Austrocontrol bietet als Ersatz für das regionsbezogene Alptherm nun gerasterte Thermikvorhersagen an. Wie kann man sie nutzen?

Die Tagessumme der potenziellen Flugdistanz zeigt auf
einen Blick die Zonen mit besseren und schlechteren
thermischen Verhältnissen. 
// Quelle: Austrocontrol

Seit Anfang April liefert Austrocontrol seine Thermikprognosen nicht mehr auf Basis des Regtherm-Modells. "Das Nachfolgeprodukt ist für Gleitschirmpiloten weniger nützlich", schrieb ich im Lu-Glidz-Post Alptherm-Ersatz mit Schwächen nach einer ersten Analyse. Dennoch bleibt Austrocontrol nicht nur fürs XC-Fliegen eine interessante Quelle für Thermikdaten rund um die österreichischen Alpen. Gerade wer keine Dienste wie XC Therm, Burnair, Skysight o.ä. abonnieren will, sollte sich mit dem neuen Angebot anfreunden.  


Bei den neuen Thermikprognosen von Austrocontrol werden alle Ergebnisse in einem gleichmäßigen Raster über die Fläche verteilt dargestellt. Die Werte werden direkt aus Daten des Wettermodells ICON-EU des Deutschen Wetterdienstes abgeleitet, das mit einem Raster von 6x6 Kilometern rechnet. Entsprechend zeigen auch die Thermikprognosekarten eine entsprechend gekachelte Auflösung. Fünf verschiedene Variablen lassen sich aufrufen:

  • Potenzielle Flugdistanz (in km pro Stunde, für ein Segelflugzeug berechnet)
  • mittleres Steigen in m/s
  • Thermikhöhe (in Meter überm Meer, AMSL)
  • Thermikhöhe (in Meter über Grund, AGL)
  • Potenzielle Flugdistanz, Tagessumme (in km, für ein Segelflugzeug berechnet)

Wichtig: Bevor man die Thermikprognosen studiert, sollte man sich immer erst ein Bild der Großwetterlage machen. Denn auch bei stärkerem Wind, Gewitter oder Föhn kann es Thermik geben. Diese Wettergefahren sind aus den Thermikprognosen selbst nicht zu erkennen. Nur wenn das allgemeine Flugwetter überhaupt sicher fliegbar erscheint, sollte man sich mit den verschiedenen gebotenen Thermikdaten beschäftigen. Nachfolgend ein Vorschlag, wie man dabei systematisch vorgehen kann.


Wie ist die Tagesqualität?

Als erstes ruft man die Karte potenzielle Flugdistanz Tagessumme auf. Die PFD fasst anschaulich zusammen, in welchen Gebieten an einem Tag gute oder weniger gute Streckenflugbedingungen herrschen. Die Skala reicht von 0 bis 900 km, weil sie sich nicht an den XC-Distanzen eines Gleitschirms, sondern eines Segelflugzeugs orientiert. Man kann die Kilometerangaben in Kategorien für die Thermikqualität übersetzen – analog zum früheren Alptherm. 
  • 0-200 km: kaum
  • 200-400 km: schwach
  • 400-600 km: mäßig
  • 600-800 km: gut
  • >800 km: sehr gut
Als Gleitschirmflieger darf man sich schon über "mäßige" Werte (400-600 km) freuen. Denn diese bieten i.d.R. bereits gut nutzbare Flugbedingungen für XC-Aufgaben.


Wann setzt die Thermik ein?

Nutzbare Thermik schon um 
08 UTC (10 Uhr Sommerzeit)

Für Streckenflieger wichtig ist die Frage, ab wann im Verlauf des Tages die Thermik in nutzbarer Weise durchzieht? Um das zu beantworten, ruft man die Karten mit der stündlichen potenziellen Flugdistanz auf und klickt sich Stunde für Stunde weiter. Die Zeiten sind in UTC angegeben und reichen von 06 bis 18 UTC. Für die Sommerzeit in den Alpen muss man jeweils zwei Stunden hinzuzählen.

