Profly hat einen Tragegurt entwickelt, mit dem sich Bremse und BC-Steuerung gleichzeitig einsetzen lassen – für mehr Steueroptionen
Intelligent Riser Steering: Bremse und BC-Steuerung werden zusammen aktiviert // Quelle: Profly |
Die zweite interessante Entwicklung ist das System der sogenannten Parakites, wie z.B. der Moustache von Flare oder der Mullet von Flow. Deren Tragegurte erlauben eine komplette Anstellwinkelkontrolle allein über die Bremse, wie es bei klassischen Kites üblich ist. Zieht man die Bremse herunter, werden über einen sogenannten Mischer zugleich C- und B-Ebene untersetzt mitgezogen. Parakites besitzen allerdings keinen Fußbeschleuniger mehr. Gibt man die Bremse frei, fliegen sie mit Fullspeed. Für eine "neutrale" Trimmstellung müssen die Bremsen immer etwas gezogen werden. Fürs spielerische Soaring bietet das viele Vorteile, fürs Thermik- und Streckenfliegen ist das allerdings auf Dauer zu anstrengend und der Zwang zum ständigen Bremsenhalten kontraproduktiv.
Intelligent Riser Steering
IRS-Tragegurt // Quelle: Profly |
Der IRS-Tragegurt besitzt am C-Gurt einen zusätzlichen Flaschenzug mit Griff. Zieht man daran, werden C- und B-Ebene untersetzt heruntergezogen. Dadurch vergrößert sich der Anstellwinkel der Kappe.
Das System ist im Grunde ein umgekehrter Beschleuniger, d.h. vom Effekt her ein "Entschleuniger". Der Pilot kann im Flug mit dem Fuß den Beschleuniger komplett durchtreten und dann von Hand den Entschleuniger soweit aktivieren, dass die Tragegurt-Ebenen wieder in Neutralstellung (Trimmflug) kommen.
So etwas ist auch mit einer klassischen BC-Steuerung möglich. Beim IRS-System ist das aber erleichtert, weil die Zug- und Haltekräfte durch das Flaschenzugsystem geringer ausfallen.
Zudem bietet es eine erweiterte Funktion: Der IRS-Griff lässt sich auch mit den Bremsen in der Hand greifen und bedienen. Der Effekt ist dann wie beim Mischer eines Parakites. Der Zugweg an der Bremse wird anteilig auch auf die C- und die B-Ebene übertragen. Es wird also nicht nur die Hinterkante heruntergezogen, sondern das gesamte Profil verstellt.
Auch bei der klassischen BC-Steuerung greifen viele Piloten die C-Griffe mit den Bremsen in der Hand. Dadurch wird die Bremse allerdings auf der Höhe des C-Griffes fixiert, d.h. die Hinterkante des Flügels wird beim BC-Steuern nicht aktiv mit hinuntergezogen. Beim IRS-System bleibt die Bremse hingegen frei beweglich und alle Steuerbewegungen wirken sich direkt auch auf die Hinterkante (Bremsklappe) aus.
Erweiterte Steueroptionen
Diese gemischte Brems-BC-Steuerung erweitert die Steueroptionen für verschiedene Situationen im Flug. Natürlich kann der Flügel wie ein normaler Gleitschirm auch nur über die Bremse kontrolliert werden. Das wird man v.a. unbeschleunigt tun, etwa beim Thermikfliegen.
Tritt man den Beschleuniger, empfiehlt es sich aber, die gemischte Brems-BC-Steuerung hinzuzunehmen. Nun kann man selbst bei Fullspeed mit normalen Bremsbewegungen, gekoppelt mit der BC-Steuerung, den Anstellwinkel der Kappe sehr feinfühlig kontrollieren. Interessant ist das zum Beispiel beim sogenannten Delfinieren: Der Fußbeschleuniger bleibt immer getreten, in steigenden Luftmassen aktiviert man jedoch den IRS-"Entschleuniger", um das Steigen besser mitzunehmen. In sinkenden Luftmassen gibt man das IRS-System für mehr Speed wieder frei.
Reduziertes Eigensinken
Selbst unbeschleunigt ist das IRS-System in einem gewissen Rahmen nutzbar. Zieht man hier Bremse und BC-Griff gemeinsam nur wenige Zentimeter herunter, erhöht sich die Wölbung und der Anstellwinkel des gesamten Profils. Der Schirm generiert dann etwas mehr Auftrieb, ohne allzu stark an Fahrt zu verlieren. Bis zu einem gewissen Punkt lässt sich so das Eigensinken reduzieren, was Vorteile bringt im großflächig steigenden Luftmassen. Der Effekt ist allerdings begrenzt. Allzu tief sollte man das IRS-System aus dem Trimmflug heraus nicht aktivieren, um keinen Strömungsabriss zu riskieren. Engere Thermikkreise sollten weiterhin nur über die Bremse geflogen werden.
Auch im beschleunigten Flug kann es Situationen geben, bei denen man nicht mehr mit dem IRS-System arbeiten sollte. Denn durch den untersetzenden Flaschenzug sind die Zugwege länger als bei einer klassischen BC-Steuerung, bei der ja jeder Zentimeter 1:1 auf die C-Ebene übertragen wird. In turbulenter Luft, bei der es auf sehr schnelle, knackige Steuerreaktionen des Piloten ankommen kann, um die Kappe offen zu halten, bedeuten die längeren IRS-Zugwege einen Reaktionszeitverlust. Deshalb empfiehlt Michael Nesler unter solchen Bedingungen direkt an die C-Gurte und deren Verbindung (Bridge) zu den B-Gurten zu greifen, um darüber eine direktere Kontrolle zu haben.
