UP bewirbt den Kibo X als ersten Mid-B 2,5-Leiner. Sein feinfühlig-agiler Charakter sitzt schon etwas jenseits der Mitte
Groundhandling mit Kibo X vor der Zugspitze // Foto: R. Weber |
Das UP-Entwicklungsteam um den Konstrukteur Franta Pavlousek geht seit Jahren etwas eigene Wege. Heraus kommen häufig Schirme mit etwas höherer Streckung als im klassenüblichen Durchschnitt. Dennoch schneiden diese Modelle bei den Zulassungstests vergleichsweise zahm ab. Frantas Spezialität liegt offenbar darin, leistungstreibende Technologien zu nutzen, diese dann aber nicht komplett auszureizen. Das Ergebnis sind Schirme mit einer gewissen Sportlichkeit, die sich dennoch nicht als "am Limit" gebaut anfühlen.
Der Außenflügel wird nur von A- und gesplitteter B-Ebene gehalten. |
Das soll Leistungsvorteile im Schnellflug bringen, weil nicht nur Leinenmeter eingespart werden, sondern auch das Profil des Außenflügels beim Beschleunigen weniger verformt wird. (Mehr über 2,5-Leiner und ihre Eigenschaften kannst Du auf Lu-Glidz nachlesen unter: Die hybride B-Brut.)
UP vermarktet den Kibo X als den "ersten Mid-B mit 2,5-Leiner-Technologie". Von der marken-internen Einstufung her ist das verständlich, weil es auch noch den Summit X als klaren High-B 2,5-Leiner gibt. (s. Test auf Lu-Glidz) Allerdings sind low, mid und high als Attribute in der Klasseneinteilung nirgendwo eindeutig definiert. Von meiner Einschätzung her, für die ich mehr auf die mentale Beanspruchung des Piloten und die erforderlichen Finessen beim Steuern als auf die Testprotokolle der Zulassungsstelle achte, würde ich den Kibo X im Klassenvergleich durchaus schon oberhalb der Mitte einsortieren. Wo und wie sich das im Flug ausprägt, ist weiter unten in den Testdetails nachzulesen.
Technische Daten (Vergrößern: klick ins Bild) |
Es gibt noch weitere technische Feinheiten. Die Abspannung als 2,5-Leiner hatte ich schon erwähnt. Dafür sind die Außenflügel über fast die gesamte Profiltiefe mit langen Nylon-Drähten abgestützt. Neben dem üblichen, doppelten 3D-Shaping am Obersegel ist an der Front der milden Sharknose-Profilnase noch ein negatives 3D-Shaping zu finden, welches dort die Spannungsverteilung und Formhaltigkeit verbessert (s. Leistungsdrang: Negatives 3D-Shaping).
Als Tuch verwendet UP beim Kibo X das D 30 von Dominico. Das fühlt sich schwer und stabil an, doch insgesamt bleibt das Gewicht des Schirmes mit 4,5 kg in der getesteten Größe SM im heute üblichen Rahmen. Der Leinensatz ist ein Mix aus ummanteltem Dyneema (Stammleinen) und unummanteltem Aramid (Galerien), wobei die Leinen fast durchgängig farbcodiert sind. Die Stabilo-Leine ist dabei in vorbildlicher Weise eindeutig orange abgesetzt.
Der Tragegurt ist mit einer Floating-B-Ebene (auf Durchläufer) ausgestattet und damit für eine leichtgängige BC-Steuerung optimiert. Anders als beim UP Summit X gibt es allerdings keinen seitlich herausstehenden Griff am C-Gurt. Stattdessen dient eine Bandschlaufe zwischen C- und B-Ebene als Handauflage für die BC-Steuerung. Das stellt aus meiner Sicht die bessere Lösung dar. Sie ist nicht nur von der Handstellung her angenehmer zu greifen, sondern auch sicherer, weil sich keine Leinen darin verfangen können.
Starten:
Übersichtlicher Leinensatz des Kibo X // Bilder: Lu-Glidz |
Trotz des schwereren Tuches steigt die Kappe schon auf einen kleinen Impuls hin sehr gleichmäßig, spurtreu und ohne Hängenbleib- oder Schießtendenz bis in den Zenith. Die Startstrecke bleibt relativ kurz.
Es empfiehlt es sich, nur die inneren A-Gurte fürs Aufziehen zu nutzen, um ein Voransteigen der Außenflügel zu vermeiden.
