Die erste Thermikmesse "nach" Corona sah weniger Aussteller, aber viele interessierte Besucher. Die Zukunft der Veranstaltung bleibt ungewiss. 

Hingucker am Eingang: Skywalk Range X-Alps 3
// Foto: Lu-Glidz

Zweimal hintereinander hatte Veranstalter Jürgen Häffner die Thermikmesse corona-bedingt absagen müssen. 2023 konnte er sie endlich wieder durchziehen. Als Spezialangebot im Rahmen der großen Messe CMT in Stuttgart öffnete die Thermik am vergangenen Samstag für einen Tag ihre Türen. 

Der Zuspruch, zumindest der Besucher, war groß. An den Ständen der Aussteller herrschte viel Andrang. Vor allem die Anbieter mit großer Gurtzeugauswahl erlebten einen regelrechten Ansturm der Probesitzwilligen.

Das freute auch Jürgen Häffner. Allerdings hätte er sich einen allgemein größeren Zuspruch der Hersteller gewünscht. Die Kongresshalle blieb nochmals etwas "luftiger" bestückt als schon bei der vorigen Ausgabe der Thermikmesse 2020. 

Etliche auch auf dem deutschsprachigen Markt gut vertretene Marken wie u.a. Airdesign, BGD, Independence, Macpara, Ozone, Skyman, Swing oder UP fehlten, um dem Event den Charakter eines echten  Branchentreffens zu geben, wie ihn die Messe in früheren Jahren noch hatte. Ob es jemals wieder dorthin kommen wird? 

"Vielleicht ist die Zeit von solchen Indoor-Messen vorbei", sagte Häffner im Gespräch mit Lu-Glidz. Immer mehr an Produktpräsentation und -information finde online und über soziale Medien statt. Er ließ es auf Nachfrage offen, ob er für 2024 trotzdem eine Thermikmesse plant. Wie so vieles im Gleitschirmbereich lebt auch dieses Projekt von viel Idealismus. Aber wie lange reicht das zum Überleben?

Zumindest bleibt die Thermikmesse 2023 als eine mit besonders guter Stimmung der Besucher in Erinnerung. Vielleicht zeigte sich hier eine positive Nachwirkung von Corona. Viel Hallo, viel Interesse, viele gute Fragen, wenig Nörgelei, so der Eindruck etlicher Aussteller. Möglicherweise getragen durch die Corona-Generation neuer Pilotinnen und Piloten, für welche die Thermikmesse die erste Gelegenheit war, mal nicht nur virtuell Szeneluft zu schnuppern.  

Großen Zuspruch, wie schon in den Vorjahren, bekam das auf großer Bühne gebotene Vortragsprogramm. Einmal mehr zeigte sich großer Wissensdurst. 

Die News der Thermikmesse 2023

Grundsätzlich Neues gab es auf der Thermikmesse nicht viel zu sehen. Die Branche nutzt schon länger eher den Coupe Icare, den Stubai Cup oder das Supertestival in Kössen zur Ankündigung und Präsentation neuer Produkte. Immer mehr News werden zudem unabhängig von Publikums-Events via Instagram- oder Facebook-Kampagnen lanciert. Das spiegelt sich auch in den über Jahr regelmäßig erscheinenden Lu-Glidz Newstickern wider. 

Dennoch haben es sich ein paar Hersteller nicht nehmen lassen, die Messe zumindest als Teaser für Kommendes zu nutzen. Im Folgenden ein kleiner Überblick, ohne Gewähr auf Vollständigkeit. Er enthält v.a. das, was nicht eh schon in früheren Ausgaben des Newstickers auf Lu-Glidz zu lesen war:

Neo: Die französische Edelmarke gewährte einen Blick auf und in die zweite Generation ihrer Liegegurtzeuge. Dazu gehört zum einen das leichte Stay Up 2.0, das bereits in den Handel kommt. Gegenüber der ersten Version wurde u.a. das Gepäckfach befüllfreundlicher geschnitten, der Koroyd-Protektor überarbeitet und sogar noch ein Zentimeter dünner. Der Frontcontainer sitzt nun in einer Mulde besser im Beinsack integriert. Er lässt sich mit einem etwas größeren Instrumentenbrett ergänzen. Zudem wurde das Design der Gurtzeughülle modernisiert. Es setzt nun auf ein schlichtes weiß-grau.

Prototyp Suspender 2.0.
Die Rettung ist zentral,
aber getrennt von den
Hauptkarabinern 
aufgehängt.
// Foto: Lu-Glidz

Eine bemerkenswerte, sicherheitstechnische Innovation liefert Neo im Suspender 2.0, das im Frühjahr lanciert werden soll. Auf der Thermik war ein Prototyp zu sehen. Der Retter sitzt bei dem Gurtzeug ganz klassisch unter der Sitzfläche. Allerdings erfolgt die Aufhängung dann nicht an den Schultern, sondern im Schwerpunkt des Gurtzeugs, wie bei einem Frontretter. Dabei wird die Retter-Verbindungsleine jedoch nicht wie üblich in die Hauptkarabiner eingehängt. Stattdessen ist sie auf einer Seite fest mit dem tragenden Gurtsystem vernäht. Auf der anderen Seite kommt ein zusätzlicher Karabiner als Verschluss zum Einsatz. Über passend platzierte Verspannungen wird der Zug des tragenden Retters so auf den Piloten übertragen, dass sich dieser jederzeit sehr einfach aufrichten kann. Das ist sogar dann möglich, wenn der Hauptschirm und der Retter in einer unvorteilhaften Scherenstellung sind. Bei einer üblichen Aufhängung des Retters an den Schultern landet man in einem solchen Fall fast zwangsläufig auf dem Rücken, was ein hohes Verletzungsrisiko mit sich bringt. Die neuartige Retteraufhängung des Suspender 2.0 soll hingegen auch bei Scherenstellungen eine aufrechte Landung ermöglichen, wie in einem Demo-Video am Stand zu sehen war.

