Paraglidable.com kümmert sich nicht um spezifische Wettervariablen. Vielmehr konzentriert sich die Seite weitgehend auf zwei Angaben:
- Can I fly – ist es fliegbar?
- Can I do XC – sind größere Streckenflüge möglich?
Die Antworten darauf liefert eine Künstliche Intelligenz (KI). Ein spezielles Computerprogramm im Hintergrund von Paraglidable.com hat gelernt, die Ergebnisse des GFS-Wettermodells entsprechend zu interpretieren. Dabei berücksichtigt es über 200 Meteo-Variablen und leitet daraus die Fliegbarkeit ab.
Ganz Zentralspanien könnte an diesem Tag gute Streckenflugbedingungen bieten, erkennbar am deutlichen, weißen Punkteraster. |
Natürlich gibt es auch alle Zwischenstufen. Gute Streckenflugregionen werden zusätzlich mit einem weißen Punkteraster markiert. Schneller bekommt man nirgendwo den Überblick, wann und wo besonders gute XC-Bedingungen herrschen. Ein optischer Hammertag-Alarmservice in weiß-gefleckten Ampelfarben.
Ein Base-Jump-Unfall und die Folgen
Der Kopf hinter Paraglidable.com ist Antoine Meler. Der Franzose aus der Nähe von St. Hilaire ist begeisterter Gleitschirmflieger und Base-Jumper. In seinem Job programmiert er allerdings Systeme zur automatischen Bilderkennung, die auch auf neuronalen Netzen, also einer Künstlichen Intelligenz basieren. Schon vor Jahren hatte er die Idee, diese Kenntnisse auch für sein Hobby einzusetzen.
Wie wäre es, so fragte er sich, wenn man ein neuronales Netz mit folgenden Daten füttert: Zum einen alle Flüge aus öffentlich verfügbaren XC-Datenbanken mit Angaben wie Flugtag, Flugzeit, Maximalhöhe und erreichter Distanz (Punktezahl). Zum anderen die historischen Meteo-Prognosedaten der jeweiligen Tage – und das für die vergangenen zehn Jahre. Aus der Kombination heraus sollte die KI dann selbständig wiederkehrende Zusammenhänge zwischen Wetter- und Flugstatistik erkennen und erlernen können. Das Ziel: Diesen Erfahrungsschatz auf die Zukunft anzuwenden. Man bräuchte das System nur noch mit den neuesten Meteo-Modellläufen zu füttern, damit es vorhersagen könnte, ob und wo es allgemein fliegbar und wo es wahrscheinlich auch XC-trächtig wird.
Damit Antoine diese Idee letztendlich umsetzen konnte, musste allerdings ein kleines Unglück geschehen. Eine verpatzte Landung beim Base-Jumping setzte ihn monatelang in seinem Job außer Gefecht. So fand er die Zeit, Paraglidable zu programmieren. Seit kurzem steht das Angebot nicht nur als Website im Netz, sondern ist auch noch als kostenlose App für Android-Smartphones verfügbar.
Intelligenter Vorwarnservice
Der Blick in die historischen Daten (hier 17. Juni 2013) zeigt eine gute Übereinstimmung zwischen KI-Prognose und Flugmeldungen. |
Schon heute kann man auf der Website die Funktion "Past data" aufrufen. Dann muss man nur noch irgendein historisches Datum aus der Zeit von 2009 bis 2017 wählen, um für den entsprechenden Tag die von der KI errechnete Flug- und XC-Wahrscheinlichkeiten angezeigt zu bekommen. Zudem wird mit einem Overlay aus blauen Kringeln dargestellt, in welchen Regionen für den gleichen Tag tatsächlich größere Strecken gemeldet wurden (siehe Bild).
Die Übereinstimmung ist (soweit ein paar Stichproben aus Sommermonaten zeigen) erstaunlich gut. Das weckt die Hoffnung, dass Paraglidable.com zumindest als intelligenter Vorwarnservice für allgemein gutes Flugwetter, Hammertage und bevorzugte XC-Regionen taugt.
Die größte Trefferquote dürfte Paraglidable nach Angaben von Antoine übrigens im Alpenraum haben: Dort wird am meisten geflogen, entsprechend gut ist auch die Datengrundlage für die KI. In den weniger beflogenen Randgebieten (Flachland) kann die Software bisher nur extrapolieren, was fehleranfälliger sein dürfte.
