Der Gradient Golden 5 beim Test unter dem Himmel der Vogesen. // Fotos: Lu-Glidz |
Die Golden-Serie von Gradient gehört zu jener Kategorie von Schirmen, deren bewährtes Grundkonzept seit Jahren beibehalten und nur in kleinen Schritten weiterentwickelt wird. Auch der Golden 5 ähnelt von Grunddaten wie der Streckung (5,34) her seinen Vorgängern. Im Detail gibt es einige deutlichere Wandlungen als noch bei früheren Modellwechseln. Die Fläche ist in der Größe 26 um rund einen halben Quadratmeter geschrumpft, die projizierte Streckung (3,88) ist etwas reduziert (Vorgänger: 4,16), d.h. die Krümmung der Kappe wurde erhöht. Die Zellenzahl stieg von 51 auf 54, wobei der Zugewinn vor allem in einen ausgefeilteren Außenflügel investiert wurde.
Ein Nitinol-Stab stützt den Stabilo und sorgt für scharf geschnittene "Falcon Wingtips". |
Als exklusives Merkmal von Gradient-Schirmen kann man die Eintrittskante betrachten, die wie schon beim Nevada 2 mit einem regelmäßigen Wechsel von erstaunlich schmalen und größeren Öffnungen daher kommt. Das VO-System (Variable Öffnungen) soll einen steten Luftstrom in die Kappe über einen großen Anstellwinkelbereich sichern. Dafür verzichtet Gradient auf den Einsatz eines Shark-Nose-Profils. In den Außenflügeln sind einige Zellen mit einer Art Gaze verschlossen.
Die verbauten Stäbchen an der Eintrittskante sind relativ kurz, besitzen aber eine deutliche Vorspannung, um das Profil sauber formen. Der Leinensatz ist ein gut durchdachter Mix aus Dyneema und Aramid, bei dem nur die kurzen Galerien unummantelt sind. Die Aufhängung ist klassisch. Sie verteilt sich auf drei Stammleinen pro Seite, mit A, B und C-Ebene sowie kurzen D-Gabeln unter der Kappe.
Die Eintrittskante des Golden 5 mit ihren variablen Öffnungen (VO-System). |
Der Golden 5 ist ein sehr gesitteter Starter, sowohl bei schwachem als auch bei starkem Wind. Die farblich eindeutig codierten Leinen fallen gut auseinander. Nur bei den oberen Abschnitten von Stabilo und C-Galerien, die aus unummanteltem, beigem Aramid bestehen, sollte man etwas genauer hinschauen.
Die Eintrittskante steht durch die Stäbchen sehr gut vorgeformt da und braucht nur einen geringen Impuls, um aufzusteigen.
Die Füllung mit dem VO-System funktioniert tadellos und harmonisch. Bei rund 70 Grad wird beim Golden 5 so etwas wie eine eingebaute Schießbremse wirksam. Der Schirm verliert deutlich an Schwung und muss vom Piloten bewusst und kontrolliert über diesen Punkt hinweggezogen werden. Vielen Piloten dürfte so ein leicht hängendes Verhalten entgegen kommen, bringt es doch automatisch etwas Ruhe in den Startablauf. Zumal der Golden 5 nicht die Tendenz besitzt, aus dieser Stellung sofort wieder zurückzufallen, wenn der Pilot nicht gleich reagiert. Auch ein Cobra-Start funktioniert mit dem Schirm ohne Probleme.
Landen:
nichts auffälliges. Der Schirm besitzt nicht ganz die Flare-Energie von typischen High-B-Schirmen.
Bremsen:
Die Bremse des Golden 5 ist ein bisschen ein besonderer Fall. Ich habe etwas länger gebraucht, um ihre Wirkungsweise besser zu verstehen; muss aber auch anmerken, dass ich mich bis zum Schluss meines Tests nicht ganz damit anfreunden konnte. Ich denke es wird weiter unten noch klar, warum.
Die Bremse des Golden 5 besitzt einen relativ kurzen Vorlauf. Das zwingt den Piloten dazu, im Trimm und beschleunigt wirklich eindeutig "hands-up" zu fliegen, um sich nicht durch eine unbewusste Vorbremsung ein paar km/h an Speed zu nehmen. Dennoch greift die Richtungswirkung der Bremse (je nach Anströmung) vergleichsweise spät, sodass man den Eindruck gewinnen könnte, der Schirm müsse mit erstaunlich tiefen Bremsausschlägen geflogen werden. Manchmal ist das auch so, aber nicht immer.
Im etablierten Thermikflug erweist sich die Bremscharakteristik des Golden 5 als effizient, während der gleiche Schirm v.a. bei leicht schiebendem Wind in seinen Reaktionen erstaunlich träge wirken kann. Eine derart diffuse Bremscharakteristik mit Licht, aber auch Schatten im gleichen Schirm, habe ich bei meinen Tests selten erlebt. Es ist auf jeden Fall ein Punkt, bei dem andere Piloten bei Testflügen mit dem Golden 5 darauf achten sollten, ob sie es auch so erleben.
