Gin experimentiert bei Prototypen des Boomerang 12 mit buckelig ausgestülpten Flügelvorderkanten, die an die Flossen von Buckelwalen erinnern. 

Die Flossen eines Buckelwales tragen an ihrer Front Ausbuchtungen, sogenannte Tuberkel. Ein
Prototyp des Boomerang 12, mit dem Michael Sigel bei der Schweizermeisterschaft mitflog,
imitiert diese Form. // Quelle: Wikipedia - Whit Welles, Martin Scheel

Die Natur hat der Technik schon häufig als Vorbild gedient, zumal die Evolution in der Regel sehr effiziente Lösungen liefert. Möglicherweise werden manche Gleitschirme der Zukunft ein besonderes Feature aufweisen, das von Buckelwalen inspiriert ist. 

Diese Wale besitzen an der Vorderkante ihrer Brustflossen auffällige Ausstülpungen, sogenannte Tuberkel. Und die gibt es, etwas abgewandelt, derzeit auch an Prototypen des CCC-Schirms Boomerang 12 des koreanischen Herstellers Gin. Kürzlich war ein solcher Schirm bei der Schweizermeisterschaft in Fiesch zu sehen, wo Michael Sigel damit flog (wenn auch sportlich etwas weniger erfolgreich als vielleicht erhofft).

Bei Aerodynamikern genießen die Tuberkel der Buckelwalflossen seit einigen Jahren eine hohe Aufmerksamkeit. Simulationen der Strömungsverhältnisse um die Flossen zeigen, dass diese Ausstülpungen an der Front sich in mehrerer Hinsicht vorteilhaft auf die Umströmung der flügelartigen Flossen auswirken. 

Strömungssimulation an einem normalen und einem
Turberkel-Flügel. Während beim normalen Flügel die
Strömung gewissermaßen auf einer Linie abreißt,
ist der Strömungsabriss hinter den Tuberkeln diffus.
// Quelle: Frank E. Fish et al.
Die Tuberkel erzeugen parallel laufende Strömungswirbel über den Flügel, welche die Strömung zwischen den Wirbeln gewissermaßen kanalisiert. Das hat mehrere Effekte: Zum einen reißt die Strömung später und niemals so schlagartig ab wie bei einem geraden Flügel – weil der Abrisspunkt in ganz unterschiedlicher Flügeltiefe hinter einem Frontbuckel oder der Senke dazwischen liegt. Durch die streifenartige "Kanalisierung" der Strömung längs des Profils werden zudem störende Querströmungen unterdrückt, die ansonsten nur den induzierten Widerstand erhöhen und somit den Auftrieb des Flügels verringern. Die Tuberkel könnten der Theorie nach also auch die Effizienz erhöhen. (Mehr zu diesem Thema kann man hier nachlesen).

Ob sich all das in vorteilhafter Weise auch auf Gleitschirme übertragen lässt? Hier steht der eindeutige Beweis noch aus. Torsten Siegel, Konstrukteur bei Gin, verrät bislang nur so viel: "Wir arbeiten mit einer koreanischen Universität an diversen Prototypen und untersuchen die Einsatzmöglichkeiten. Michael Sigel hat für uns den letzten Entwurf bei der Schweizermeisterschaft getestet, damit wir mit dem Feedback und der Standortbestimmung weiter arbeiten können."

Ein Prototyp des Tripleseven King von 2012 hatte schmal
angesetzte Außenflügel. // Quelle: Tripleseven

Gin ist übrigens nicht der erste Hersteller, der sich von Walen inspirieren lässt. Vor einigen Jahren experimentierte Tripleseven bei Prototypen des EN-D King mit Flügelstrukturen, bei denen die Außenflügel mit einer Stufe deutlich schmaler an den Mittelflügel ansetzten. Der letztendlich zugelassene King hatte dann allerdings doch eine herkömmliche Form. 

Allerdings fiel diese Entwicklung in eine Zeit, in der nach dem offiziellen Ende der sogenannten Offenen Klasse sehr um die Zulassungsregeln für Wettbewerbsschirme gerungen wurde. Dazu gehörte auch die Begrenzung der Flügelstreckung. Die schmaleren (gestreckteren) Außenflügel des King sahen Konkurrenten von  Tripleseven als den Versuch, die Streckungsbegrenzung auszuhebeln. Sie sorgten dann dafür, dass in den Regeln ungestufte Flügelformen vorgeschrieben wurden. Das Wal-Design landete zwangsläufig in der Schublade.

Ob nach aktuellen CCC-Regeln das Tuberkel-Design von Gin überhaupt zulässig wäre, müsste noch geklärt werden. Ein möglicher Streit darüber dürfte allerdings erst entfachen, sollten die Experimente mit den Prototypen tatsächlich spürbare Vorteile aufzeigen. 

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