Es empfiehlt es sich, nur die inneren A-Gurte fürs Aufziehen zu nutzen, um ein Voransteigen der Außenflügel zu vermeiden.
Etwas anspruchsvoller wird das Aufziehen des Kibo X nur bei stärkerem Wind. Die Außenflügel tendieren dann dazu, selbständig aufzusteigen. Wer es von seinem Schirm gewohnt ist, so etwas über die C-Ebene zurückzuhalten, wird sich beim Kibo X umgewöhnen müssen. Durch die gewählte Anlenkung als 2,5-Leiner, bei der die Außenflügel nur auf A- und B-Ebene hängen, reicht die Kontrolle über die C-Gurte dafür nicht aus. Man muss sich umgewöhnen und auch am Boden im Starkwind schon viel mit den Bremsen arbeiten.
Stallt man beim Groundhandling den Schirm über die C-Ebene, werden die Außenflügel ebenfalls erst verzögert erfasst. Sie schlagen dann gerne um und verhängen sich in den Leinen. Wer gerne mit seinem Schirm auch Bodenspielereien macht, wird beim Kibo X etwas mehr zu kämpfen haben.
Landen:
So wie das Starten ist auch das Landen mit dem Kibo X problemlos und gut berechenbar. Der Schirm zeigt ein angenehmes Flare-Verhalten mit ausreichend Energie.
Bremsen:
Die Bremsgriffe des Kibo X sind als relativ einfache Gurtbandschlaufe mit einer leichten Verstärkung des soften Stegs ausgeführt.
Raffsystem an der Hinterkante |
Löblich ist der Einsatz von Snaplocks zur Arretierung der Bremse am Tragegurt. Snaplocks bereiten in der Praxis einfach weniger Probleme als reine Magnete oder Druckknöpfe.
Die Bremsen des Kibo X haben einen vergleichsweise kurzen Vorlauf. Auch im Flug muss man selten tiefe Steuerausschläge machen. Die Hinterkante wird durch ein Raffsystem über die gesamte Breite verkürzt. Der Schirm setzt schon kleinere Steuerimpulse sehr willig und direkt um. Die Steuerkräfte liegen im mittleren Bereich und sind von Anfang an spürbar, ohne auf die Dauer ermüdend zu wirken. Zum Stallpunkt hin nehmen sie gut deutbar zu.
Kappenfeedback:
Der Kibo X liefert dem Piloten vergleichsweise viel Feedback. Während die Kappe auf der Nickachse deutlich gedämpft ist, zeigt sie sich auf der Rollachse lebendig. Die Kappenspannung ist hoch, und auch die Außenflügel fühlen sich "unter Druck" an. Selbst in turbulenterer Luft hatte ich nur sehr selten mal einen Raschler, der dann eher ein deutlicher Schnalzer der äußeren Zellen war. Wenn das passierte, gab es zuvor über die Bremsen keine deutliche Vorwarnung. Im Vergleich zum Vorgänger würde ich den Kibo X als weniger gedämpft einstufen.
Der größte Teil des Feedbacks kommt über die Tragegurte und ist als Info über die anliegenden Luftströmungen gut interpretierbar. Zuweilen hebelt die Kappe ein wenig, was eine gewisse Nervosität verbreitet und den Piloten (im Kopf) stärker fordert. Sicherheitstechnisch ist das kein Problem. Mit entspannter Hüfte kann man eine sehr gut funktionierende, stabile Einheit mit dem Schirm bilden. Ich würde allerdings empfehlen, den Kibo X nicht mit allzu kippeligen Gurtzeugen zu kombinieren.
Kurvenflug:
Kurvenflug über der Eifel |
Überhaupt ist es ratsam, den Kibo X viel mit Gewichtsverlagerung zu steuern. Größere Ausschläge mit der Innenbremse sind dann nicht mehr nötig. Auch der Außenflügel muss dann weniger gestützt werden.
Der Schirm lässt sich in Kurven und beim Kreisen schnell nachziehen. Selbst in verschwurbelter Luft macht die Kappe Kurvenwechsel willig mit.
