Einige neue High-B Gleitschirme sind im Außenflügel wie Zweileiner aufgehängt. Gehört dieser Bauweise die Zukunft in dieser Klasse? 

Das typische Layout eines 2,5-Leiners: Der Außenflügel
wird nur durch A- und B-Leinen gehalten.
// Quelle: Nova
 

Ozone Rush 6, Nova Mentor 7 light und Flow Freedom 2 sind derzeit die modernsten Vertreter des Leistungsdrangs im High-B-Bereich. Sie haben eines gemeinsam: Der Außenflügel ist bei ihnen nicht mehr mit drei Leinenebenen (A/B/C), sondern nur noch mit zwei (A/B) abgestützt. 

Anders gesagt: Das Leinenlayout des Außenflügels ist das eines Zweileiners, während die Kappenmitte wie ein klassischer Dreileiner aufgehängt ist.

Für diese neue Bauweise kursieren verschiedene Bezeichnungen: hybrider 3/2-Leiner oder auch 2,5-Leiner. (Der Einfachheit halber nutze ich im Text die zweite Variante). 

Die Idee, im Außenflügel auf eine Leinenebene zu verzichten, hatte erstmals Felipe Rezende. Das ist der Konstrukteur der australischen Marke Flow Paragliders. Ihm war vor rund vier Jahren bei Flügen mit einem Dreileiner-Prototyp eines EN-C Schirms aufgefallen, dass die C-Leinen im Außenflügel so gut wie keine Last trugen. Was wäre, wenn man sie einfach wegließe? Schon bald testete er diese Konfiguration in einem neuen Prototyp und war vom Leistungsgewinn angetan. 2019 kam der Fusion als erster 2,5-Leiner auf den Markt (vgl. auf Lu-Glidz: Leistungsdrang (27): Drei-Zweileiner-Hybride).

Mittlerweile ist klar: Dieses Setup funktioniert auch bei Schirmen mit etwas geringerer Streckung zwischen 5,5 und 6,0, wie sie im High-B-Bereich üblich ist. 

Die Dreileiner-Sektion in der Schirmmitte sorgt dort weiterhin für gute Abstützung des Hinterflügels. Die Schirmreaktionen fallen damit auch nach großen beschleunigten Klappern immer noch EN-B-konform aus. Das Zweileiner-Layout im Außenflügel verbessert aber Leistung und Handling, vor allem im beschleunigten Flug. Das hat gleich mehrere Gründe.


Weniger Leinenwiderstand

Der offensichtliche und am leichtesten verständliche Grund ist die Leinenreduktion. Lässt man die C-Ebene im Außenflügel weg, spart man rund zehn Prozent der Leinen, die mit ihrem Luftwiderstand die Gleitleistung des Schirmes mindern. 

Bemerkbar macht sich das vor allem bei einem höherem Tempo. Denn der Widerstand wächst im Quadrat mit der Geschwindigkeit. Ein 2,5-Leiner sollte deshalb im Vergleich mit einem ansonsten identisch aufgebauten Dreileiner beim Beschleunigen eine etwas flachere Polare aufweisen.


Höhere Profiltreue

Der zweite Grund ist komplexer. Er hat mit der Trimmungsänderung des Schirmes entlang der Spannweite zu tun. Tritt man den Beschleuniger, werden typischerweise die A-Ebene voll und die B-Ebene untersetzt nach unten gezogen. Dadurch reduziert sich der Anstellwinkel des Profils. 

Im Außenflügel des Flow Freedom 2 zeigt sich
die Reduktion auf zwei Leinenebenen.
// Foto: R. Blumenthal

Allerdings sind Gleitschirme ja gekrümmt und werden zu den Außenflügeln hin schmaler. Die Änderung des Anstellwinkels ist deshalb nicht überall gleich. Im Außenflügel mit seiner kürzeren Profilsehne, wo die Aufhängung von A-, B- und C-Ebene viel näher beieinander sitzen, wirkt sich das Treten des Beschleunigers (neuerdings auch Fußtrimmer genannt) überproportional aus. Zudem wird dort das Profil in sich stärker verformt. Es entspricht dann nicht mehr dem Ideal.

Bei der Trimmung eines Gleitschirms müssen die Konstrukteure deshalb immer Kompromisse eingehen. Am größten sind diese mit Blick auf die Schränkung und die akzeptable Verformung des Profils im Außenflügel. Gibt es nur noch A- und B-Ebene in diesem Bereich, wird das alles etwas einfacher und aerodynamisch sauberer. 

Bei nur zwei Anlenkungspunkten bleibt die Profilform beim Beschleunigen erhalten. Das Profil kippt um den hinteren Aufhängungspunkt, ohne zu deformieren. Das kann sich in einer besseren Stabilität des Außenflügels auszahlen, was sich wiederum in eine höhere Topspeed ummünzen lässt. Auch das stellt eine Leistungssteigerung dar. 


Leichtere C-Steuerung

Als Drittes ermöglichen 2,5-Leiner eine leichtere und aerodynamisch effizientere Steuerung über die hinteren Tragegurte ("Zweileiner-Feeling"). 

Der Tragegurt des Nova Mentor 7 light: Die äußere
B-Stammleine sitzt auf einem Durchläufer zwischen
A- und B-Gurt. // Quelle: Nova

Fast alle modernen High-B-Schirme verfügen mittlerweile über Griffe o.ä. an den C-Tragegurten, um darüber im beschleunigten Flug Anstellwinkel-Korrekturen durchzuführen, ohne jedes Mal aus dem Beschleuniger gehen zu müssen. Die C-Gurte sind dabei über eine Umlenkung mit den B-Gurten verbunden, um auch diese untersetzt mit auszulenken.

