Der Epsilon 9 beim Start am Osthang von Skopia in Griechenland. // Fotos: Lu-Glidz |
Die im folgenden beschriebenen Eindrücke zum Advance Expsilon 9 habe ich in circa acht Flug- und Groundhandlingstunden unter unterschiedlichen Bedingungen im Westerwald und in Griechenland gewonnen. Geflogen bin ich den Epsilon 9 in der Größe 26 (80-100 kg) mit rund 92 kg Startgewicht. Das Gurtzeug war ein Karpofly Extra Light (Liegegurtzeug). Der Schirm wurde mir für den Test freundlicherweise von Advance zur Verfügung gestellt.
Die Bauserie Epsilon ist eine der erfolgreichsten von Advance. Lange Zeit war der Epsilon das einzige Advance-Modell in der B-Klasse – bis die Iota-Reihe im High-B-Sektor gestartet wurde. Seither stellt sich die Frage, wo die Epsilon-Reihe einzuordnen ist. Eher als Low- oder Mid-B? Beim Übergang von Epsilon 8 zum Epsilon 9 zumindest ist schon allein von den technischen Daten und Details her zu erkennen, dass Advance beim "Neuner" etwas an der Leistungsschraube gedreht und diesen einen Ticken sportlicher positioniert hat. Das dürfte sich auch im Fluggefühl auswirken (wobei ich gestehen muss, den Epsilon 8 nie geflogen zu sein, also keine direkten Vergleiche ziehen kann).
Beim Epsilon 9 setzt Advance erstmals auf dünne Stammleinen aus ummanteltem Dyneema. |
Etwas überraschend für Advance ist der Philosophie-Wechsel bei der Beleinung. Bisher setzten die Schweizer stets auf Leinensätze, die komplett aus Aramid (Technora) als Leinenmaterial bestehen – der besseren Längenbeständigkeit wegen. Beim Epsilon 9 kommt nun erstmals bei den Stammleinen in den unteren Leinenstockwerken auch ummanteltes Dyneema (Liros PPSLS) zum Einsatz, was dünnere Leinenquerschnitte erlaubt, aber als etwas anfälliger für Längenänderungen gilt. Die Bremsleine wiederum ist, bis auf den unteren Zugbereich, unummantelt ausgeführt. Insgesamt führt dies zu einem in der Summe verringerten Gesamtleinenwiderstand im Flug.
Das Profil des Epsilon 9 weist eine milde Shark-Nose auf. Die relativ steifen Stäbchen reichen am Obersegel rund 50 Zentimeter weit, was keine Packprobleme bereitet. Als Tücher kommen Porcher Skytex 38 universal und Skytex Easyfly (Untersegel) zum Einsatz. Dank stark ausgeschnittener Profilrippen und feiner Streifendiagonalen bleiben das Schirmgewicht (4,65 kg in der Größe 26) und das Packmaß dennoch moderat. Daran sollte ein Hike & Fly mit dem Epsilon 9 jedenfalls nicht scheitern.
Der Epsilon 9 füllt sich beim Start sehr harmonisch über die gesamte Spannbreite. |
Das Aufziehen des Schirmes stellt mit dem Epsilon 9 keinerlei Probleme dar. Es empfiehlt sich, nur die inneren A-Gurte zu verwenden. Auch so füllt die Kappe gut über die gesamte Spannweite und steigt auf einen mittleren Impuls hin spurtreu nach oben.
Beim Aufstieg will die Kappe konstant leicht auf Zug gehalten werden, sonst kann sie auf halbem Weg etwas hängen bleiben oder gar zurückfallen. Zieht man an diesem Punkt allzu stark nach, tendiert der Epsilon 9 etwas dazu, zu überschießen und muss abgefangen werden. Wer von einem EN-A aufsteigt, sollte sich erst am Übungshang auf dieses etwas sportlichere Verhalten einstellen. Wer so einen Charakter schon von anderen Schirmen her kennt, wird allerdings keine Überraschungen erleben. Mit passender Beinarbeit (ein, zwei Schritt entgegenlaufen), bleibt der Epsilon 9 handzahm.
Besonders gut hat mir die Kontrolle des Schirms im Starkwind gefallen. Die Kappe lässt sich problemlos am Boden halten, ohne dass die Ohren tanzen und schlagen (was z.B. bei den größeren Brüdern Iota und Xi zuweilen stören kann). Groundhandling über A- und C-Ebene ist eine spaßige Angelegenheit. Hier kommt dem Piloten der griff-freundlich relativ simpel und unverbaut gehaltene Tragegurt entgegen, der ein schnelles Umgreifen zwischen den Gurten und auch das kraftarme Steuern und Stallen über die C-Ebene erlaubt. Kobra-Starts funktionieren prima. Der Schirm empfiehlt sich damit auch für Sandkasten-Spielereien an der Küste.
