Die Meteo-Seite Paraglidable.com liefert einen schnellen Überblick, wo in Europa in den nächsten Tagen XC-Wetter herrscht. Sie basiert auf Künstlicher Intelligenz.
Paraglidable liefert einen schnellen, farbcodierten Überblick zu den Flugbedingungen in Europa.
Die Vorschau reicht über zehn Tage und zeigt: Wo ist es grundsätzlich fliegbar, wo gibt
es gute Streckenflugbedingungen? // Quelle: Paraglidable.com
Immer wieder mal tauchen neue Meteo-Angebote für Gleitschirmflieger im Netz auf. Meistens handelt es sich um recht ähnliche Aufgüsse in einem anderen Gewand. Egal ob z.B. Windy.com, Meteo-Parapente.com oder Meteo.guru, irgendwie werden immer einzelne Variablen von Wettermodellen wie Wind, Wolken, Niederschlag oder Thermikstärke auf Karten dargestellt. Bei Paraglidable.com ist das anders. Die Seite ist eine echte Neuerung, die vielen Gleitschirmpiloten – vor allem jenen, die gerne größere Strecken fliegen wollen – eine so simple wie gute Hilfestellung bieten kann.

Paraglidable.com kümmert sich nicht um spezifische Wettervariablen. Vielmehr konzentriert sich die Seite weitgehend auf zwei Angaben:

  1. Can I fly – ist es fliegbar? 
  2. Can I do XC – sind größere Streckenflüge möglich?

Die Antworten darauf liefert eine Künstliche Intelligenz (KI). Ein spezielles Computerprogramm im Hintergrund von Paraglidable.com hat gelernt, die Ergebnisse des GFS-Wettermodells entsprechend zu interpretieren. Dabei berücksichtigt es über 200 Meteo-Variablen und leitet daraus die Fliegbarkeit ab.

Ganz Zentralspanien könnte an diesem Tag gute Streckenflugbedingungen
bieten, erkennbar am deutlichen, weißen Punkteraster. 
Die Ergebnisse werden in Prozentangaben als Wahrscheinlichkeiten geliefert und als Farbschattierung auf einer zoombaren Karte dargestellt. Tiefrot bedeutet 0% (dann kann man die Flugpläne für den Tag gleich vergessen). Dunkelgrün steht für 100% (dann sollte es, wenn man am passenden Startplatz steht, auf jeden Fall fliegbar sein).

Natürlich gibt es auch alle Zwischenstufen. Gute Streckenflugregionen werden zusätzlich mit einem weißen Punkteraster markiert. Schneller bekommt man nirgendwo den Überblick, wann und wo besonders gute XC-Bedingungen herrschen. Ein optischer Hammertag-Alarmservice in weiß-gefleckten Ampelfarben.


Ein Base-Jump-Unfall und die Folgen

Der Kopf hinter Paraglidable.com ist Antoine Meler. Der Franzose aus der Nähe von St. Hilaire ist begeisterter Gleitschirmflieger und Base-Jumper. In seinem Job programmiert er allerdings Systeme zur automatischen Bilderkennung, die auch auf neuronalen Netzen, also einer Künstlichen Intelligenz basieren. Schon vor Jahren hatte er die Idee, diese Kenntnisse auch für sein Hobby einzusetzen.

Wie wäre es, so fragte er sich, wenn man ein neuronales Netz mit folgenden Daten füttert: Zum einen alle Flüge aus öffentlich verfügbaren XC-Datenbanken mit Angaben wie Flugtag, Flugzeit, Maximalhöhe und erreichter Distanz (Punktezahl). Zum anderen die historischen Meteo-Prognosedaten der jeweiligen Tage – und das für die vergangenen zehn Jahre. Aus der Kombination heraus sollte die KI dann selbständig wiederkehrende Zusammenhänge zwischen Wetter- und Flugstatistik erkennen und erlernen können. Das Ziel: Diesen Erfahrungsschatz auf die Zukunft anzuwenden. Man bräuchte das System nur noch mit den neuesten Meteo-Modellläufen zu füttern, damit es vorhersagen könnte, ob und wo es allgemein fliegbar und wo es wahrscheinlich auch XC-trächtig wird.

Damit Antoine diese Idee letztendlich umsetzen konnte, musste allerdings ein kleines Unglück geschehen. Eine verpatzte Landung beim Base-Jumping setzte ihn monatelang in seinem Job außer Gefecht. So fand er die Zeit, Paraglidable zu programmieren. Seit kurzem steht das Angebot nicht nur als Website im Netz, sondern ist auch noch als kostenlose  App für Android-Smartphones verfügbar.


Intelligenter Vorwarnservice

Der Blick in die historischen Daten (hier 17. Juni 2013) zeigt eine
gute Übereinstimmung zwischen KI-Prognose und Flugmeldungen.
Die Feuertaufe für Paraglidable.com steht noch aus. Diese Saison wird sich zeigen müssen, ob das, was die KI auf Basis der Daten aus den vergangenen Jahren gelernt hat, tatsächlich in der Praxis gut verwertbare Hinweise liefert. Ganz falsch scheint die "Weisheit der vielen Flüge" aber nicht zu liegen.

