In Baixo Guandú flogen gleich drei Piloten mit einem Gin Boomerang 12 aufs PWC-Podium. Die Schirme haben eine wellenförmige Vorderkante. 

Die Vorderkante des Boomerang 12 ist wellenförmig.
// Quelle: M. Sigel, Gin

Es ist sicher noch zu früh, um nach nur einem Wettbewerb dem Schirm eine neue Dominanz zuzuschreiben. Doch was Gin-Piloten mit dem neuesten Boomerang 12 beim jüngsten PWC in Baixo Guandú in Brasilien zeigten, setzt zumindest ein deutliches Ausrufezeichen. 

Platz eins bis drei für Dominik Breitinger, Manuel Quintanilla und Michael Sigel (s. Ergebnisse) mit eben diesem Schirmmodell, dessen neueste, nochmals überarbeitete Version beim PWC nun erstmals zum Einsatz kam. 

Vorbei zu sein scheinen zumindest erst einmal die Zeiten, in denen Ozone mit seinen Enzos die Wettbewerbsszene nahezu komplett dominierte. Auf den ersten zehn Plätzen waren beim jüngsten Wettbewerb ebendiese drei Boom 12, vier Enzo 3 und drei Icepeak X-One von Niviuk zu finden. Die Vielfalt der konkurrenzfähigen CCC-Schirme ist damit gewissermaßen zu "alten" Zeiten zurückgekehrt.


Wave Leading Edge

Der Dreifach-Triumph der Boomerang 12 lässt freilich nicht nur wegen des Ergebnisses aufhorchen. Die Schirme sind ein echter Hingucker. Sie weisen ein Merkmal auf, das Gin derzeit exklusiv entwickelt – in enger Kooperation mit einer südkoreanischen Universität und mit Hilfe staatlicher Fördergelder. Es geht um eine Technik, die Gin als Wave Leading Edge bezeichnet. 

Das Vorbild hierfür kommt aus der Natur. Buckelwale besitzen Flossen, die an der Vorderkante unregelmäßig gewellte Ausstülpungen besitzen, auch Tuberkel genannt. Strömungsanalysen haben gezeigt, dass das den Walen Vortriebsvorteile bringt. Denn wenn das Wassers über die Flossen strömt, wird es an den Tuberkeln in unterschiedlich turbulente Sektionen aufgeteilt, die wie Finger über das Flossenprofil nach hinten reichen. Störende Querströmungen werden dadurch unterdrückt und der Strömungsabriss kommt erst deutlich später.

Durch die wellenförmige Front soll die Strömung am
Flügelprofil erst deutlich weiter hinten abreißen.
// Quelle: Gin
Das ergibt, auch bei Gleitschirmen, gleich mehrere positive Effekte. Gin beschreibt sie so:  

"Durch die Erzeugung von Wirbeln in Strömungsrichtung an der Vorderkante wird der Ablösepunkt der Strömung entlang des Profils erheblich nach hinten verschoben. Das verzögert den Strömungsabriss, der Auftrieb wird bei allen Anstellwinkeln erhöht, und bei niedrigen Anstellwinkeln [Anm.: beschleunigt] verringert sich der Widerstand. In der Praxis wird der Flügel dadurch noch pitchstabiler und effizienter im Steigflug. Das verschafft uns eine zusätzliche Stabilitätsmarge, die es uns ermöglicht, mit verschiedenen Profilen und Profildicken zu experimentieren, je nach Anwendung."

Anders gesagt. Die Wellenfront macht die Schirme stabiler, wobei ein Teil dieser Stabilität bei Bedarf wieder in dünnere Profile "investiert" werden kann, um mehr Geschwindigkeit und Leistung zu erreichen – was für Racing-Wettbewerbe natürlich besonders interessant ist.

Erste Prototypen des Boomerang 12 hatte Gin bereits 2020 bei der Schweizermeisterschaft in Fiesch getestet, wenn auch zum damaligen Entwicklungsstand noch nicht so erfolgreich. Auf Lu-Glidz erschien aber schon ein hintergründiger Artikel über die "Walverwandschaft" der Schirme mit den buckelflossigen Meeres-Großsäugern. (Der Text liefert noch etwas mehr Hintergrund.)

Nach dem aktuellen Erfolg dürfte der Boomerang 12 nun in die Serienproduktion gehen. Es bleibt abzuwarten, wie viele Wettbewerbspiloten sich in der laufenden PWC-Saison noch auf die neue Form der Wellenfliegerei einlassen werden.

Spannend wird die weitere Entwicklung dieser Technologie. Laut Gin ist eine Wave Leading Edge nicht nur für gestreckte Sicheln interessant. Hohe Pitchstabilität, viel Auftrieb (gutes Startverhalten) und ein später Strömungsabriss sind Eigenschaften, die genauso bei Schirmen für Anfänger und Wenigflieger wünschenswert sind. Auch da könnte Gin in Zukunft mit entsprechenden Modellen die eine oder andere Welle schlagen.