Eine Serie von (seltenen) Karabinerbrüchen lenkt den Blick auf ein zu wenig beachtetes Thema: Aluminium-Karabiner sollten regelmäßig ausgetauscht werden.

Ein Karabiner des italienischen Herstellers Camp (für Woody Valley).
In der Biegung unten rechts zeigt sich der Beginn eines Risses.
Der im Gurtzeug gegenüberliegende Karabiner gleichen Typs war
an dieser Stelle schon gebrochen. // Quelle: Slowakische Polizei 
Im Frühjahr 2020 ist bei einem Piloten in der Slowakei ein Aluminium-Karabiner seines Gurtzeuges von Woody Valley gebrochen. Technische Untersuchungen (pdf) ergaben, dass es sich um einen Dauerschwingungsbruch (Materialermüdung) handelte. In der Slowakei wurde deshalb sogar eine Sicherheitsmitteilung für diesen Typ von Karabiner herausgegeben. Allerdings hatte es auch schon in den Vorjahren dokumentierte Vorfälle gegeben, bei denen solche Karabiner brachen. Die Entwicklung ist sehr gut im Blog "Paragliding-Karabiner" des Franzosen Eric Ferlay zusammengefasst, der dort selbst erst kürzlich einen Sicherheitshinweis veröffentlichte (auch auf Englisch).

Durch Brüche auffällig wurden Aluminium-Karabiner des italienischen Herstellers Camp, der solche Modelle in ganz ähnlicher Ausführung nicht nur für Woody Valley, sondern auch für andere Gurtzeughersteller fertigt und brandet. Nun könnte man meinen, dass derlei Karabiner wegen möglicher Baumängel allgemein aus dem Verkehr gezogen werden sollten. Aber das ist etwas zu simpel gedacht. Denn das würde bedeuten, das grundsätzliche Problem dahinter zu verdrängen.

Alle Aluminiumkarabiner mit seitlicher Schnapper-Öffnung sind material-bedingt eher anfällig für Dauerschwingungsbrüche. Deshalb steht zum Beispiel auch in den Betriebsanleitungen der Gurtzeuge von Woody Valley die Empfehlung, die Karabiner alle zwei (!) Jahre auszutauschen. In allen oben genannten Fällen, bei denen es zu einem Bruch kam, war dieser Zeitrahmen schon deutlich überschritten.

Es ist also auch eine Verantwortung des Piloten: Wer der Gewichtsersparnis wegen mit leichten Alu-Karabinern fliegen geht und nicht nur ein absoluter Gelegenheitsflieger ist (wenige Flugstunden), sollte die vom Hersteller empfohlenen Austauschintervalle durchaus ernst nehmen. Zudem sollten erkennbar "angeschlagene" Aluminium-Karabiner, egal welchen Alters, nicht mehr verwendet werden.

Wer sich noch etwas tiefer mit der Thematik befassen will, der kann jetzt noch weiterlesen. Nachfolgend stelle ich einen Text zum gleichen Thema, den ich 2015 im DHV-Info 197 veröffentlicht hatte. Die Jahresangaben darin habe ich geupdatet:


Vom Sinn des Karabinertauschs

Karabiner haben eine eingeschränkte Nutzungsdauer. Je nach Bauart wird von den Herstellern ein Austausch nach zwei bis acht Jahren empfohlen. Piloten sollten sich daran halten.

Jeder Pilot nutzt sie, doch die wenigsten machen sich Gedanken darüber: die Karabiner. In der Regel findet man an jedem neu gekauften Gurtzeug schon ein installiertes Paar und wird dieses auch der Bequemlichkeit halber verwenden. Doch spätestens nach zwei Jahren Flugpraxis sollte man einmal ein paar Gedanken an die Karabiner verschwenden. Schließlich hängt man sein Leben an das Stück Metall. Und auch wenn die Bruchlasten laut den Spezifikationen sehr weit über die eigenen Gewichtsgrenzen hinaus reichen, muss man sich eines bewusst sein: Karabiner altern und sollten sicherheitshalber in gewissen Abständen getauscht werden.

Es ist knapp 20 Jahre her, da sorgte eine Reihe von Karabinerbrüchen für Aufruhr in der Gleitschirmszene. Der Deutsche Hängegleiterverband (DHV) initiierte damals Sicherheitsuntersuchungen und kam zu der Erkenntnis: Ein deutlich erhöhtes Bruchrisiko bestand nur für einen bestimmten Karabinertyp. Es handelte sich um eine spezielle Ausführung der Gurtzeugkarabiner Parafly Automatic von AustriAlpin, und zwar solche, die mit einer glänzenden und besonders harten Chromoberfläche veredelt waren. Kleine Risse in diesem Finish konnten sich besonders schnell in den tragenden Aluminiumkörper fortsetzen. Karabiner dieser Art wurden daraufhin per Sicherheitsmitteilung „gegroundet“, vom Markt genommen und durften nicht mehr verwendet werden.