Ergänzung, kein Ersatz zu klassischen Prognosen
Eins sollte klar sein: Eine genauere Meteo-Vorbereitung, wie sie vor jedem Flug empfehlenswert ist, ist mit Paraglidable nicht möglich und nicht zu ersetzen. Die Seite zeigt ja nicht einmal, aus welcher Richtung der Wind weht. Dafür wird man immer noch klassische Meteo-Seiten aufrufen und vergleichen müssen. Paraglidable hilft Streckenfliegern aber dabei, schnell und einfach zu erkennen, auf welche Tage und auf welche Regionen sie in der jeweils nächsten Zeit ihr besonderes Augenmerk legen sollten.
Wie auch sonst bei Meteo-Prognosen ist auch bei Paraglidable zu bedenken, dass die Prognosegüte mit jedem zusätzlich Tag schnell abnimmt. Dennoch sollte ein schon eine Woche im voraus angedeuteter Hammertag die XC-Jünger aufmerken lassen. Dann gilt es, diesen Tag in den jeweils neueren Modellläufen weiter zu beobachten. Bleibt die Prognose von Tag zu Tag stabil, dürfen erst die Vorfreude und dann auch die Vorbereitungen steigen.
Paraglidable liefert bei Bedarf auch weitere Informationen zu möglichen begrenzende Faktoren. Fährt man mit dem Mauszeiger über die Karte, ändern sich in einem Kasten oben rechts die Prozentangaben zu Fliegbarkeit und Streckenträchtigkeit – jeweils bezogen auf den Punkt unter dem Mauszeiger. Darunter tauchen mitunter zusätzliche Balken auf, beschriftet mit Wind, Precipitations, Morning oder Evening. Je länger diese Balken sind (wieder von 0-100 Prozent), desto mehr hält die KI die zugehörigen Variablen für die maßgeblichen Faktoren, die an diesem Tag die Fliegbarkeit begrenzen können. Ein Windbalken deutet auf starken Wind, der Niederschlagsbalken auf ein entsprechendes Niederschlagsrisiko, Morning und Evening wiederum auf eine reduzierte Fliegbarkeit für die jeweiligen Tageshälften hin. Wie immer bei Paraglidable handelt es sich um Wahrscheinlichkeitsangaben.
Ausblick
In Zukunft will Antoine Meler das Datenangebot von Paraglidable noch weiter verfeinern. Neben Hinweisen zu begrenzenden Faktoren sollen auch positive Wahrscheinlichkeitsangaben wie zum Beispiel "Hohe Flüge möglich" dazu kommen. Angedacht ist auch, die künstliche Intelligenz aufzuteilen und stärker regional fokussiert lernen zu lassen, um den Unterschieden zwischen Gebirgs- und Flachlandfliegerei Rechnung zu tragen – schließlich werden die größeren Strecken im Flachland typischerweise bei stärkerem Wind geflogen, während im Gebirge die Schwachwindtage Vorteile bieten. Weitere Pläne sehen vor, ergänzend zu den Daten des amerikanischen GFS-Wettermodells noch solche von Wettermodellen wie Arome oder ECMWF mit einzubinden. Das könnte die Trefferquote weiter erhöhen. Ob und wann es dazu kommt, ist noch unklar.
Erst einmal gilt es, mit der vorliegenden Version von Paraglidable.com Erfahrungen zu sammeln, wie gut sich das System bewährt. Grundsätzlich steckt hinter der Idee, eine Künstliche Intelligenz Millionen von Wetter- und zugehörigen Flugdaten durchforsten und die Korrelationen analysieren zu lassen, ein immenses Potenzial, um schneller die besten XC-Tage zu erkennen.
Mal wieder einen Aha-Effekt gehabt?
Solche hintergründigen Infos zu neuen Meteo-Angeboten entstammen keiner Künstlichen Intelligenz, sondern bedeuten einiges an Arbeit für die Recherche und die verständliche Aufbereitung. Lu-Glidz kann diesen professionellen Service auf Dauer nur bieten, wenn die Leser das auch finanziell honorieren.