Sobald auf der Karte die ersten farbigen und am besten auch schon leicht gelblich gefärbten Quadrate erscheinen, bedeutet dies: Dort ziehen laut Prognose zu diesem Zeitpunkt Thermiken mindestens bis auf 800 Meter über Grund durch – bezogen auf die im ICON-EU Modell ebenfalls im 6-km-Raster hinterlegte Modelltopographie. Natürlich können schwächere, hangnahe Thermiken auch schon früher einsetzen, aber das Obenbleiben wird dann noch erschwert sein. 

Natürlich sollte man sich auch noch die weiteren Werte der stündlichen potenziellen Flugdistanz über den Tag ansehen. Sie geben Hinweise, in welchem Zeitraum die beste Thermikzeit zu erwarten ist, und wie lang die Thermik in den Abend hinein anhält. Ein früher Start und spätes Ende der Thermik sind besonders für große XC-Aufgaben wichtig.


Wie stark wird die Thermik?

Ein Tag mit sehr kräftiger
Thermik auf der
Nordalpenseite

Um einen Eindruck zu bekommen, wie stark die Thermik im Tagesverlauf werden kann, schaut man sich die Karte Mittleres Steigen an. Auch hier empfiehlt es sich, einmal durch alle Stunden eines Tages zu klicken. So kann man gut erkennen, wo und wann die Thermik noch schwach ist, wann sie gut durchzieht und schließlich wieder schwächelt. 

Die Angaben beziehen sich auf das berechnete Durchschnittssteigen eines Segelflugzeugs. Das Eigensinken von 0,8 m/s ist bereits abgezogen. Gleitschirme haben zwar ein etwas höheres Eigensinken, können aber engere Thermikkreise fliegen, sodass am Ende die Werte des Durchschnittssteigens vergleichbar sind. Wer sicher hochkommen will, sollte sie aber ruhig etwas konservativer betrachten. Ein mittleres Steigen von 1 m/s wird aber in der Regel schon nutzbar sein, ab 2 m/s kann man von guter Thermik sprechen.


Wie hoch liegt die Basis?

Thermikhöhe AGL erlaubt
relativen Vergleich von
Regionen

Die Karten der Thermikhöhe von Austrocontrol zeigen per Definition die „Höhe der trockenadiabatischen Konvektion“. An Tagen mit konvektiven Wolken entspricht die berechnete Thermikhöhe also der Wolkenbasis. 

Für die Thermikhöhe bietet Austrocontrol zwei Darstellungsweisen: über dem Meeresspiegel (AMSL) oder über Grund (AGL). 

Anhand der absoluten Thermikhöhe AMSL kann man z.B. gut erkennen, ob die Basis hoch genug liegt, um bei geplanten Streckenflügen auch weitere Talsprünge zu schaffen. Auf diese Werte sollte man schauen, wenn es zum Beispiel heißt: „Du musst auf mindestens 2500m aufdrehen, um Anschluss zu finden“.

Die relative Thermikhöhe AGL hilft beim Vergleich der verfügbaren Arbeitshöhen zwischen verschiedenen Gebieten. In den meisten Fällen werden größere Thermikhöhen (AGL) auch mit einem stärkeren mittleren Steigen und einer größeren potentiellen Flugdistanz korrelieren.

Für größere Streckenflüge ist eine gewisse Mindestarbeitshöhe über Grund wünschenswert.  Hier gilt die Daumenregel: Werte ab 1000 m AGL sind gut, mehr als 1500m AGL sind für die XC-Fliegerei schon als sehr gut einzuschätzen.

Die berechneten Werte der Thermikhöhe bedeuten freilich nicht, dass Höhen immer erreicht werden können. Je nach Luftschichtung können Bärte auch nach oben hin schwächeln. So etwas wird aus der reinen Thermikhöhe nicht ersichtlich.


Gelb ist gut

Am Ende noch ein Tipp und ein Plädoyer fürs Mittelmaß: Wer die Thermikkarten von Austrocontrol studiert, sollte weniger auf die genauen Zahlenwerte achten. Es reicht, die Farben anzuschauen. 

Für alle fünf aufrufbare Variablen gilt dabei: Werden im Umfeld der Flugregion, die man ins Visier nimmt, die angezeigten Kartenkacheln gelb, wird man dort in der Regel mit streckenflugtauglichen thermischen Bedingungen rechnen können. Für weniger erfahrene Pilotinnen und Piloten werden die Verhältnisse dann sogar meistens angenehmer sein, als wenn die Farben schon bis ins rötliche reichen.