Aus dem "Gespenst" einer möglichen Pandemie des Corona-Virus ist binnen kurzer Zeit bittere Wirklichkeit geworden. Der Gleitschirmszene stehen harte Zeiten bevor.

Die Corona-Pandemie beherrscht auch die Gleitschirm-Szene.
// Collage: Lu-Glidz
Wichtiger Hinweis vorab: Über die Folgen des Corona-Virus zu schreiben ist nicht leicht. Denn man läuft immer Gefahr, als Überbringer schlechter Nachrichten von den einen als Panikmacher, von den anderen immer noch als Verharmloser kritisiert zu werden. Ich könnte es mir einfach machen und Corona auf Lu-Glidz nicht mehr thematisieren. Wer nichts schreibt, der kann auch in Kommentaren nicht angegriffen werden. Und ohne Corona-Posts, böte Lu-Glidz auch keine Plattform für manchmal unschön ausartende Kommentarschlachten zum Thema. Ich habe mich aber entschieden, derlei "Nebenwirkungen" weiter in Kauf zu nehmen. Denn die Corona-Pandemie und deren Folgen für unseren Sport sind zu bedeutend, als dass man sie ausblenden könnte. Allerdings werde ich gerade beim Thema Corona ein striktes Kommentar-Hygiene-Management betreiben. Auf Lu-Glidz sind ab sofort nur noch Kommentare zulässig, die zum einen den Kommentar-Regeln entsprechen, und die zusätzlich mit einem vollständigen Realnamen (Vor- und Nachname) sowie dem Herkunftsort gekennzeichnet sind. Alle anderen werden ausnahmslos gelöscht bzw. sie werden erst gar nicht erscheinen. Denn bis auf weiteres habe ich die Kommentarfunktion des Blogs so umgestellt, dass alle Kommentare erst von mir freigegeben werden müssen. Wer also meint, unbedingt anonym kommentieren zu wollen, kann sich die Zeit des Tippens gleich sparen. Allen anderen gebe ich mein Wort: Alle Kommentare, die sich an eine respektvolle Form und geforderte namentliche Kennzeichnung halten, werde ich ganz sicher "durchwinken". Nun aber zum eigentlichen Thema:


Die Lage ist Ernst! Die Corona-Pandemie ist auf dem Weg, und sie ist auch auf dem Weg, zur größten Krise in der Geschichte der Gleitschirmszene zu werden. Damit sind allerdings nicht die möglichen Beeinträchtigungen der Gesundheit von Piloten gemeint, sondern das gesellschaftliche und wirtschaftliche Umfeld, indem wir unseren Sport ausüben. Was da in diesem Jahr noch alles auf uns zukommt, ist kaum absehbar. Nur manche Trends sind schon zu erkennen.

In Italien beispielsweise ist das Gleitschirmfliegen derzeit de facto "gegroundet", weil die Menschen sich allgemein nicht mehr frei bewegen dürfen. Fast im gesamten Alpenraum sind die Bergbahnen still gelegt. Wer fliegen gehen will, muss auf lokales Hike-and-Fly setzen. Größere XC-Abenteuer, wie sonst im jetzt anstehenden Frühjahr, wird man da kaum noch anstreben wollen. Denn keiner kann wissen, wie gut man aus fernen Regionen wieder zurückkommt. Per Anhalter eine Mitfahrgelegenheit zu erwischen, ist in diesen Zeiten der Vorsicht und des Abstandhaltens deutlich erschwert.

Der italienische Gleitschirmverband FIVL hat konsequenterweise sogar schon die nationale Online-Wertung im XContest ausgesetzt. Kein Pilot soll animiert werden, die mangelnde Konkurrenz in Krisenzeiten auszunutzen und sich mit langen Flügen vielleicht einen Vorteil zu verschaffen. Es wäre nicht verwunderlich, wenn die Verbände anderer Länder bald mit ähnlichen Argumenten nachziehen und ihre Online-Contests aussetzen.