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Danke!
10 Kommentare
Cool.
AntwortenLöschenHoffentlich sind die Prognosen besser als bei https://github.com/ulrichard/flightpred
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
AntwortenLöschenDie Flugwetterprognose ist ein Problem für das AI perfekt sein dürfte. Es ist unscharf definiert, kann also nicht durch einen einfachen Algorithmus gelöst werden. Durch die vielen Flüge und Wetteraufzeichnungen liegen Datenmengen vor, die wahrscheinlich eine sinnvolle Aussage zulassen.
AntwortenLöschenVielen Dank für den Hinweis. Ich werde die Prognosen mit großem Interesse verfolgen und mit der Realität abgleichen.
Und auch hier wieder: läuft nicht mit Firefox, nur unter Chrome. Die neuen Google-APIs jubeln den Entwicklern einfache Programmiermöglichkeiten unter, die ganz zufällig auf die eigenen Datensammelsysteme zugeschnitten sind.
AntwortenLöschenDas war auch schon so bei der Flugvisualisierung der SeeYou-Cloud, und bei dem neuen XContest-Outfit. Über beides hat Lu-Glidz freudig berichtet, in beiden (jetzt drei) Fällen habe ich den Test mit dem verbreitetsten Browser selber nachgezogen und musste die ernüchternde Warnung hier in einem Kommentar unterbringen.
Meine Bitte: ich prüfe solche Dinge ja gerne nach (ist eh mein Job) und helfe mit - aber irgendwann könnte man das auch mal selber machen ;)
Bin mal gespannt. Die gute Übereinstimmung in der Vergangenheit könnte natürlich trügerisch sein. Falls die gezeigten Daten gerade dem Trainingsdatensatz entsprechen.
AntwortenLöschenTobias
@Stephan. Vielleicht musst du mal dein Firefox checken. Bei mir läuft sowohl xcontest als auch Paraglidable auch mit FF. Allerdings sieht es mit Chrome besser und smoother aus...
AntwortenLöschen@stefan
AntwortenLöschenIch finde Lucian ist nicht dafür zuständig zu testen ob es nun in allen Browsern identisch funktioniert. Ich will News zum Gleitschirmfliegen und nicht eine Analyse in welchen Konstellationen eine Website funktioniert oder nicht. Zudem kann ich es auch nicht
Nachvollziehen. Eine solche Website zu betreiben die auf allen Plattformen und Browsern perfekt läuft ist auch ziemlich Zeitaufwändig, dafür bezahlen wollen aber die wenigsten Fluggkollegen.
Und für dich als "Profi" sollte es ja kein Problem sein, für solche Websites halt den Chrome zu installieren. Aber hauptsache man hat dazu einen aus meiner Sicht besserwisserischen Kommentar dazu abgegeben.
Tolle Anwendung von KI. Bin sehr gespannt.
AntwortenLöschenVielen Dank für den Artikel, Lucian!
Eine Anmerkung aus eigener Erfahrung mit KI: Wenn die historischen Daten den Trainingsdatensatz bilden, ist eine perfekte Übereinstimmung in der Rückschau kein Beweis für die Prognosegüte mit unbekannten Daten in der Zukunft.
Hallo Lucian,
AntwortenLöschenwas bedeutet denn die Prozent-Angabe, wenn man einen Startplatz auswählt? Bspw. für den 2.6. werden große Bereiche mit >95% angegeben. Es sind aber viele Spots in rötlichen Tönen zu sehen, die auch nur sehr geringe Prozentwerte aufzeigen. Wird hier etwa Wind- und Startplatzausrichtung berücksichtigt?
Die künstliche Intelligenz von Paraglidable kennt keine Startplatzausrichtung. Die KI hat aber "gelernt", bei welchen Wetterbedingungen, also auch welchen Windrichtungen an den jeweiligen Startplätzen in der Vergangenheit geflogen wurde. Daraus wird dann die Wahrscheinlichkeit für die die Prognose errechnet (Prozentangaben). An einem Startplatz, der nach Westen ausgerichtet ist, wird bei vorherrschendem Ostwind also nur eine geringe Wahrscheinlichkeit für Starts an dem Tag gesehen, und deswegen der Startplatz auch in rot dargestellt.
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