Wenn es um die Flugfähigkeiten geht, darf man die Vögel zu den größten Vorbildern für uns Gleitschirmflieger zählen. Das gilt für XC-Rekorde wie für die Flugmechanik.

Ein Pfuhlschnepfenmännchen. // Quelle: T. Bowman, USFWS
Während in Brasilien aktuell erneut Gleitschirmpiloten mit Strecken von teils weit über 400 km aufhorchen lassen, verblassen solche Zahlen gegenüber dem Streckenflugrekord, den Forscher der Universität Groningen kürzlich für eine Pfuhlschnepfe nachweisen konnten. 

Bei einem dieser Vögel, den sie mit einem Mini-Tracker ausgestattet hatten, ergab die Auswertung der Bewegungsdaten: Die männliche Pfuhlschnepfe mit dem als Vogelring vermerkten Kürzel 4BBRW war von Alaska bis Neuseeland gezogen, und zwar nonstop im neuntägigen Dauerflug. Die XC-Strecke (wobei man hier weniger von Cross Country sondern eher von Cross Sea sprechen müsste, da die Route zum größten Teil über das Wasser des Pazifiks führte) summierte sich am Ende auf rund 12200 Kilometer. Das ist der längste jemals verzeichnete Nonstop-Flug eines Vogels.

Immerhin ähneln sich die Durchschnittsgeschwindigkeiten, die bei den Gleitschirm-Rekordflügen in Brasilien wie von den Pfuhlschnepfen auf ihrem Zug gen Süden erreicht werden. Beim aktuellen XC-Weltrekord über 588 km (581 km Luftlinie) waren die drei beteiligten brasilianischen Piloten mit durchschnittlich 53 km/h unterwegs. Die Pfuhlschnepfe brachte es bei ihrem Rekordflug auf 54 km/h.


Flügel als Turbulenzdämpfer

Die Eule Lilly durchfliegt den Turbulenzbereich. Die
Flügel lenken aus und knicken im Handgelenk, aber
der Torso des Vogels bleibt auf Spur.
// Quelle: Cheney et al. 2020
Beeindruckend ist auch das, was britische Forscher der University Bristol beim Flug einer Eule in einem speziellen Windkanal beobachteten. Die Eule war darauf trainiert, geradewegs durch den Kanal zu fliegen. Die Wissenschaftler stellten im Rahmen ihrer Studie am Boden zusätzliche Ventilatoren auf, wodurch auf der Flugstrecke eine Zone mit starken Turbulenzen entstand. 

Wieder und wieder flog die Eule diese Strecke, wobei die Forscher den von den Ventilatoren erzeugten Luftstrom immer weiter steigerten – bis dahin, dass die Stärke der Turbulenzen dem Flugtempo der Eule von etwa 28 km/h entsprach.

Jeder Flug wurde mit Hochgeschwindigkeitskameras aufgezeichnet, um festzuhalten, wie sehr die Eule durch die Turbulenzen von ihrer Flugbahn abgelenkt wird. Doch die Videos zeigten: Die Eule blieb stur auf Kurs, und nicht einmal der Körper rollte dabei um seine Längsachse. Nur die Flügel verdrehten sich unter dem Einfluss der plötzlichen Querwinde und knickten sichtbar in ihrem Handwurzelgelenk.

Weitere Analysen und Simulationsrechnungen ergaben, dass die Flügel hier eine doppelte Funktion erfüllen. Als erstes wirken sie wie passive mechanische Stoßdämpfer, die durch ihre Auslenkung und das Abknicken schon einen Großteil der einwirkenden Kräfte aufnehmen. Danach kommt noch die Aerodynamik ins Spiel, wenn die Vögel durch aktive Kontrolle des Flügels bzw. des Anstellwinkels die Flugbahn weiter stabilisieren.

Interessant sind solche Beobachtungen, weil sich dabei Analogien zum Gleitschirm finden lassen. Anders als bei Fluggeräten mit starren Flächen können Gleitschirme unter dem Einfluss von Turbulenzen einklappen. Auch dadurch wird ein Großteil der einwirkenden Kräfte aufgenommen und nicht direkt an den Piloten weitergegeben. Und wie bei der Eule kommt erst danach die Aerodynamik ins Spiel. Der Pilot muss aktiv eingreifen und steuern, um den Schirm auf Spur zu halten.

Dass auch Vögel in freier Natur in turbulenten Verhältnissen regelrechte Klapper kassieren, hatten andere Forscher schon vor einigen Jahren bei Greifvögeln beobachtet (Lu-Glidz berichtete).