Die Windprognose vom 27.11.18 auf 3000m (700 hPa) zeigte eine starke Nordföhnlage in den Südalpen. // Quelle: windy.com |
Um eine Föhnsituation einschätzen zu können, werden Messstationen auf beiden Seiten der Alpen herangezogen und deren Luftdruckdifferenz ermittelt. Eine typische Achse dieses Messvergleiches ist Innsbruck-Bozen für die Zentralalpen oder Zürich-Lugano für die Schweizer Alpen. Dafür sind sogar sogenannte Föhndiagramme auf Meteo-Seiten im Internet zu finden, die jeweils die Entwicklung dieser Druckdifferenzen für die nächsten Tage zeigen. [Siehe: Lugano-Zürich, Bozen-Innsbruck.]
Ein Diagramm der Luftdruckdifferenzen. Herrscht über den Alpen ein Gradient von mehr als vier Hectopascal, wird der Föhnwind so stark, dass er starke Lee-Wirbel erzeugt. // Quelle: wetteralarm.at |
In den Föhndiagrammen ist typischerweise bei vier Hektopascal Druckdifferenz eine Hilfslinie eingezogen. Sie soll zeigen: Über den Daumen gepeilt kann man ab vier Hectopascal damit rechnen, dass der Föhn auf den Bergen spürbar wird. Gehen die Druckkurven sogar Richtung acht Hectopascal Differenz, kann aus dem Föhn ein heftiger Föhnsturm werden, der dann auch bis tief in die Täler durchgreift. Gleitschirmflieger sollten freilich die Regel beherzigen, besser nur bei weniger als drei Hectopascal Druckdifferenz in die Luft zu gehen, um auf der sicheren Seite zu sein!
Allerdings gibt es Föhnsituationen, die sich nicht so recht an die Pi-mal-Daumen Regel der genannten Druckdifferenzen halten. Manchmal kann es passieren, dass schon bei drei Hectopascal ein Föhn unerwartet stark ausfällt, während auch bei sechs Hectopascal gelegentlich der Föhn vielerorts nur sehr gemäßigt spürbar wird. „Föhn ist eben nicht gleich Föhn“, sagen dann die einen, können aber dennoch nicht so recht erklären, woher die Launen des Föhns kommen.
Im Folgenden sei ein wenig Nachhilfe gegeben, um zumindest in Ansätzen das Phänomen verstehen zu können. Eine Anleitung zur spezifischen Föhnprognose ist das aber nicht. Denn um ein Föhn-Event in seiner zeitlichen Entwicklung und den verschiedenen Höhenschichten prognostisch korrekt zu erfassen, reichen aktuell selbst die besten Wettermodelle noch nicht aus. Die einfache Daumenregel, den Schirm ab drei bis vier Hectopascal Druckunterschied auf der Leeseite des Gebirges besser im Sack zu lassen und lieber Wandern zu gehen, ist immer noch die beste Empfehlung.
Kältere Luft hat eine höhere Dichte und drängt deshalb hin zur wärmeren. // Grafik: Lu-Glidz |
Kommen wir aber nun zu den feineren Einflussgrößen des Föhns: Neben dem Luftdruckunterschied gibt es noch eine zweite treibende Kraft für den Wind, der über die Berge streicht, und zwar die Temperatur der Luftmassen. Da ein langes Gebirge wie die Alpen als Barriere wirkt, können die Berge unterschiedlich temperierte Luftmassen auch längere Zeit voneinander trennen. Kältere Luft weist eine höhere Dichte auf als Warmluft. Eine höhere Dichte in einem „flüssigen“ Medium wie Luft bedeutet allerdings auch mehr Druck – im hydrostatischen Sinn. Kühle Luft ist einfach stärker komprimiert und würde sich, wenn möglich, ausdehnen. (Das ist bildlich gemeint, im Sinn von “in die Breite fließen“. Luftmassen verhalten sich da ähnlich wie eine Flüssigkeit.)
Da jeder Druckunterschied in der Natur ausgeglichen werden will, sorgt auch die „hydrostatische“ Druckdifferenz zwischen beiden Seiten der Alpen dafür, dass die Luft, zumindest dort, wo die Orographie (Geländeform) es ihr erlaubt, von der kälteren zur wärmeren Seite hin drängt.
Das funktioniert sogar selbst dann, wenn die am Boden gemessenen Luftdruckunterschiede gar nicht stark ausgeprägt sind. Auch starke Temperaturunterschiede der Luftmassen auf beiden Seiten eines Gebirges führen zu Ausgleichsströmungen. Sie können einen Föhn derart verstärken, dass es unter Umständen selbst bei nur drei Hectopascal Druckunterschied schon sehr ungemütlich werden kann.
Wenn man das temperaturgetriebene, hydrostatische Druckgefälle über den Alpen betrachtet, ist allerdings wichtig zu beachten, in welchen Höhen welche Temperaturunterschiede herrschen. Hat man auf einer Seite Luftmassen, die vom Boden bis in große Höhen jeweils deutlich kälter sind als auf der anderen Seite der Alpen, wird der Föhn auch in allen Höhenschichten stärker sein. In solchen Fällen entwickelt sich ein hochreichender Föhn.
