Der DHV hat Neo-Koroyd-Protektoren nachgetestet. Sie erfüllen die EN-Norm. Einige Fragen bleiben aber ungeklärt. 

Verformte Koroyd-Elemente nach dem Testaufprall.
// Quelle: DHV
 
Seit einigen Monaten gibt es in der Gleitschirmszene eine Diskussion um die Sicherheit von sogenannten Neo-Koroyd-Protektoren in Gurtzeugen (s. auf Lu-Glidz: Die Koroyd-Kontroverse).

Es geht um die Frage, ob die darin verbauten, steifen Knautschzonen-Elemente von Koroyd in der Praxis tatsächlich eine ausreichende Dämpfung bieten – vor allem wenn ein Aufprall nicht in einem idealen Winkel erfolgt oder mit deutlich weniger Schwung als im üblichen Protektor-Test gemäß der EN-Norm. 

Die Sache mit dem "deutlich weniger Schwung" mag auf den ersten Blick unlogisch klingen, weil ein schwächerer Aufprall ja zu einer geringeren Belastung des Körpers führen sollte. Allerdings bleiben die Koroyd-Elemente, im Gegensatz zu Schaumstoffprotektoren oder Airbags, anfangs steif und beginnen erst ab einer bestimmten Kraftschwelle sich zu verkrumpeln und Energie aufzunehmen. Bis zu dieser Schwelle verhalten sie sich weitgehend wie ein starrer Körper. Sie könnten also bei schwächeren Einschlägen zu Lastspitzen führen, die im klassischen EN-Test gar nicht auffällig werden, so ein Argument der Kritiker.

46G als Testwert gemäß Norm

Die Zweifel an den Koroyd-Protektoren wurden auch an den DHV herangetragen. Da der Verband in Deutschland als Beauftragter des Bundesverkehrsministeriums zuständig ist für die Sicherheit des Flugbetriebs, leitete er eine offizielle Überprüfung ein. Die ist nun abgeschlossen, und der DHV hat dazu einen Ergebnisbericht veröffentlicht (pdf)

Zusammengefasst lässt sich daraus ableiten: Der getestete Neo-Koroyd-Protektor in der Version 3.0 hält die Grenzen der EN-Norm ein, wenn auch relativ knapp. Die gemessene G-Belastung beim Standard-Falltest lag bei 46, bei einem Grenzwert von 50. 

Der DHV hat auch noch zwei weitere Tests durchgeführt, mit jeweils nur halber Fallhöhe (rund 80 cm) für den Prüfdummy, einmal in sitzender, einmal in zurückgelehnter Position (was einen Aufprall auf dem Rücken simuliert). Auch hier erwies sich der Protektor als wirksam mit G-Werten knapp unter 30. Vergleichswerte typischer Protektoren anderer Bauart für dieses von der Norm abweichende Testsetting hat der DHV im Bericht nicht aufgeführt.

Offene Fragen

Die Ergebnisse bedeuten gewissermaßen einen Freispruch für Neo-Koroyd, zumindest mit Blick auf die EN-Norm. Sie liefern keinen Grund, an der rechtlichen Zulässigkeit des Einsatzes solcher Protektoren in den Gurtzeugen zu zweifeln oder diese gar aus dem Verkehr zu ziehen. 

Die Kritiker des Koroyd-Konzeptes werden sich damit aber kaum zufrieden geben. Denn auf einige der zentralen Fragen hat der DHV keine Antwort geliefert. Wie verhält sich so ein Protektor bei seitlichen Einschlägen? Bieten die Koroyd-Elemente bei schräger Krafteinwirkung auch noch eine ausreichende Dämpfung? Wo genau liegt die Schwelle, ab der ein Koroyd-Protektor überhaupt wirksam wird? Und welche G-Spitzen treten auf, wenn ein Einschlag knapp unterhalb dieser Schwelle bleibt?

Solche Fragen zu beantworten wäre allerdings auch für andere Protektortypen gleichermaßen interessant, um letztendlich eine gute informierte Entscheidung treffen zu können, welchem System man am ehesten vertraut. Vielleicht liefern die Diskussionen um Koroyd ja den Anstoß, um die Anforderungen und die Auslegung der Protektortests gemäß EN-Norm zu überdenken.