Thermikeigenschaften:
In der Thermik hat mir der Kibo X gut gefallen. Der Schirm beherrscht sowohl das sehr konstante Drehen und selbständige Zentrieren in schwachen Bärten, wo kaum noch ein Nachkorrigieren nötig ist, als auch das beherzte Steilstellen in starken, engen Schläuchen. Die Kappe hängt sich rein und lässt sich selten abdrängen. Die hohe Agilität und Reaktivität erleichtert selbst sehr hangnahes Kreisen und schnelles Nachzentrieren.
In bewegteren Bärten muss der Pilot allerdings mit der gewissen Nervosität umgehen können, die sich aus der erhöhten Rolligkeit des Flügels ergibt. Gerade weniger Erfahrene könnten den Flügel dann schon als relativ anspruchsvoll erleben. Das ist zwar vor allem Kopfsache. Doch selbst wenn man den Kibo X als Mid-B einstuft, würde ich ihn Piloten mit noch wenig Thermikerfahrung nicht als Einstiegsschirm in die B-Klasse empfehlen.
Was die Steigleistung betrifft, erschien mir der Kibo X im direkten Vergleich mit anderen nur durchschnittlich. Wer die hohe Kurvenkonstanz, die Agilität und das gute Kappenfeedback zu nutzen weiß, wird aber keine Nachteile haben. Wer viel in schwächeren Bedingungen (Flachland) unterwegs ist, sollte den Kibo X besser nicht hochbeladen fliegen.
Beschleuniger:
Tragegurt mit BC-Steuerung |
Die Rollen des Beschleunigungssystems sind zwischen A- und B-Gurt eingesetzt. Das erschwert das Handling. Beim Koppeln des Beschleunigerseils muss man besonders aufmerksam sein, den Brummelhaken auf der richtigen Seite des Gurtes noch außen zu führen, damit das Seil im Flug auch wirklich frei läuft.
Voll beschleunigt konnte ich einen Geschwindigkeitszuwachs von +12 km/h über Trimmspeed erfliegen. Das sind rund 2 km/h mehr als beim Vorgänger.
Trotz der spürbaren Rolligkeit in der Thermik entwickelt der Kibo X im beschleunigten Geradeausflug kein störenden Rollen, sondern überzeugt mit einem guten Geradeauslauf. Mögliche Rollansätze lassen sich über ein leichtes, beidseitiges Ziehen der BC-Steuerung schnell beruhigen.
Die BC-Steuerung ist gut nutzbar. Unbeschleunigt erfordert sie zwar für meinen Geschmack noch etwas zu viel Kraft, um sie über längere Zeit fürs Steuern oder gar beim Thermikkreisen einzusetzen – zumal die untersetzte Anlenkung des Außenflügels dafür zu wenig direkte Pitchkontrolle ermöglicht.
Im beschleunigten Zustand wird die BC-Steuerung aber leichtgängig und feinfühlig. Man bekommt darüber ein gutes Feedback der Kappe. Damit ist der Kibo X ein interessanter Flügel, um sich im aktiven Fliegen über die BC-Steuerung zu üben. Dank der hohen Pitchdämpfung des Profils sind selten einmal ausgeprägte Eingriffe nötig.
Die Griffschlaufe der BC-Steuerung sitzt zwischen C- und B-Gurt auf einer angenehmen Höhe. Man kann seine Arme einfach hineinhängen. Dabei ist es ratsam, (halbe) Wicklungen der Bremse zuvor komplett zu lösen, damit die Hinterkante im beschleunigten Flug überhaupt nicht angebremst ist. Nur dann wird die eingebaute Pitchdämpfung des Profils entlastend wirksam.
Ohren anlegen:
Das Anlegen der Ohren ist mit dem Kibo X ungewohnt schwergängig und erfordert viel Kraft. Man muss hoch in die Leinen greifen, um den Flügel sauber "brechen" zu können. Piloten mit kürzeren Armen und schwächeren Muskeln könnte dieser "Klimmzug" unter Umständen schon so schwer fallen, dass das in einer Stresssituation wie einem starken Aufwind unter einer Wolke kein Spaß mehr ist. Wer den Kibo X testet, sollte unbedingt ausprobieren, ob er mit diesem Manöver zurecht kommt.
Auch die Haltekräfte sind hoch. Die Ohren entwickeln einen ständigen Öffnungszug. Wer längere Zeit mit angelegten Ohren fliegen muss, kann schwere Arme bekommen. Immerhin bleiben die Ohren des Schirmes weitgehend ruhig. Die Öffnung erfolgt spontan und schnell.