Die Analysen des DHV brachten damals allerdings noch andere Einsichten zutage, die bis heute ihre Gültigkeit behalten haben. So zeigte sich unter anderem, dass viele Karabinertypen, die mit einem Schnappmechanismus geöffnet und geschlossen werden, im Flug gar keinen kompletten Kraftschluss erreichen. Damit der Schnapper leicht geöffnet werden kann, braucht er ein gewisses Spiel. Erst bei einer höheren Gewichtsbelastung biegt sich der Karabiner so weit auf, dass der geschlossene Schnapper selbst als tragendes Element wirksam werden kann. Im Normalflug, vor allem bei leichtgewichtigen Piloten, bleibt typischerweise ein wenig Spiel vorhanden. De facto ist das nichts anderes, als flöge man mit einem komplett offenen Karabiner. Entsprechend wird das Metall ständig nicht nur Zug-, sondern auch Biegekräften ausgesetzt. Dadurch kann es zu sogenannten Spannungsrissen kommen, die sich langsam ins Material hinein fressen, bis das Metall mit einem Mal bricht.

Die Belastungen, die ein Karabiner aushalten muss, ändern sich während des Fluges ständig, was zu kleinen Schwingungen führt. Bis zu 25 Mal pro Sekunde biegt sich ein Schnappverschluss-Karabiner im Thermikflug etwas auf und stellt sich wieder zurück. Das haben Messungen gezeigt. Diese Dauerschwingungen ermüden mit der Zeit das Metall. Aus Sicherheitsgründen ist es darum ratsam, sich an die von den Herstellern empfohlenen Austauschintervalle zu halten.

Jeder Hersteller macht für seine Karabinertypen unterschiedliche Angaben, je nachdem aus welchem Material sie bestehen, welche Materialstärke und Schmiedeform sie besitzen und auf welche Weise der Kraftschluss erreicht wird. Typischerweise liegen die empfohlenen Austauschintervalle bei zwei bis drei Jahren oder 500 Flugstunden für Schnapp-Karabiner aus Aluminium sowie fünf Jahre bzw. 1500 Flugstunden für solche aus Stahl.

Pinlock-Karabiner bestehen auch auch Aluminium, sind aber
durch ihre Bauart kraftschlüssig. Der Hersteller empfiehlt
deshalb eine Verwendungsdauer von bis zu acht Jahren.
// Quelle: Finsterwalder-Charly
Speziell geformte Alu-Karabiner aus Titanal – einer Legierung, in der sich Risse etwas weniger schnell ausbreiten als bei der sonst für Karabiner üblichen Legierung Zicral – kommen ebenfalls auf fünf Jahre empfohlene Verwendungsdauer. Beim kraftschlüssigen Pin-Lock-Karabiner von Finsterwalder Charly sind es sogar acht Jahre. Der Pin-Lock besitzt keinen Schnapper, sondern einen verschiebbaren Stahl-Pin als Verschluss und tragendes Element.

Neben der reinen Zählerei der Karabiner-Nutzungsjahre sollten Piloten freilich auch auf ihren gesunden Menschenverstand setzen. Selbst nur leicht aufgebogene Karabiner – erkennbar daran, dass der Schnappverschluss etwas klemmt oder Schraubverschlüsse sich nicht einfach mit zwei Fingern drehen lassen – sollten umgehend ausgetauscht werden.

Sein Augenmerk sollte man auch regelmäßig auf den äußeren Zustand der Karabiner richten. Aluminium ist ein relativ weiches Material. Schlägt es auf Steine oder ratscht an etwas Hartem entlang, zeigen sich schnell Macken. Sie können der Ausgangspunkt tieferer, unsichtbarer Rissbildungen sein. Vor allem wenn solche Risse oder Macken an den gebogenen Ecken der Karabiner sichtbar werden, ist es an der Zeit, sich neue Karabiner zuzulegen – selbst wenn die vom Hersteller empfohlene Nutzungsdauer noch lange nicht erreicht ist.


[Korrekturhinweis: In einer ersten Fassung dieses Berichtes hatte gestanden, der am Anfang genannte Karabinerbruch sei in Slowenien geschehen. Es geschah allerdings in der Slowakei, und der Vorfall wurde auch von der Slowakischen Polizei untersucht. Die Passage ist korrigiert.]