Der Tragegurt des Epsilon 9: Zwei mal A-, dann B- und C-Ebene. Die Bremsschlaufe ist griffig und dockt magnetisch am C-Gurt an. |
Die Bremsschlaufen besitzen einen dickeren, aber weichen Steg. Sie lassen sich gut greifen, auch mit halber Wicklung.
Fixiert werden die Bremsgriffe am Tragegurt mit großen, plastiküberzogenen Magneten, die eine ausreichende Haltekraft besitzen. Der Bremssteg ist nicht fest vernäht, sondern eingeschlauft. Das ist eine löbliche Lösung, weil sie u.a. die Option eröffnet, den Schirm leicht auf Free-Brakes (für Acro-Einsteiger) umzurüsten.
Die Kappe des Epsilon 9 "durchleuchtet": Fingerdiagonalen, mehrere Spannbänder, Miniribs. |
Der wichtigste Info-Kanal läuft über die Tragegurte. Hier ist der Epsilon 9 auf der Rollachse durchaus plapperfreudig, ohne unangenehm zu werden. Wer von stärker gedämpften (EN-A) Schirmen kommt, wird sich an das häufigere Zuppeln und Ruckeln im Gurtzeug gewöhnen müssen. Man wird aber nicht umher geworfen, sondern nur immer wieder mal "angestupst". Bei den Bremsen muss man schon etwas genauer hinfühlen, kann darüber in kräftigeren Thermiken aber durchaus noch hilfreiche Inputs zur Lage des Steigkerns bekommen. Letztendlich wird man aber merken, dass der Epsilon 9 häufig am besten fliegt, wenn man ihn eher zurückhaltend pilotiert: Einfach laufen und machen lassen.
Harmonisches Auskurbeln der Thermik. |
Das geht auf diese Weise von flach bis steil, von weiten bis ganz engen Kurven. Und selten einmal muss man als Pilot nach der Einleitung noch nachdrücken, um die Kurvenbahn durchzuziehen. Dieser Charakter ist im Klassenvergleich wirklich herausragend (da dürfen auch Piloten eines Iota oder Xi neidisch werden).
Besonders harmonisch wird das alles, wenn der Epsilon 9 mit deutlichem Gewichtseinsatz geflogen wird. Dann wird man feststellen, dass in der Regel ein Bremsweg bis Karabinerhöhe schon vollkommen ausreicht, um den Schirm im Thermikflug effizient zu pilotieren. Nur wer ums Eck "springen" will, muss schon noch deutlichere Impulse geben.
Ein Blick ins ausgedünnte Innenleben: Die Profile sind stark ausgeschnitten, die Diagonalen nur als fingerartige Streifen ausgeführt. |
Wie Ion 4/5 besitzt der Epsilon 9 ein stark nickgedämpftes Profil, d.h. er fängt ein Vorschießen selbst schnell ein. Beim Einflug in die Thermik verhält sich der Schirm weitgehend neutral, pitcht kaum vor, bleibt aber auch nicht hängen. Ähnlich beim Herausfallen aus den Blasen: Selten einmal ist vom Piloten eine stärkere Abfangreaktion gefragt.
Der Epsilon 9 ist übrigens kein ausgesprochener Flachkurbler mit einer erkennbaren Lieblingsschräglage, über die man die Kappe immer erst hinaus zwingen muss. Vielmehr fühlt sich der Schirm in allen Schräglagen spürbar wohl.
Die Eintrittskante ist schon am Boden gut vorgeformt. |
Sehr gut hat mir die Anstell- und Richtungskontrolle des beschleunigten Schirmes über die C-Ebene gefallen. Der Epsilon besitzt keine eigenen C-Handles, lässt sich aber sehr gut direkt an den C-Gurten greifen. Das nickgedämpfte Profil verlangt vom Piloten eh wenig Pitchkontrolle. Im beschleunigten Flug ist das beim Epsilon 9 mit leichten Inputs erledigt (C-Gurt nach hinten, nicht nach unten ziehen!). Aber Vorsicht: Die C-Ebene des Schirmes ist nur wenig belastet. Man sollte nicht grobmotorisch zu Werke gehen, sonst kann man schnell etwas überziehen, einen deutlichen Knick zwischen B- und C-Ebene im Segel erzeugen und so auch wieder Leistung vernichten. Zur Richtungssteuerung drückt man den entsprechenden C-Gurt am besten seitlich nach innen, wodurch vor allem der Außenflügel stärker angestellt und eine leichte Kurve eingeleitet wird.
