Zahnseideleinen oder Verhängertendenzen der stark reduzierten Leinen-Setups auseinandersetzen. So ganz für jedermann ist der Atis 4 am Ende dennoch nicht zu empfehlen. Die Mitteilsamkeit der etwas hibbeligen Kappe muss man zu nehmen und zu nutzen wissen. Wer das kann, wird mit dem Flügel großem Flugspaß erleben.


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