Mit bangem Blick schauen die Flugschulen und dort beschäftigte Fluglehrer-/innen in die Zukunft. Anfängerschulungen an kleinen Übungshügeln sind mancherorts derzeit noch möglich. Doch für Kurse mit Höhenflügen im Alpenraum gibt es auf absehbare Zeit keine Planungssicherheit. Sie könnten unter Umständen noch für einige Monate ausfallen – und damit die Einnahmen aus entsprechenden Kursgebühren. Schon jetzt haben manche größere Flugschulen damit begonnen, ihr Personal zu reduzieren. Fluglehrer erhalten die Kündigung und müssen sich arbeitslos melden. Wer als freier Fluglehrer auf Basis von Tageshonoraren arbeitet, steht mit leeren Händen da.


Dämpfer mit Fernwirkung

Bedenklich ist dabei: Diese Krise wird nicht gleich vorüber sein, selbst wenn im besten Fall schon in einigen Wochen die Corona-Welle ihren Schwung verlieren und die Gesellschaft wieder an Freiheit gewinnen sollte. Für die Gleitschirmszene wird die aktuelle Lage als deutlicher Dämpfer auch noch Fernwirkungen entfalten.

Jeder potenzielle Flugschüler, der in diesem Frühjahr keinen A-Schein macht, wird auch später im Jahr nicht nach dem B-Schein streben und dann vielleicht im nächsten Winter auch (noch) keinen Fliegerurlaub bei seiner Flugschule buchen, usw. Diese Einnahmekette als Mischkalkulation ist für die Flugschulen aber enorm wichtig, da sie mit den Kursgebühren für einen A-Schein allein kaum tragfähig wirtschaften können.

Der Ausfall bei den Kursen bedeutet auch einen Ausfall beim Materialverkauf. Und das bekommen dann nicht nur die Flugschulen, sondern auch die Gleitschirmhersteller zu spüren. Für sie ist das Massengeschäft mit A- und B-Schirmen eine wichtige Grundlage; und dafür braucht es einen steten Strom von Neulingen, die sich erst den A- und in der Regel wenig später einen B-Schirm kaufen. Derlei Investitionen fallen nun aber aus oder werden erst einmal zurückgestellt.

Manche Hersteller haben schon damit begonnen, sich für die absehbar härteren Zeiten zu wappnen. Es wurden schon Team-Piloten-Treffen und Sponsoring für Events in Europa abgesagt, auch wurden Anzeigen in Gleitschirm-Magazinen gecancelt. Wenn das die Runde macht, dürften Thermik, Cross Country & Co in nächster Zeit eher etwas dünnere Heftchen liefern.

Große Fragezeichen gibt es auch für den kompletten Wettbewerbs-Betrieb in diesem Jahr. Deutsche und Österreichische Liga, Swiss League, PWCs, die Gleitschirm-Europameisterschaft im Juli in Serbien, alle Events des Acro-Weltcups einschließlich der Acro-Weltmeisterschaften im August in Italien stehen derzeit unter Vorbehalt. Vielleicht wird 2020 gar als das Corona-Jahr ohne Meisterschaften in die Gleitschirm-Geschichte eingehen.


Hausbergflieger im Vorteil

Am wenigsten betroffen von dem ganzen Schlamassel sind derzeit alle schon fertig geschulten Ottonormal-Piloten, die sich auch mit Hausbergfliegerei zufrieden geben. Sie werden vielleicht des öfteren zum Startplatz wandern müssen. Aber das können sie mit dem guten Gefühl tun, dabei ihr Immunsystem an frischer Luft und unter der desinfizierenden UV-Strahlung der Sonne zu trainieren. So gesehen erscheint Gleitschirmfliegen fast als Idealsportart in Zeiten einer Pandemie.

Ganz unbeschwert wird man allerdings dann doch nicht in die Luft gehen können. Gleitschirmfliegen ist kein Muss für die Gesellschaft, sondern purer individueller Luxus und Lustgewinn, bei dem wir auch ein gewisses Unfallrisiko in Kauf nehmen. Im normalen Alltag ist dieses Risiko durch die Strukturen von Rettungs- und Gesundheitssystemen gut abgedeckt bzw. es gilt als vertretbar. In Zeiten mit wachsender und zum Teil schon extrem hoher Belastung von Kliniken etc. durch Corona-Fälle ist jeder von vornherein vermiedene (Un-)Fall ein Segen; und zwar nicht nur für den Betroffenen, sondern auch für viele andere.

Vielleicht ist es oder wird es noch allgemein ratsam, den Sturm der Corona-Pandemie am Boden auszusitzen.