Die angelegten Ohren des Epsilon 9 bleiben klein und ruhig. |
Steilspirale: Die smoothen Übergänge im Kurvenflug zeigt der Epsilon 9 auch bei der Spiraleinleitung. Sie braucht etwas Nachdruck, erfolgt dann aber ohne Schreckmoment für den Piloten. Die Sinkwerte in der Spirale lassen sich gut kontrollieren, bei Bedarf einbremsen oder nachziehen. Bei mäßigen Spiralen hat der Schirm kaum eine Nachdrehtendenz und richtet sich ohne Verzögerung wieder auf.
Nicken: Der Epsilon 9 ist im Normalflug sehr pitchneutral. Induziert man Nickbewegungen über die Bremse, wirkt der Schirm etwas weniger gedämpft und lässt damit auch Spielraum, für dynamischere Manöver (vor allem, wenn man den Schirm etwas höher belastet fliegt).
Das Profil des Epsilon 9 nach außen gekehrt: Eine milde Shark-Nose mit steifen, gekreuzten Stäbchen. |
Packen: Der Epsilon 9 besitzt steife Stäbchen, aber nur in der Eintrittskante. Man sollte sie am besten aufeinander legen, um sie nicht ungewollt in einem engen Radius zu knicken. Davon abgesehen lässt sich der Schirm völlig problemlos packen und auch stärker komprimieren (hier hilft das ausgedünnte Innenleben, das von viel überflüssiger Stoffmasse befreit ist).
Ich habe den Schirm in Größe 26 für längere Wanderungen zum Startplatz sogar problemlos in einem kleinen Kompressions-Zellenpacksack von Gin (Größe 2,7) untergebracht. Mitgeliefert wird von Advance ein Innenpacksack, der mit einem seitlichen Reißverschluss auch etwas komprimiert werden kann.
Laufen Gurtbänder durch Metallringe, sind sie gegen ein Verdrehen gesichert. |
Die Schmutzauslassöffnungen am Stabilo sind angenehm groß ausgeführt und mit einer Tuchstulpe versehen, um sie bei Bedarf offen zu halten. Zudem sind die Rippen und Minirippen hinten so ausgeschnitten, dass an der Hinterkante eine Art Kanal offen bleibt, über den Sand und anderer Kleindreck zu den Flügelseiten hin abfließen kann. Küstenflieger, deren Kappen öfter mal Sand "fressen", werden das zu schätzen wissen.
Kritisch anzumerken bleiben nur kleinere Details des Leinensatzes. Da die meisten Piloten, die einen solchen Schirm wählen, kaum damit Rekorde fliegen wollen, halte ich es für unnötig und des öfteren störend im Alltag, die Bremsspinne aus so dünnem, unummanteltem Material auszuführen.
Bei Stammleinen aus Dyneema ist zudem eher zu erwarten, dass sie nach einer gewissen Flugzeit einmal einem Trimmtuning unterzogen werden sollten. Hier hätte Advance vorsorglich ab Werk zumindest die C-Ebene an den Leinenschlössern einmal schlaufen können, um von Anfang an mehr Trimmspielraum zu schaffen. Der Flugqualität des Flügels tun solche Eigenheiten allerdings keinen Abbruch.
Fazit: Mit dem Epsilon 9 ist Advance ein ausgesprochen "runder" Mid-B-Schirm gelungen, der mit einem besonders harmonischen Thermikverhalten glänzt. Die Saga von der eierlegenden Wollmilchsau, die Nova schon vor Jahren für seine Ion-Reihe bemühte, bekommt hier einen neuen, attraktiven Allrounder als Protagonisten. Mit der etwas reduzierten Top-Speed macht der Epsilon 9 zwar nicht gleich auch den High-B-Schirmen Konkurrenz. Doch wem es darum geht, sich ohne ständiges Gerudere selbst in vertrackte und versetzte Thermikblasen zu hängen und dazwischen mit Halbgas entspannt auf Strecke zu gehen, für den wird der Epsilon 9 häufig sogar die bessere Wahl sein. Das gilt auch für Flachlandflieger. Als semi-light Schirm mit gutem Packmaß ist der Epsilon 9 sogar für gelegentliches Hike-and-Fly eine gute Wahl (mit kleinen Abstrichen wegen der etwas schlingfreudigen, dünnen Bremsleinen).