Ob vergleichbare Tragegurte künftig auch bei Schirmen anderer Hersteller zu finden sein werden? Michael Nesler sagt: "Das coole am IRS ist, dass es mit den aktuellen Tragegurten an fast alle Schirme angepasst werden könnte. Deshalb wird es sicher für viele interessant werden."
Wer genauer vorgeführt bekommen möchte, wie das IRS-System in der Praxis funktioniert, kann sich dazu ein kurzes Video auf Youtube anschauen.
9 comments
Hallo,
AntwortenLöschenich habe nicht wirklich kapiert was da die "Evolution" wäre.. BC Steuerung die man mit Bremse in der Hand benutzen kann? Warum sollte man dies nicht vorher auch tun können mit der normale BC Steuerung?
Ich glaube die meisten Piloten die einen 3-Leiner fliegen das eh genau so tun, ich zumindest schon, immer Bremse in der Hand.
Nur der BC Steuerung zu vertrauen, auf einem 3-Leiner, wäre selbstmörderisch.
M2C
Sascha
@Sascha: Natürlich kannst Du auch bei einem klassischen 3-Leiner mit BC-Steuerung die C-Griffe mit den Bremsen in der Hand greifen. Der Effekt ist aber ein anderer. Wenn Du jetzt nach unten ziehst, wird sich der Zug nur auf die C-Ebene (und gekoppelt B) auswirken, nicht auf die Bremse (die HInterkante wird nicht ausgelenkt). Denn die Bremse ist ja am C-Griff "fixiert".
LöschenBeim IRS-System hingegen ist es z.B. so: Wenn Du Bremse um 15 cm herunterziehst, wird die C-Ebene durch die Untersetzung am Flaschenzug um 5 cm mitgezogen, die B-Ebene (je nach Beschleunigerstellung) um 0-2,5 cm. Das heißt, hier verschieben sich also Bremse/HInterkante, C und B relativ zueinander, wodurch sich sowohl Anstellwinkel als auch Wölbung des Profils in einem definierten Maß verändern. Das ist mit der klassischen BC-Steuerung nicht möglich.
Hinweis: Ich habe auf Saschas Kommentar hin diese zusätzliche Erklärung des Unterschieds zur klassischen BC-Steuerung auch im Text noch ergänzt.
LöschenHallo
AntwortenLöschenBeim obenstehenden Video meine ich zu erkennen, dass beim Ziehen dieses IRS die Bremse ab einem gewissen Punkt auch greift -> sichtbar an der gewellten Austrittkante. Damit sind die ganzen Vorteile dieses Systems wieder dahin, weil leistungsvernichtend.
Um das zu verhindern, müsste die Bremse vermutlich so extrem viel Vorlauf haben, dass man beim Kurbeln zwei Mal wickeln müsste. Oder der Weg des IRS müsste mehr begrenzt werden.
Grundsätzlich scheint die Idee innovativ und interessant - bei der Umsetzung muss vermutlich noch etwas gefeilt werden :-D
LG, Marus
Markus, dass die Bremse beim IRS greift, ist ja gewollt. It's not a bug, it's a feature. Der Pilot kann nach Belieben nur mit Bremse, nur über C-Griff, mit Bremse + C-Griff oder nur über die BC-Bridge steuern. Es geht um mehr Optionen für unterschiedliche Szenarien im Flug.
LöschenWenn man nur am C-Griff ziehen will, dann muss die Bremse losgelassen werden. Das würde ich nicht als Feature bezeichnen, eher als Risiko. Behält man Sie mit dem C-Griff in der Hand, wird die Hinterkannte zunehmend angebremst und Leistung vernichtet. Beides ist in meinen Augen wenig zielführend.
LöschenGut, dass auch die BC-Bridge dran ist und man immerhin "normal" fliegen kann.
Ich habe IRS nicht ausprobiert, aber ich würde neuen Ideen immer erst eine Chance geben, bevor man sie niederschreibt. Natürlich wird beim Anbremsen Geschwindigkeit vernichtet, aber es ändern sich ja noch andere Parameter. Auftrieb, Bedienbarkeit, etc. Wie sich das unterm Strich bei einem längeren XC-Flug insgesamt auswirkt, müsste man halt testen. Zumal es bei dem System eben nicht nur um maximale Leistung im full-speed geht.
LöschenWas der Sinn des ganzen?Auf dem Video sieht das kräfteraubend aus,da arbeite ich lieber mit dem Fussbeschleuniger und in Turbulenter Luft denke ich ist das gefährlich noch vollbeschleunigt im Beschleuniger stehen und den Schirm anbremsen!
AntwortenLöschenDas ganze macht für mich null Sinn und verkompliziert nur die ganze Sache eher….
Das erscheint mir auch unnötig kompliziert. Wozu? Gibt es doch schon längst einfacher.
AntwortenLöschenZ.b. der Ozone Mantra7 Dreileiner hat bereits ein BC-Steuerung mit Flaschenzug Rollen.
Diese lässt sich im beschleunigten Flug spielend leicht mit nur einem Finger runter ziehen, während ich die Bremse in der Hand halte, und ohne dass diese die Hinterkante krümmt und Leistung kostet. Fliegt man bei getretenem Beschleuniger mit Trimgeschwindigkeit oder weniger.
Wozu sollte man da eine dritte Griffmöglichkeit einbauen, die auch noch Leistung kostet. Meiner Meinung nach klassisches "over-engineering".
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