Entsprechend wird der Föhn dann – hydrostratisch von den Temperatur- bzw. Dichteunterschieden angetrieben – vor allem durch die tieferen Einschnitte im Gebirge blasen, während in der Höhe gar kein so starker Wind bläst. Solche Konstellationen werden von Meteorologen als seichter oder auch als flacher Föhn bezeichnet.
Trocken drängt zu feucht
Einfluss auf die Dichte der Luft hat nicht nur die Temperatur, sondern auch der Feuchtegehalt. (Hierbei ist übrigens die absolute und nicht die relative Feuchtigkeit entscheidend!) Nimmt die Luft Feuchtigkeit in Form von Wassergas auf, sinkt ihre Dichte. Liegen auf beiden Alpenseiten Luftmassen, die die gleiche Temperatur besitzen, sich aber im Feuchtegehalt stark unterscheiden, kann auch das den Föhn verstärken oder abschwächen. Denn die dichtere trockenere Luftmasse wird zur feuchteren hin drängen. In der Praxis wird die Stärke des Föhns also nicht nur vom Luftdruckunterschied, sondern auch von weiteren Qualitäten der Luftmassen wie Temperatur und Feuchtigkeit bestimmt – und das jeweils gemessen in den verschiedenen Höhenschichten. Für eine genauere Föhnprognose müsste man also nicht nur die eingangs erwähnten Föhndiagramme studieren, sondern auch die Temperatur- und Feuchteschichtung auf beiden Seiten des Alpenkammes kennen. Das alles korrekt miteinander zu verrechnen, fällt selbst erfahrenen Meteorologen enorm schwer.
Tipps für Fortgeschrittene
www.windy.com dar. Dort kann man sich unter anderem für die wichtigen Druckniveaustufen 850, 800 und 700 hPa (rund 1500, 2000 bzw. 3000 Meter MSL) den Wind, die Temperatur und die Taupunkttemperatur (als Maß für die Feuchtigkeit) anzeigen lassen. Wird vor allem bei der Temperatur in diesen Schichten eine deutliche Differenz zwischen Nord- und Südseite des Alpenhauptkammes erkennbar, muss man auch bei relativ geringen Druckdifferenzen schon mit verstärkten Föhneffekten rechnen.
Der Meteo-Profi zieht besser noch Karten der sogenannten Äquivalenzpotenzialtemperatur (Theta-e) für 800 und 700 hPa zu Rate. Bei der Äquivalenzpotenzialtemperatur werden Temperatur und Feuchtigkeit miteinander verrechnet. Je niedriger dieser Wert ausfällt, desto kühler und typischerweise auch trockener ist die Luft in der dargestellten Höhenschicht. d.h. sie besitzt eine entsprechend höhere Dichte. Je deutlicher die Differenz von Theta-e auf beiden Seiten des Alpenhauptkammes ausfällt, desto stärker ist das hydrostatische Druckgefälle, das den Föhn auch bei geringen Druckdifferenzen verstärken kann.
Leider sind Prognosen der Äquivalenzpotenzialtemperatur für die genannten Druckhöhenschichten nur begrenzt frei im Internet verfügbar. Sie können aber zum Beispiel im kostenpflichtigen Angebot point+ des Wetter-Dienstleisters Meteoblue gefunden werden (unter der Auswahl ->Temperatur, ->Equivalent potential).
Ein besonderes Highlight im Angebot von Meteoblue, das einem schon erfahreneren Flugwetter-Beobachter bei der Föhnprognose weiterhelfen kann, sind so genannte Cross-Sections. Für diese Schnittdiagramme klickt man oben rechts in der Kartendarstellung auf das Kästchen "CS" und zeichnet dann mit zwei entsprechenden Mausklicks über die Alpen eine Linie, z.B. zwischen Zürich und Como. Man bekommt dann drei Cross-Section-Diagramme angezeigt: für die Temperatur, die Feuchtigkeit und den Wind in allen Druckhöhen bis 600 hPa. So kann man die Werte auf der Nord- und Südseite der Alpen gut miteinander vergleichen. Im nachfolgenden Beispiel ist eine starke Nordföhnlage erkennbar, die auch von starken Temperaturdifferenzen angetrieben wird.
Weisen die Luftmassen in allen Höhenschichten auf beiden Seiten des Gebirges Temperaturdifferenzen auf, verstärkt das die Ausgleichsströmungen in allen Höhen. // Grafik: Lu-Glidz |
Wenn man das temperaturgetriebene, hydrostatische Druckgefälle über den Alpen betrachtet, ist allerdings wichtig zu beachten, in welchen Höhen welche Temperaturunterschiede herrschen. Hat man auf einer Seite Luftmassen, die vom Boden bis in große Höhen jeweils deutlich kälter sind als auf der anderen Seite der Alpen, wird der Föhn auch in allen Höhenschichten stärker sein. In solchen Fällen entwickelt sich ein hochreichender Föhn.