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In meinen Schirmbeschreibungen bemühe ich mich um ein möglichst differenziertes Urteil, bei dem ich wichtige Details zu Aufbau und Handling der Schirme herausarbeite. Das ist freilich mit einigem Aufwand und Erfahrung verbunden. Solche Texte schreiben sich nicht "mal eben so". Dahinter steckt viel Arbeit, und die würde gerne auch entlohnt werden.
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9 Kommentare
Hallo
AntwortenLöschenSuper Bericht.
Ich hätte eine Frage bezüglich des Beschläunigers.
Ich bin vorher einen Mojo5 geflogen, bei diesem ist der Beschläuniger mit wenig Kraftaufwand bedienbar gewesen.
Beim Epsilon muß ich schon fast ein wenig Gewalt anwenden um den Beschläuniger überhaupt ein wenig gedrückt zu bekommen.
Kann das sein dass hier so Große Unterschiede herschen?
MFG
Manuel Galler
@Manuel: Ja, beim Beschleuniger gibt es große Unterschiede im Kraftaufwand zwischen verschiedenen Modellen. Das hat unterschiedliche Gründe: Positionierung von A und B am Segel, werden die B mit heruntergezogen, Auftriebsverteilung des Profils, Größe der Beschleunigerrollen etc. Bei manchen Schirmen gibt es gerade am Anfang einen größeren Widerstand, sobald man den einmal überwunden hat, geht es deutlich leichter. Das kann auch mit der Position des Beschleunigers zusammenhängen. Je nachdem, mit welchem Beinwinkel man die ersten cm treten muss, geht das gefühlt leichter oder schwerer.
AntwortenLöschenHallo lucilian, ich hätte eine Frage bez. Des untersegels. Auf der Advance Website steht bei den Daten: Obersegel und Eintrittskante 39g/m2, untersegel easyfly 40 g/m2 (screenshot sende ich dir per Mail). Das muss doch ein druckfehler sein? Ausserdem verstehe ich nicht, wie dann das Gewicht unter 5 kg gehalten werden könnte, trotz der Aussparungen bei den Zellwänden, oder ist das ein neues Design, hat bestimmte Vorteile, und die Angaben sind richtig?
AntwortenLöschenThomas Ruff, München
@Thomas: Ich denke solche Fragen sind am besten beim Hersteller selbst aufgehoben. Grundsätzlich ist für das Gewicht eines Schirmes das Innenleben aber mindestens genauso ausschlaggebend wie die Tücher an Ober-und Untersegel. Mit starken Aussparungen an den Profilen und den "Slized Diagonals" ist da im Eps 9 einiges an Stoff "nicht mehr" vorhanden, der ins Gewicht fällt. Da kann man auch mit einem 40 Gramm Tuch im Untersegel Schirme bauen, die unter 5 kg wiegen.
AntwortenLöschen@Lucilian ok. Wäre nur interessant, warum das genau bei diesem Schirm so gemacht wird. So gut wie alle Hersteller verbauen bei so gut wie bei allen Schirmen im untersegel leichteres Material als im Obersegel, logisch, da dieses ja auch deutlich weniger beansprucht wird. Dann wäre es doch geschickter, das robustere 40er im Obersegel, und das etwas dünnere 39er im untersegel zu verbauen. Oder, falls das 39er aufgrund einer neuen Technologie z.B. Robuster ist als das 40er. Dann verstehe ich aber nicht, warum das 40er überhaupt verbaut wird, ausser aus Preisgründen. Wenn ich bei Advance dazu etwas erfahre, werde ich es hier Posten.
AntwortenLöschen@Thomas. Es gibt einige Hersteller, die bei Schirmen im Untersegel das 40er Eazyfly-Tuch von Porcher nutzen. Am Untersegel liegen weniger Lasten an, auch die UV-Belastung ist geringer. Da kann man dieses etwas einfacher aufgebaute Tuch verwenden. Ist günstiger. Bei Schirmen mit mehr Zellen, also auch mehr Rippen etc., nimmt man dann am Untetsegel gerne ein leichteres Tuch, um da Gewicht zu sparen.
AntwortenLöschen@Lucilian: Jetzt ist es klar, danke für deine Info!
AntwortenLöschen@Lucian
AntwortenLöschenIst eine Review zum Epsilon DLS geplant?
LG Daniel
Er steht auf der Liste potenzieller Testschirme. Aber da stehen viele Schirme drauf, und mein Zeitbudget ist begrenzt. Zudem muss das Wetter mitspielen und zum passenden Zeitpunkt muss ich an einen Tester kommen. Ich kann also nichts versprechen.
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