(Wichtiger Hinweis: Ich bin den Golden 5 Größe 26 im Test leicht unter der Mitte beladen geflogen. Ich vermute, dass dem Flügel etwas mehr Zuladung sehr gut täte, um die Reaktionen der Kappe auf die Bremse zu schärfen. Wenn andere Lu-Glidz-Leser hier entsprechende Erfahrungen vorweisen können, bitte ich das in den Kommentaren anzumerken.)
Beim Starten bremst der Schirm auf rund 70 Grad ein und neigt dann nicht zum Überschießen. |
Der Golden 5 gehört zu jenen Schirmen, die nicht nur über die Tragegurte, sondern auch über die Bremsen differenziert anzeigen, was in den Luftmassen passiert. Dabei wirkt der Schirm aber nicht besonders nervös.
Der Schirm besitzt keine besonders ausgeprägte Tendenz, eindeutig zum Steigen hin zu ziehen wie beispielsweise ein Triple Seven Knight oder der Aircross U Fly 3. Er hat eine ganz eigene Art, auf die Strömungen zu reagieren.
Manchmal wirkt es, als ließe sich der Golden 5 von den Luftmassen etwas herumschubsen. Er giert dann unverhofft und richtet sich neu aus. Dieses Verhalten erinnerte mich an den Golden 2, den ich vor Jahren besaß. Wenn man sich auf die mitunter ruckartigen, leichten Richtungswechsel einstellt und nicht davon erschrecken lässt, können sie unverhofft ins Thermikzentrum führen. Es verlangt aber etwas Erfahrung mit dem Schirm, um solche Signale korrekt deuten zu lernen und das nötige Vertrauen darin aufzubauen.
In bewegter Luft arbeitet die mittelharte Kappe etwas in sich, lässt sich aber gut auf Spur halten und strahlt insgesamt eine angenehme Ruhe aus. Vor allem im Pitch ist der Golden 5 gut gedämpft und verlangt vom Piloten kaum einmal ein beherztes Eingreifen. Die Außenflügel stehen weitgehend stramm. Es kommt selten vor, dass sie am Thermikrand kurz flappen.
Die Bremse des Golden 5 ist im Außenflügel gerafft. |
Die zwei Charaktere der Bremse des Golden 5 offenbaren sich auch in seinem Kurvenverhalten. Ich hatte den Eindruck, dass der Schirm sensibler als andere auf die jeweils aktuelle Anströmung des Profils reagiert.
In sauber etablierten Thermiken lässt sich der Golden 5 eng und immer noch erstaunlich flach drehen. In turbulenteren Verhältnissen macht er aber nicht immer den wendigsten Eindruck.
Grundsätzlich lohnt es sich, den Schirm mit Gewichtseinsatz und deutlichen, aber kurzen Bremsimpulsen zu fliegen. Ist die Kappe einmal in der Schräglage eingestellt, behält sie diese willig bei, selbst wenn man die Bremse wieder weitgehend freigibt. Will man die Schräglage erhöhen, ist erneut ein kurzer, deutlicher Bremsimpuls nötig. Anschließend kann man die Bremsen wieder weitgehend lösen (was auch ratsam ist, um den Schirm mehr Speed und damit Reaktivität zu lassen). Der Schirm behält auch die neue Kreisbahn stabil bei.
Der Golden 5 bleibt beim Einflug in Thermiken weitgehend neutral und stellt sich nur selten ein wenig auf. Die in der Schräglage stabilen Kurveneigenschaften machen ihn zu einer angenehmen Kurbelmaschine, zumindest wenn die Bärte gut geordnet sind. Es ist beeindruckend, wie man sich in einem Steigkern regelrecht einhaken kann, um ohne größere Korrekturen souverän nach oben zu korken. In solchen Momenten hat mir der Golden 5 durchaus ein Lächeln aufs Gesicht gezaubert.
In engen, zerrissenen Verhältnissen empfand ich das Thermikfliegen mit dem Golden 5 allerdings als weniger intuitiv. Die immer mal wieder aufscheinende Tendenz, sich ein wenig herumschubsen zu lassen und in den Luftmassen zu gieren, lässt den Schirm in solchen Momenten schwammig und sperrig wirken. Wer sich hier nicht traut, auch mal mit zupackenden Bremsimpulsen zu arbeiten, riskiert es, aus dem Bart geschoben zu werden, bevor man überhaupt richtig eingedreht hat. Gerade beim niedrigen Einstieg in enge Thermiken vor einem Hang hätte ich mir gelegentlich eine direktere, vor allem aber konsistentere Lenkung des Schirmes gewünscht!
