Verschneite Hänge sind kalt. Thermik ist da nicht zu erwarten. Aber manchmal gibt es sie eben doch. Eine Erklärung
Thermikfliegen über verschneiter Landschaft. // Foto: Werner Luidolt |
Zumindest können viele Piloten, die auch im Winter öfters fliegen gehen, immer wieder von überraschenden Bärten berichten, die aus komplett verschneiten Landschaften zu steigen scheinen. Irgendwo muss die Auftriebsenergie ja herkommen. Tatsächlich kann der Schnee sogar eine thermikfördernde Wirkung haben. Und das auf zwei unterschiedliche Weisen, die auch in Kombination auftreten können. Im Folgenden seien sie einmal getrennt betrachtet.
1. Albedo als Heizhilfe
Für die Winterthermik förderlich ist das vor allem an steilen, bewaldeten Hängen. Den verschneiten Boden kann die Sonne hier nicht erwärmen. Allerdings werden sich die Bäume, zum Beispiel dunkle Tannen, durch die darauf fallenden Sonnenstrahlen oberflächlich aufheizen. Je steiler ein Hang, umso besser funktioniert das. Denn so wie Zuschauer in einem ansteigenden Theatersaal bessere Sicht auf die Bühne haben, so bekommt jeder Baum am Hang insgesamt mehr Sonnenstrahlen ab.
Durch den verschneiten Untergrund wird die Heizwirkung allerdings noch potenziert. Dank der Reflektion des Schnees werden die Bäume und ihre Äste nicht nur von vorn auf der Sonnenseite, sondern auch von hinten und unten, auf der Schattenseite, mit Sonnenlicht bestrahlt. Die beschienene und somit erwärmte Oberfläche der Bäume ist dann viel größer als ohne den Schnee. So ein Winterbergwald kann unter passenden Bedingungen – bildlich gesprochen – regelrecht zu glühen beginnen. Die Bäume, die am besten selbst schon weitgehend schneefrei sein sollten, ragen dann wie Heizstäbe in die Luft. So bildet sich zwischen ihnen bald ein Warmluftpolster, das mit seinem Temperaturvorsprung gegenüber der umliegenden kälteren Winterluft nur noch einen Weg kennt: nach oben.
An passenden Abrissstellen über längeren, bewaldeten Hangpartien, die am besten auch noch nach Süden ausgerichtet sind, kann man deshalb selbst im tiefst-verschneiten Winter kräftige Bärte antreffen.
2. Sublimation als Steighilfe
Wird die feuchte Luftschicht, die über Schneeflächen liegt, durch Wind am Hang zwangsgehoben, kann sie dort weitersteigen. Denn feuchtere Luft ist leichter als trockene. // Grafik: Lu-Glidz |
Feuchte Luft wiederum hat selbst eine thermikträchtige Eigenschaft: Sie besitzt, bei gleicher Temperatur, eine geringere Dichte als trockenere Luft. Sie ist also leichter als diese. Daraus kann also der Antrieb zum Aufstieg entstehen.
Normalerweise sind die feuchten Luftmassen über den Schneefeldern allerdings nicht dick genug, um ausreichend große, nutzbare Thermikblasen zu formen. Es fehlt ihnen auch der Antrieb bzw. der Impuls, sich vom Boden zu lösen. Das ändert sich aber, wenn man eine passende, schneebedeckte Topographie mit Wind in Verbindung bringt.
Man stelle sich zum Beispiel einen großen, flachen, schneebedeckten Talkessel vor, über den beständig der Wind streift. Dieser schiebt die angefeuchteten Luftmassen an den nächsten Hang, wo die Luft sich staut und sammelt und dann zwangsweise gehoben wird. Damit gelangen größere Volumina der feuchteren Bodenluft in Bereiche, die eigentlich von trockenerer Höhenluft geprägt sind. Der Dichteunterschied der feuchteren Blasen zur trockeneren Luft der Umgebung kann dann dafür sorgen, dass die feuchteren Luftmassen auch ohne den dynamischen Antrieb des Windes über dem Hang einfach noch weiter steigen. Eine andere Form der Schneethermik ist geboren.
Diese Art der Schneethermik kann sogar bei völlig geschlossener Wolkendecke auftreten. Das ergibt dann ganz besondere, unverhoffte Flug-Erlebnisse. Wir sprechen dann häufig von „magischer“ Luft.
Eine derartige Schneethermik ist gelegentlich selbst im Hochgebirge anzutreffen, ohne davorliegende Talkessel als Sammelbecken feuchterer Luft. Als Zutat Nummer eins braucht es große, breite, schneebedeckte Gebirgsflanken. Zutat Nummer zwei ist in diesem Fall der Höhenwind, der bestenfalls genau senkrecht auf diese Flanken trifft. Auch er wird die vom Schnee durch Sublimation angefeuchteten Luftschichten nach oben drücken. Sind sie erst einmal über Kammhöhe gelangt, werden sie dann im Umfeld der viel trockeneren Höhenluft allein aufgrund des Dichteunterschiedes weiter steigen.
Hinweis: Kommt Dir dieser Text irgendwie bekannt vor? Ich hatte ihn vor geraumer Zeit schon einmal im DHV-Info 221 veröffentlicht. Das Thema passt gerade wieder in die Zeit.
3 Kommentare
Danke für den Artikel Lucian! Meinst du, dass die bei Anfeuchtung der Schneedecke aus feuchter Luft entstehende Resublimationswärme einen Einfluss auf Thermikentwicklung haben kann?
AntwortenLöschen@Moritz: Das weiß ich nicht. Ich vermute, dass sich (zumindest ohne Wind) in der dünnen Grenzschicht direkt über dem Schnee ein Gleichgewicht von Sublimation und Resublimation einstellt. Interessant wird das erst, wenn der Wind mit ins Spiel kommt, weil dann die Karten bzw. Verhältnisse neu gemischt werden.
LöschenDie Wärme der Resublimation geht dann aber auch eher ins Wasser als in die Luft, d.h. der Schnee schmilzt. Es ist ja auch bekannt: Feuchte Luft "frisst" den Schnee.
Das Beispiel der Sublimation als Thermiktreiber ist auch eher ein Sonderfall. Das funktioniert auch nur, wenn die sonstigen Luftmassen vergleichsweise trocken sind, damit die durch Wind am Hang zwangsgehobenen Luftmassen überhaupt einen Dichtevorsprung haben und weiter aufsteigen...
@Lucian
LöschenDanke für deine Einschätzung. Klingt nachvollziehbar!
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