Steilspirale:
Auch dieses Abstiegsmanöver ist vergleichsweise anspruchsvoll. Der Schirm kippt willig und überraschend schnell in die Spirale ab. Hier ist ein feines Händchen gefragt. Wer noch wenig Erfahrung mit Spiralfliegen hat, sollte sich mit dem Kibo X sehr vorsichtig herantasten. Einmal in der Spirale drin, ist weiter eine feinfühlige Steuerung gefragt. Die Spirale genauer zu dosieren, um auch moderate Sinkwerte länger konstant zu halten, ist mit dem Kibo X nicht ganz einfach.
Die Spiralausleitung wiederum ist unproblematisch. Der Kibo X richtet sich willig auf und dreht nicht lange nach.
Nicken:
Das Profil des Kibo X bietet im Flug eine angenehm hohe, aber noch nicht übertriebene Nickdämpfung. Den Piloten entlastet das in willkommener Weise beim aktiven Fliegen, ohne die nutzbare Dynamik des Schirmes allzu stark einzuschränken.
Rollen:
Der Kibo X ist ein vergleichsweise rollfreudiger Schirm. Er spricht sehr gut auf Gewichtssteuerung an. Selbst ohne weiteren Bremseinsatz sind bereits hohe Kurvenausschläge möglich.
Packen:
Der Kibo X erweckt auf den ersten Blick mit seinem schweren Außenstoff den Eindruck, ein größeres Packmaß zu benötigen. Tatsächlich bleibt aber alles in einem normalen Rahmen. Trotz der C-Wires im Außenflügel benötigt der Schirm auch keine speziellen Packtechniken oder Anti-Knick-Rollen.
Qualität:
Klebesegel in Zugrichtung auf den Diagonalen |
Fazit:
Der UP Kibo X zeigt, dass das 2,5-Leiner-Konzept auch bei einem als Mid-B titulierten Schirm funktioniert. Allerdings geht der Kibo X mit seiner projizierten Streckung von 4,4 durchaus auch als High-B durch. Auch von den Leistungsdaten und dem Pilotenanspruch her, ist er für mein Empfinden kein klassischer Mid-B mehr, sondern schon jenseits der Mitte und etwas höher als sein Vorgänger angesiedelt. Dieses Gefühl wird vor allem durch die Kippeligkeit um die Rollachse in bewegten Luftmassen genährt. Das damit verbundene, agile und feinfühlige Kurven- und Thermikhandling des Kibo X gehört dafür mit zum Besten, was man in diesem Sektor finden kann. Das kraftraubende Ohren-Anlegen und die sensible Spiraleinleitung sind hingegen gewöhnungsbedürftig. Vom Charakter her würde ich dem Schirm ein breites Einsatzfeld zuordnen. Er ist in den Bergen genauso zu Hause wie im Flachland (dort besser nicht zu hoch beladen). Die leichtgängige und gut nutzbare BC-Steuerung wird XC-Kilometerfresser freuen. Das einfache und sehr verlässliche Startverhalten lässt auch suboptimale Startplätze zu. Eine erwartbare Leichtversion (Lhotse X) dürfte sich damit auch als interessanter Hike-and-Fly-Flügel empfehlen.
2 Kommentare
Hallo Lucian, danke für deinen ausführlichen Test. Ein kurze Frage hätte ich noch bezüglich des Tragegurtes. So wie ich es sehe ist die B-Ebene hängt "nur" auf dem Umlenkrolle drauf und ist nicht redundant gesichert.. ist das korrekt?
AntwortenLöschenSiehe auch dein Bericht -> https://lu-glidz.blogspot.com/2024/01/der-makel-der-durchlaufer-b.html
Vorab schon ein Danke für deine Rückmeldung.
Gruß
Martin
@Martin: Das hast Du richtig gesehen. Die B-Ebene ist nicht redundant gesichert. Ob das erforderlich ist, muss jeder selbst entscheiden. Nach Gesprächen mit verschiedenen Konstrukteuren sehe ich die Sache nicht mehr so kritisch. Diese Seile der B-Durchläufer sind von der Last her weit überdimensioniert. Der Pilot trägt halt auch Verantwortung, dass er darauf achtet, wenn am Tragegurt Abnutzungsspuren erkennbar werden. Die B-Durchläuferseile lassen sich dann relativ leicht austauschen...
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