Die C-Gurt-Schlaufe ist etwas zu weich für einen direkten Kontakt zum Flügel. |
Der Beschleuniger des Golden 5 liegt vom Kraftaufwand her im guten Mittelfeld seiner Klasse. Voll beschleunigt erreicht der Schirm rund 10 km/h über Trimmspeed, wobei der Gleitpfad angenehm flach bleibt. Das Geschwindigkeitsfenster lässt sich bei Streckenflügen in Gänze sinnvoll nutzen. Das Fluggefühl ist dabei satt und spurstabil.
Der Tragegurt besitzt Schlaufen zur C-Gurt-Steuerung im beschleunigten Flug. Diese Schlaufen empfand ich zwar als gut positioniert, aber etwas zu weich, um darüber einen direkten Kontakt zum Flügel zu haben. Ich würde in der Praxis lieber gleich den Tragegurt greifen, wobei ich bei Schirmen in dieser Klasse eh empfehle, Pitch-Korrekturen direkt über den Beschleuniger auszuführen
Ohren anlegen:
Die Ohren lassen sich mit den äußeren, schmaleren A-Gurten leicht einholen. Sie bleiben aber eher klein und sind ohne Nachfassen nicht sonderlich effektiv. Dafür bleiben sie ruhig und öffnen ohne großes Zutun des Piloten. Um drin zu bleiben, müssen sie vom Piloten bewusst gehalten werden. Die Zugkräfte sind erträglich.
Steilspirale:
Auch in der Steilspirale spiegelt sich die Brems- und Kurvencharakteristik des Golden 5 wieder. Es braucht entweder etwas länger oder einen beherzteren Bremszug des Piloten, um die Steilspirale einzuleiten. Einmal drin, lassen sich die Sinkwerte sehr angenehm dosieren und auch in nicht so extremen Bereichen stabil halten, ohne ständig ein Aufrichten fürchten zu müssen.
Nicken:
Der Golden 5 ist recht pitchstabil und besitzt eine eingebaute Nickbremse. Man muss als Pilot schon mit Nachdruck arbeiten, um der Kappe wirklich größere Amplituden beim Aufschaukeln abzuringen. Das ist ähnlich wie beim Nova Ion 4 oder 5.
Kleine Gibus-Bögen über den Leinenansatzpunkten. |
Auch die Rollfreude des Flügels hält sich in Grenzen, wobei der Golden 5 hier im Normalflug nicht schwergängig wirkt. Nur mit Gewichtseinsatz kann man den Schirm aber kaum übermäßig ins Schaukeln bringen. Mit dem richtigen Timing beim Bremseinsatz zeigt der Schirm dennoch auch eine spaßige Seite.
Packen:
Der Golden 5 lässt sich gut und vergleichsweise kompakt packen, trotz des noch relativ schweren 38er-Skytex-Tuches an Ober- und Untersegel. Dafür ist das Innenleben etwas stärker ausgedünnt.
Qualität:
Hier liefert Gradient wie üblich ein sehr gutes Bild. Der Schirm und die Tragegurte sind sauber vernäht. Das stabilere Tuch mit Everlast-Beschichtung sollte einen jahrelangen Einsatz ermöglichen. Auch im Inneren zeigt Gradient u.a. mit dem Einsatz von Gibus-Bögen zur Kraftverteilung an allen Leinenansatzpunkten, dass hier auf kleinere Details Wert gelegt wird. Dazu gehört zum Beispiel auch, dass der Schmutzauslass an den Stabilos als ständig offener Kanal ausgeführt ist.
Fazit: Gradient bietet mit dem Golden 5 eine interessante Fortentwicklung seines traditionsreichen Schirmkonzeptes im Mid-B-Bereich. Viele bauliche Details zeigen den Anspruch der Marke, hohe Qualität und interessante technische Lösungen zu bieten – wie zum Beispiel die scharf geschnittenen Stabilos ("Falcon Wingtips"). Die sicheren Starteigenschaften, die hohe Flugruhe (Pitchstabilität), das im gesamten Geschwindigkeitsbereich überzeugende Gleiten und das durchaus ansprechende Kurvenhandling in geordneter Luft dürften viele Piloten, die einen typischen, nicht allzu fordernden B-Schirm suchen, als sehr angenehm empfinden. Allerdings verliert der Flügel in turbulenteren Verhältnissen an Kohärenz und Spurtreue. Er wirkt dann in der Lenkung zuweilen etwas schwammig.
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1 Kommentare
Hallo Lucian,
AntwortenLöschenein ähnliches Kurvenverhalten hatte ich auch bei meinem Golden 4, den ich teilweise leicht überladen geflogen hatte. Um den Schirm in der Thermik rumzureißen, sind sehr deutliche Steuerimpulse und Gewichtsverlagerungen notwendig und die Reaktion der Kappe wirkt leicht zeitversetzt. Ich vermute, dass mit der Markteinführung des Nevada der Golden etwas gestutzt werden musste. Ich habe mir daraufhin einen Nevada gekauft und bin der Meinung, dass dieser der bessere Golden ist :)
fly save!
Björn.
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