Schon heute kann man auf der Website die Funktion "Past data" aufrufen. Dann muss man nur noch irgendein historisches Datum aus der Zeit von 2009 bis 2017 wählen, um für den entsprechenden Tag die von der KI errechnete Flug- und XC-Wahrscheinlichkeiten angezeigt zu bekommen. Zudem wird mit einem Overlay aus blauen Kringeln dargestellt, in welchen Regionen für den gleichen Tag tatsächlich größere Strecken gemeldet wurden (siehe Bild).

Die Übereinstimmung ist (soweit ein paar Stichproben aus Sommermonaten zeigen) erstaunlich gut. Das weckt die Hoffnung, dass Paraglidable.com zumindest als intelligenter Vorwarnservice für allgemein gutes Flugwetter, Hammertage und bevorzugte XC-Regionen taugt.

Die größte Trefferquote dürfte Paraglidable nach Angaben von Antoine übrigens im Alpenraum haben: Dort wird am meisten geflogen, entsprechend gut ist auch die Datengrundlage für die KI. In den weniger beflogenen Randgebieten (Flachland) kann die Software bisher nur extrapolieren, was fehleranfälliger sein dürfte.


Ergänzung, kein Ersatz zu klassischen Prognosen

Eins sollte klar sein: Eine genauere Meteo-Vorbereitung, wie sie vor jedem Flug empfehlenswert ist, ist mit Paraglidable nicht möglich und nicht zu ersetzen. Die Seite zeigt ja nicht einmal, aus welcher Richtung der Wind weht. Dafür wird man immer noch klassische Meteo-Seiten aufrufen und vergleichen müssen. Paraglidable hilft Streckenfliegern aber dabei, schnell und einfach zu erkennen, auf welche Tage und auf welche Regionen sie in der jeweils nächsten Zeit ihr besonderes Augenmerk legen sollten.

Wie auch sonst bei Meteo-Prognosen ist auch bei Paraglidable zu bedenken, dass die Prognosegüte mit jedem zusätzlich Tag schnell abnimmt. Dennoch sollte ein schon eine Woche im voraus angedeuteter Hammertag die XC-Jünger aufmerken lassen. Dann gilt es, diesen Tag in den jeweils neueren Modellläufen weiter zu beobachten. Bleibt die Prognose von Tag zu Tag stabil, dürfen erst die Vorfreude und dann auch die Vorbereitungen steigen.


In diesem Beispiel stand der Mauszeiger auf Hannover. Die Flugchancen
sind gering (22%). Vor allem der Wind (langer roter Balken), zu einem Teil
aber auch mögliche Niederschläge (kürzerer roter Balken) sind die
begrenzenden Faktoren.
Warnhinweise

Paraglidable liefert bei Bedarf auch weitere Informationen zu möglichen begrenzende Faktoren. Fährt man mit dem Mauszeiger über die Karte, ändern sich in einem Kasten oben rechts die Prozentangaben zu Fliegbarkeit und Streckenträchtigkeit – jeweils bezogen auf den Punkt unter dem Mauszeiger. Darunter tauchen mitunter zusätzliche Balken auf, beschriftet mit Wind, Precipitations, Morning oder Evening. Je länger diese Balken sind (wieder von 0-100 Prozent), desto mehr hält die KI die zugehörigen Variablen für die maßgeblichen Faktoren, die an diesem Tag die Fliegbarkeit begrenzen können. Ein Windbalken deutet auf starken Wind, der Niederschlagsbalken auf ein entsprechendes Niederschlagsrisiko, Morning und Evening wiederum auf eine reduzierte Fliegbarkeit für die jeweiligen Tageshälften hin. Wie immer bei Paraglidable handelt es sich um Wahrscheinlichkeitsangaben.


Ausblick

In Zukunft will Antoine Meler das Datenangebot von Paraglidable noch weiter verfeinern. Neben Hinweisen zu begrenzenden Faktoren sollen auch positive Wahrscheinlichkeitsangaben wie zum Beispiel "Hohe Flüge möglich" dazu kommen. Angedacht ist auch, die künstliche Intelligenz aufzuteilen und stärker regional fokussiert lernen zu lassen, um den Unterschieden zwischen Gebirgs- und Flachlandfliegerei Rechnung zu tragen – schließlich werden die größeren Strecken im Flachland typischerweise bei stärkerem Wind geflogen, während im Gebirge die Schwachwindtage Vorteile bieten. Weitere Pläne sehen vor, ergänzend zu den Daten des amerikanischen GFS-Wettermodells noch solche von Wettermodellen wie Arome oder ECMWF mit einzubinden. Das könnte die Trefferquote weiter erhöhen. Ob und wann es dazu kommt, ist noch unklar.

Erst einmal gilt es, mit der vorliegenden Version von Paraglidable.com Erfahrungen zu sammeln, wie gut sich das System bewährt. Grundsätzlich steckt hinter der Idee, eine Künstliche Intelligenz Millionen von Wetter- und zugehörigen Flugdaten durchforsten und die Korrelationen analysieren zu lassen, ein immenses Potenzial, um schneller die besten XC-Tage zu erkennen.


Mal wieder einen Aha-Effekt gehabt?

Solche hintergründigen Infos zu neuen Meteo-Angeboten entstammen keiner Künstlichen Intelligenz, sondern bedeuten einiges an Arbeit für die Recherche und die verständliche Aufbereitung. Lu-Glidz kann diesen professionellen Service auf Dauer nur bieten, wenn die Leser das auch finanziell honorieren.

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