Nova: Der auf der Thermikmesse vorgestellte High-A-Schirm Aonic light von Nova bietet als Leichtversion gegenüber dem normalen Aonic eine Gewichtseinsparung von rund 700 Gramm. Erreicht wird das durch Einsatz der bewährten Leichttuches Porcher Skytex 27 (mit doppelter Beschichtung). Die Eintrittskante ist noch mit stabilerem Dominico D30-Tuch ausgestattet. Der Schirm soll damit voll alltagstauglich sein.
Schleppklinke Tow&Go
// Foto: Lu-Glidz

Nova hat auch eine sehr einfach zu bedienende Gurtband-Schleppklinke namens Tow&Go präsentiert. Die Verbindung ist simpel und erfordert weniger Fädelei als klassische Gurtbandklinken. Bei Bedarf lässt die die Klinke mit einem integrierten System zur Vorbeschleunigung des Schirmes aufrüsten.
Als dritte Neuigkeit zeigte Nova die bald verfügbare Leichtversion der Rettung Pentagon. Die Pentagon light soll in der Größe 85 unter 900 Gramm wiegen und im Durchschnitt der verschiedenen Größen rund 300 Gramm weniger auf die Waage bringen als eine normale Pentagon. 

Phi: Die Erneuerung der breiten Modellpalette geht in schneller Schlagzahl weiter. Als nächstes sollen der Low-B Tenor 2 und der Tenor 2 light erscheinen.
Daneben gab es am Phi-Stand interessante Szenenews: Skywalks langjähriger Chefkonstrukteur Alex Höllwarth hat Skywalk verlassen und macht künftig mit Hannes Papesh gemeinsame Sache. Vor Jahren hatten beide schon mal bei Nova zusammengearbeitet. Den Plänen nach soll Höllwarth allerdings nicht für Phi konstruieren. Das Ziel ist der Aufbau seiner eigenen Marke unter dem Dach der Papesh GmbH. Noch ist unklar, wann die ersten Produkte unter welchem Namen erwartet werden können. 

Range X-Alps 3
// Foto: Lu-Glidz

Skywalk: Skywalk zeigte als Überraschung den schon länger erwarteten Nachfolger seines beliebten Leicht-Liegegurtzeugs. Das Range X-Alps 3 (Preview) setzt weitgehend auf die gleiche Geometrie wie der Vorgänger, wurde aber in vielen Details überarbeitet. Es ist nun aus etwas stabileren Stoffen gefertigt, mit festerem Nylon am Beinsack und Skywalks TX-Light-Tuch mit zusätzlichen Ripstop-Verstärkungen im Bürzel. Der Frontcontainer ist besser in den Beinsack integriert, der Rettergriff ist auf die Seite gewandert und stabiler. Sitz- und Rückenfläche werden nun mit Nitinol- statt Federstahldraht aufgespannt. Die Rückenfläche ist als doppelwandiges Sandwich mit luftdichter Schaumeinlage gefertigt, um Kälte besser abzuschirmen. Im Beinsack ist ein Auslass für einen Urinal-Schlauch integriert. Und die Frontkalotte beinhaltet nun eine kleine Tasche. Dort kann man den mitgelieferten Blow-Bag zum Aufblasen des ebenfalls überarbeiteten Protektors hineinstecken und damit in Form bringen.

XCTracer: Kein neues Gerät, aber eine verbesserte Firmware für den Maxx 2 führte Koni Schafroth an seinem Stand vor. Die Darstellung des Steigens in Form einer Punktespur beim Thermikfliegen ist nun ruckelfrei. Zudem integriert sie erstmals die Funktion eines TEK-Varios. Das Maxx 2 braucht dafür keine TEK-Düse, sondern errechnet die Total-Energie-Kompensation aus der Kombination aller Daten der Multisensoren (Druckdose, Beschleunigungsmesser, Gyroskop etc.) im Gerät. Ein "falsches" Steigen, das nur aus dem Schwung des Gerätes heraus und nicht durch steigende Luftmassen entsteht, wird in der Thermikdarstellung nicht mehr berücksichtigt. Das soll ein noch genaueres Erkennen und Zentrieren des realen Kerns einer Thermik ermöglichen. Die gleiche Funktion soll demnächst auch in eine neue Firmware für das Vorgängermodell Maxx 1 integriert werden. 


Helfen Dir solche Infos weiter? Werde zum Förderer und trage mit dazu bei, dass ich auf Lu-Glidz auch in Zukunft so aktuell und hintergründig über das Geschehen in der Gleitschirmszene berichten kann.