Bei klassischen Dreileinern hat diese C-B-Steuerung allerdings Macken. Denn der Zug an den C-Gurten verstellt nicht einfach nur den Anstellwinkel (wie bei einem klassischen Zweileiner), sondern verformt – trotz der Kopplung mit der B-Ebene – das Profil stets noch ein wenig. Im Außenflügel tritt das am stärksten auf. Es ist die gleiche Problematik wie oben schon bezüglich der Profiltreue beim Beschleunigen beschrieben. 

Bei einem als Zweileiner ausgeführten Außenflügel fällt die Deformation bei der C-Steuerung in diesem Flügelteil weitgehend weg. In turbulenten Luftmassen wird die aerodynamische Güte des Profils durch die steuernden Eingriffe des Piloten weniger gestört. Auch das birgt einen Leistungsvorteil.

Hinzu kommt, dass die C-B-Steuerung bei 2,5-Leinern typischerweise etwas weniger Kraft kostet. Ein Teil der Energie, der in die Verformung des Profils fließt, fällt hier weg.


Nachteile

2,5-Leiner haben freilich auch ihre Nachteile. Der vielleicht größte davon: Mit nur noch zwei Leinenebenen im Außenflügel, die weiter auseinander stehen, muss mehr konstruktiver Aufwand betrieben werden, um das Profil stabil aufzuspannen. Die Flügel müssen deshalb typischerweise mit langen Stäbchen gestützt werden, die fast über die gesamte Profiltiefe reichen. Das mündet in einem größeren Packmaß und erfordert in der Regel besondere Packmethoden, um die Stäbchen z.B. mit Hilfe von Packrollen vor zu engen Knickradien zu schützen. 


Verschiedene Varianten

Schaut man sich die Leinenpläne der drei aktuellen Vertreter der 2,5-Leiner im High-B-Sektor etwas genauer an, so wird man feststellen: 2,5-Leiner ist nicht gleich 2,5-Leiner. Denn der Außenflügel ist jeweils etwas anders aufgehängt. Das beeinflusst die Charakteristik der C-Steuerung.

Das Leinenlayout des Ozone Rush 6. Die B-Ebene des
Außenflügels hängt mit am C-Gurt.
// Quelle: Ozone
Beim Ozone Rush 6 beispielsweise hängt die B-Ebene des Außenflügels mit am C-Tragegurt. Jeder Zug am C-Gurt wirkt sich direkt auf den Anstellwinkel des Außenflügels aus. Das macht auch  Richtungskorrekturen per C-Steuerung leicht möglich.

Beim Flow Freedom 2 hängt die B-Ebene des Außenflügels am B-Gurt, der nur untersetzt mit dem C-Gurt verbunden ist. Um eine ähnliche starke Auslenkung des Außenflügels zu erreichen wie beim Rush 6, ist deshalb ein längerer Zugweg nötig. Die Richtungssteuerung ist eingeschränkt.

Novas Mentor 7 light ist in dieser Hinsicht noch extremer. Hier hängt die B-Ebene des Außenflügels auf einem Durchläufer zwischen A- und B-Gurt (s. Bild oben). So wird also nochmals weniger des Flügels ausgelenkt, wenn man an den C-Gurten zieht. Per C-Steuerung kontrolliert man in diesem Fall fast ausschließlich den Anstellwinkel des Mittelflügels, um diesen stabil zu halten. Für eine Richtungssteuerung ist diese Variante kaum noch geeignet, gesteht Nova-Konstrukteur Philip Medicus ein. Allerdings ergibt sich aus dem Setup der Vorteil, dass der Mentor 7 light die derzeit wohl leichtgängigste C-Steuerung unter den High-B-Schirmen aufweist. 


Thermikfliegen mit C-Steuerung?

Welche der drei Varianten die beste ist, darüber werden die Geschmäcker auseinander gehen. Das hängt auch mit eigenen Vorlieben und Steuertechniken zusammen. 

Bei einem Rush 6 zum Beispiel dürfte der Pilot am C-Gurt ein direkteres Gefühl für das Geschehen am Außenflügel haben – und damit verbunden bessere Eingriffsmöglichkeiten. Möglich wäre hier sogar eine angepasste Steuerung beim Thermikflug. Beim Kreisen lässt sich der Außenflügel des Ruhs 6 nicht nur mit der Außenbremse, sondern auch über die C-Steuerung effektiv stützen. 

Bei einem Mentor 7 light hingegen ist so etwas durchs Leinenlayout gewissermaßen ausgeschlossen. Die C-Steuerung ist auf die Anstellwinkelkontrolle des Mittelflügels im beschleunigten Flug beschränkt.


Die Zukunft

Bleibt noch die Frage, ob sich das Konzept 2,5-Leiner im High-B-Sektor durchsetzen wird? Allein mit Blick auf den potenziellen Leistungsgewinn stehen die Chancen dafür gut. In einigen Jahren könnte diese Bauweise zum neuen Standard und vielleicht sogar zum Definitionsmerkmal für High-B werden – und sei es gar nur als "muss man haben" im Sinne des Marketings. 

Möglicherweise behalten echte Dreileiner neben den 2,5-Leinern aber auch als High-B ihre Berechtigung. Phi beispielsweise bringt derzeit den neuen Maestro 2 auf den Markt. Und zwar als Dreileiner, obwohl die Marke während der Entwicklung auch Protos mit einem 2,5-Leinen-Layout getestet hatte. 

Nach Angaben von Konstrukteur Hannes Papesh zeigte der 2,5-Leiner keine klaren Leistungsvorteile. Die Dreileiner-Variante hätte die Testpiloten unterm Strich mit einem kompakteren Fluggefühl überzeugt, weil Mittel- und Außenflügel irgendwie harmonischer zueinander passten. 

Am Ende ist es halt nicht nur das Leistungsargument, was zählt. 


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