Profly hat einen Tragegurt entwickelt, mit dem sich Bremse und BC-Steuerung gleichzeitig einsetzen lassen – für mehr Steueroptionen 

Intelligent Riser Steering: Bremse und BC-Steuerung
werden zusammen aktiviert // Quelle: Profly

Bei der Steuerung von Gleitschirmen hat es in den letzten Jahren zwei interessante Entwicklungen gegeben. Erstens hat sich durch die Zweileiner die Anstellwinkelkontrolle über die hinteren Tragegurte etabliert. Bei Dreileinern gibt es dafür Tragegurte, die eine sogenannte BC-Steuerung ermöglichen (s. Leistungsdrang (31): Floating B). Zieht man die C-Gurte herunter, werden auch die B-Gurte mit einer gewissen Untersetzung mitgezogen. So kann ein beschleunigtes Profil wieder auf Normaltrimmstellung zurückgestellt werden, ohne dafür den Beschleuniger lösen zu müssen. Das erleichtert die Schirmkontrolle in Turbulenzen.

Die zweite interessante Entwicklung ist das System der sogenannten Parakites, wie z.B. der Moustache von Flare oder der Mullet von Flow. Deren Tragegurte erlauben eine komplette Anstellwinkelkontrolle allein über die Bremse, wie es bei klassischen Kites üblich ist. Zieht man die Bremse herunter, werden über einen sogenannten Mischer zugleich C- und B-Ebene untersetzt mitgezogen. Parakites besitzen allerdings keinen Fußbeschleuniger mehr. Gibt man die Bremse frei, fliegen sie mit Fullspeed. Für eine "neutrale" Trimmstellung müssen die Bremsen immer etwas gezogen werden. Fürs spielerische Soaring bietet das viele Vorteile, fürs Thermik- und Streckenfliegen ist das allerdings auf Dauer zu anstrengend und der Zwang zum ständigen Bremsenhalten kontraproduktiv.


Intelligent Riser Steering

IRS-Tragegurt
// Quelle: Profly

Wäre es nicht möglich, beide Ansätze miteinander zu verbinden – also in Form eine BC-Steuerung, die sich bei Bedarf mit dem Bremseinsatz "mischen" lässt? Der Konstrukteur Michael Nesler hat für sein neuestes Schirmmodell Profly Leeloo 2 genau so etwas entwickelt. Und da heute alles fürs Marketing ein besonderes Kürzel bekommt, spricht er vom IRS-System. IRS steht für Intelligent Riser Steering. 

Der IRS-Tragegurt besitzt am C-Gurt einen zusätzlichen Flaschenzug mit Griff. Zieht man daran, werden C- und B-Ebene untersetzt heruntergezogen. Dadurch vergrößert sich der Anstellwinkel der Kappe.

Das System ist im Grunde ein umgekehrter Beschleuniger, d.h. vom Effekt her ein "Entschleuniger". Der Pilot kann im Flug mit dem Fuß den Beschleuniger komplett durchtreten und dann von Hand den Entschleuniger soweit aktivieren, dass die Tragegurt-Ebenen wieder in Neutralstellung (Trimmflug) kommen.

So etwas ist auch mit einer klassischen BC-Steuerung möglich. Beim IRS-System ist das aber erleichtert, weil die Zug- und Haltekräfte durch das Flaschenzugsystem geringer ausfallen. 

Zudem bietet es eine erweiterte Funktion: Der IRS-Griff lässt sich auch mit den Bremsen in der Hand greifen und bedienen. Der Effekt ist dann wie beim Mischer eines Parakites. Der Zugweg an der Bremse wird anteilig auch auf die C- und die B-Ebene übertragen. Es wird also nicht nur die Hinterkante heruntergezogen, sondern das gesamte Profil verstellt.

Auch bei der klassischen BC-Steuerung greifen viele Piloten die C-Griffe mit den Bremsen in der Hand. Dadurch wird die Bremse allerdings auf der Höhe des C-Griffes fixiert, d.h. die Hinterkante des Flügels wird beim BC-Steuern nicht aktiv mit hinuntergezogen. Beim IRS-System bleibt die Bremse hingegen frei beweglich und alle Steuerbewegungen wirken sich direkt auch auf die Hinterkante (Bremsklappe) aus.


Erweiterte Steueroptionen

Diese gemischte Brems-BC-Steuerung erweitert die Steueroptionen für verschiedene Situationen im Flug. Natürlich kann der Flügel wie ein normaler Gleitschirm auch nur über die Bremse kontrolliert werden. Das wird man v.a. unbeschleunigt tun, etwa beim Thermikfliegen. 

Tritt man den Beschleuniger, empfiehlt es sich aber, die gemischte Brems-BC-Steuerung hinzuzunehmen. Nun kann man selbst bei Fullspeed mit normalen Bremsbewegungen, gekoppelt mit der BC-Steuerung, den Anstellwinkel der Kappe sehr feinfühlig kontrollieren. Interessant ist das zum Beispiel beim sogenannten Delfinieren: Der Fußbeschleuniger bleibt immer getreten, in steigenden Luftmassen aktiviert man jedoch den IRS-"Entschleuniger", um das Steigen besser mitzunehmen. In sinkenden Luftmassen gibt man das IRS-System für mehr Speed wieder frei.


Reduziertes Eigensinken

Selbst unbeschleunigt ist das IRS-System in einem gewissen Rahmen nutzbar. Zieht man hier Bremse und BC-Griff gemeinsam nur wenige Zentimeter herunter, erhöht sich die Wölbung und der Anstellwinkel des gesamten Profils. Der Schirm generiert dann etwas mehr Auftrieb, ohne allzu stark an Fahrt zu verlieren. Bis zu einem gewissen Punkt lässt sich so das Eigensinken reduzieren, was Vorteile bringt im großflächig steigenden Luftmassen. Der Effekt ist allerdings begrenzt. Allzu tief sollte man das IRS-System aus dem Trimmflug heraus nicht aktivieren, um keinen Strömungsabriss zu riskieren. Engere Thermikkreise sollten weiterhin nur über die Bremse geflogen werden.

Auch im beschleunigten Flug kann es Situationen geben, bei denen man nicht mehr mit dem IRS-System arbeiten sollte. Denn durch den untersetzenden Flaschenzug sind die Zugwege länger als bei einer klassischen BC-Steuerung, bei der ja jeder Zentimeter 1:1 auf die C-Ebene übertragen wird. In turbulenter Luft, bei der es auf sehr schnelle, knackige Steuerreaktionen des Piloten ankommen kann, um die Kappe offen zu halten, bedeuten die längeren IRS-Zugwege einen Reaktionszeitverlust. Deshalb empfiehlt Michael Nesler unter solchen Bedingungen direkt an die C-Gurte und deren Verbindung (Bridge) zu den B-Gurten zu greifen, um darüber eine direktere Kontrolle zu haben.

Ob vergleichbare Tragegurte künftig auch bei Schirmen anderer Hersteller zu finden sein werden? Michael Nesler sagt: "Das coole am IRS ist, dass es mit den aktuellen Tragegurten an fast alle Schirme angepasst werden könnte. Deshalb wird es sicher für viele interessant werden."


Wer genauer vorgeführt bekommen möchte, wie das IRS-System in der Praxis funktioniert, kann sich dazu ein kurzes Video auf Youtube anschauen.