Entsprechend wird der Föhn dann – hydrostratisch von den Temperatur- bzw. Dichteunterschieden angetrieben – vor allem durch die tieferen Einschnitte im Gebirge blasen, während in der Höhe gar kein so starker Wind bläst. Solche Konstellationen werden von Meteorologen als seichter oder auch als flacher Föhn bezeichnet.
Trocken drängt zu feucht
Einfluss auf die Dichte der Luft hat nicht nur die Temperatur, sondern auch der Feuchtegehalt. (Hierbei ist übrigens die absolute und nicht die relative Feuchtigkeit entscheidend!) Nimmt die Luft Feuchtigkeit in Form von Wassergas auf, sinkt ihre Dichte. Liegen auf beiden Alpenseiten Luftmassen, die die gleiche Temperatur besitzen, sich aber im Feuchtegehalt stark unterscheiden, kann auch das den Föhn verstärken oder abschwächen. Denn die dichtere trockenere Luftmasse wird zur feuchteren hin drängen. In der Praxis wird die Stärke des Föhns also nicht nur vom Luftdruckunterschied, sondern auch von weiteren Qualitäten der Luftmassen wie Temperatur und Feuchtigkeit bestimmt – und das jeweils gemessen in den verschiedenen Höhenschichten. Für eine genauere Föhnprognose müsste man also nicht nur die eingangs erwähnten Föhndiagramme studieren, sondern auch die Temperatur- und Feuchteschichtung auf beiden Seiten des Alpenkammes kennen. Das alles korrekt miteinander zu verrechnen, fällt selbst erfahrenen Meteorologen enorm schwer.
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Der Meteo-Profi zieht besser noch Karten der sogenannten Äquivalenzpotenzialtemperatur (Theta-e) für 800 und 700 hPa zu Rate. Bei der Äquivalenzpotenzialtemperatur werden Temperatur und Feuchtigkeit miteinander verrechnet. Je niedriger dieser Wert ausfällt, desto kühler und typischerweise auch trockener ist die Luft in der dargestellten Höhenschicht. d.h. sie besitzt eine entsprechend höhere Dichte. Je deutlicher die Differenz von Theta-e auf beiden Seiten des Alpenhauptkammes ausfällt, desto stärker ist das hydrostatische Druckgefälle, das den Föhn auch bei geringen Druckdifferenzen verstärken kann.
Leider sind Prognosen der Äquivalenzpotenzialtemperatur für die genannten Druckhöhenschichten nur begrenzt frei im Internet verfügbar. Sie können aber zum Beispiel im kostenpflichtigen Angebot point+ des Wetter-Dienstleisters Meteoblue gefunden werden (unter der Auswahl ->Temperatur, ->Equivalent potential).
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Cross-Section der Alpen zwischen Zürich (links) und Como (rechts) am 27.11.18 um 16 UTC. Auf der Südalpenseite bläst ein kräftiger Nordföhn. // Quelle: meteoblue.com |
Mal wieder einen Aha-Moment gehabt?
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Danke!
4 Kommentare
Danke für den interessanten Beitrag :)
AntwortenLöschenIch fände es noch sinnvoll, bei Druckdifferenz klar zwischen QNH und QFF zu unterscheiden, sowie den Unterschied zu erklären. Wird in Diskussionen zu oft vergessen und teilweise Äpfel mit Birnen verglichen (bei unterschiedlichen Quellen )
Toller Artikel - besten Dank
AntwortenLöschenFür die schweizer Tuchflieger ist folgender Link für die Momentaufnahme super: https://www.burnair.ch/windmap/
-> "Föhn/Bise" wählen
Gut möglich, dass der Föhn auch kleinflächig auftritt. So kann für Zürich - Lugano weniger Druck vorhanden sein als z.b. Altdorf - Airolo.
LG,
Markus
PS: Hab nichts mit dem Anbieter zu tun und möchte keinesfalls Schleichwerbung betreiben!
Kleine frage zur feuchten luft. Wir haben folgende hypotese. Wenn die luft bei staubewölkung feuchdabiatisch aufsteigt. Ist sie am übergang der berge wärmer als luft welche trockenabiatisch aufsteigt. Alsp würde der föjn bei feuter luft auf der druckseite sttärker. Was hälst du von dieser hypotese?
AntwortenLöschenEigentlich gebe ich anonyme Kommentare nicht frei. Hier habe ich mal eine Ausnahme gemacht, weil es sich um eine inhaltliche Frage handelt.
LöschenWenn bei Staubewölkung die Luft mit der Höhe weniger stark abkühlt, könnte sich daraus eine kleinere Temperaturdifferenz zwischen beiden Alpenseiten ergeben. Der Föhn würde dadurch eher abgeschwächt. Denn es gilt: Je größer die Temperaturdifferenz, desto stärker tendiert "kalt" zu "warm".
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