Gleitschirme könnten in Zukunft auch der Raumfahrt dienen. Ein US-Startup will damit kleinere Nutzlasten aus dem All zur Erde zurückholen. 

Das Konzept von Outpost: Am Ende der
Nutzungsdauer oder bei Reparaturbedarf
sinkt ein Satellit mit aufgeblasenem 
Hitzeschild in die Atmosphäre herab.
Ein autonom fliegender Gleitschirm bringt
die Nutzlast dann sanft und zielgenau 
zu Boden. // Quelle: Outpost Technologies

Manche revolutionären Ideen entstehen auf ungewöhnlichen Wegen. Bei Mike Vergalla machte es Klick, als er als Hobby das Gleitschirmfliegen lernte.

Da kam der technische Direktor des kalifornischen Raumfahrt-Startups Outpost Technologies zum ersten Mal mit Flügeln aus Stoff und ohne starre Strukturen in Kontakt. Bei seinem Studium der Luft- und Raumfahrttechnik waren die technischen Grundlagen von Paragleitern nie ein Thema gewesen. 

Schon die ersten Flüge in der Ausbildung wurden für ihn zum Augenöffner: "Ich habe erkannt, dass es sich beim Gleitschirm um ein viel zu wenig genutztes Luftfahrzeug handelt. Ich begann mir vorzustellen, was damit alles möglich sein könnte“, erzählt er.


Wie hoch fliegen Gleitschirme?

Vergalla fragte sich zum Beispiel: Bis in welche Höhe in der Atmosphäre sind Gleitschirme überhaupt flugfähig? Der bisher erflogene Rekord, ein Start vom Mount Everest, liegt bei rund 8800 Meter. Könnten Gleitschirme auch noch in 20 Kilometer Höhe in der dünnen Luft der Stratosphäre funktionieren?

Aerodynamische Berechnungen ergaben: Das müsste gehen. Bei weiteren Diskussionen mit Partnern erwuchs daraus eine Geschäftsidee. Wie wäre es, leichte und klein packbare Paragleiter einzusetzen, um Nutzlasten aus niedrigen Umlaufbahnen im All auf sanfte Weise und zielgenau zur Erde zurückzubringen?

Dinge ins Weltall zu schießen, dafür gibt es schon viele Möglichkeiten und Anbieter. Aber defekte Satelliten und anderes wieder aus dem Orbit zur Erde zurück zu holen, und zwar so, dass sie nicht einfach nur in der Atmosphäre verglühen, sondern intakt und möglicherweise sogar wiederverwendbar  am Boden ankommen – das wäre ein echtes Novum.


Kombination aus Gleitschirm und Hitzeschild

Outpost will dafür Gleitschirme einsetzen, in Kombination mit einer weiteren Technologie, an der die Nasa seit einigen Jahren arbeitet: aufblasbare Hitzeschilde. 

Ein Hitzeschild ist nötig, damit Satelliten oder andere Nutzlasten nicht verglühen, wenn sie in die Erdatmosphäre hineinsinken und durch Reibung an den Luftteilchen abgebremst werden. Mike Vergallas Firma will das Hitzeschild um einem Gleitschirm ergänzen. Dieser soll sich in der Stratosphäre in 20 bis 25 Kilometer Höhe öffnen. Von dort aus würde er seine Fracht, bis zu 150 Kilogramm Nutzlast, nach einem längeren und auch steuerbaren Gleitflug sanft am Boden absetzen.

Vor rund einem Jahr führte Outpost erste Versuche durch. Ein großer Heliumballon stieg bis in 21 Kilometer Höhe auf. Dort klinkte er einen Gleitschirm aus. Der Schirm, ein Single-Skin, öffnete sich wie erhofft und legte dann gleitend noch 180 Kilometer Flugstrecke zurück. Eine autonome Steuerung sorgte dafür, dass der Schirm eine Reihe geplanter Wegpunkte ansteuerte und am Ende nur zwei Kilometer entfernt vom geplanten Zielpunkt landete.

"Derzeit arbeiten wir daran, die Planung der Flugbahn zu optimieren, um die Präzision der Landung zu erhöhen“, sagt Vergalla. 


Vertrag mit der Nasa

Die ersten Tests waren so überzeugend, dass sie das Interesse der Nasa geweckt haben. Ende 2022 schloss die US-Raumfahrtagentur mit Outpost einen Vertrag. Das Ziel: Eine Transportfähre für kleinere Nutzlasten zu entwickeln. Damit sollen abgeschlossene Experimente von der Internationalen Raumstation zurück zur Erde gebracht werden, um Platz für Neues in den Forschungsmodulen der ISS zu schaffen.

Mike Vergalla denkt allerdings auch schon weiter. Seine Vision ist es, ein allgemeines, gleitschirm-gestütztes Rückholsystem für Fracht aus dem erdnahen Orbit zu schaffen. Zum Beispiel um Satelliten zur Reparatur und Wartung auf der Erde einschweben zu lassen. 

Gleitschirme würden damit eine Art Kreislaufwirtschaft für den erdnahen Orbit ermöglichen. Angesichts des wachsenden Problems mit Weltraummüll gibt es dafür einigen Bedarf. 

Noch in diesem Jahr will Outpost erste Tests der gesamten Wiedereintrittsprozedur mit Hitzeschild und nachfolgendem Gleitschirmflug durchführen. Wenn all das funktioniert, wäre das Verfahren für die Raumfahrt nicht nur vom Prinzip her revolutionär, sondern auch von den Kosten. 

Vergalla: "Wir können handelsübliche Gleitschirme nutzen. Ein Teil der Innovation liegt auch darin, dass so ein Flügel mit zwölf Meter Spannweite nicht Hunderttausende von Dollar kostet. Wir liegen im Bereich von vier- bis sechstausend Dollar.“


Ein Video auf Youtube dokumentiert einen der ersten Versuche von Outpost: