Der Independence Geronimo 3 ist ein High-B mit einer besonderen Thermikspürnase und einem feinen Kurvenhandling.  

Indepence Geronimo 3 im Streifendesign.
// Fotos: Lu-Glidz

Die im folgenden beschriebenen Eindrücke zum Independence Geronimo 3 habe ich in rund zehn Stunden Flug und Groundhandling rund um die Eifel gewonnen. Geflogen bin ich den Schirm in der Größe S 25 (65-95 kg) mit rund 92 kg Startgewicht. Das Gurtzeug war ein Karpofly Extra Light (Liegegurtzeug). Der Schirm wurde mir für den Test freundlicherweise von Fly-Market zur Verfügung gestellt.


[Wer noch keine Erfahrung damit hat, wie Lu-Glidz Schirme testet und auch feine Details beschreibt, der sollte zuerst die Interpretationshilfe für Schirmtests lesen!]


Bei der Entwicklung von Gleitschirmen gibt es verschiedene Wege. Manche Konstrukteure überarbeiten ein Konzept von Modell zu Modell in deutlich erkennbarer Weise, was schon beim Blick in die technischen Daten auffällig wird. Da wird z.B. die Streckung und/oder die Zellenzahl erhöht, was klar suggeriert, dass es sich hier um einen anderen Schirm handeln muss. Allerdings birgt dieser Ansatz das Risiko, dass manche positiven Eigenschaften des Vorgängers sich im Nachfolger nicht unbedingt wiederfinden.

Eine andere Möglichkeit besteht darin, ein bewährtes Schirmkonzept weitgehend beizubehalten und nur einem weniger offensichtlichen Feintuning zu unterziehen – vor allem um erkannte Schwächen auszumerzen. In diese Kategorie fällt der Geronimo 3 von Independence. Von den technischen Daten her unterscheidet er sich kaum vom Geronimo 2 (s. Test auf Lu-Glidz), der schon vor sechs Jahren auf den Markt kam: 59 Zellen, eine ausgelegte Streckung von 5,7 und drei Stammleinenebenen. 

Die Stoffwahl (jetzt: Dokdo D20 mit doppelter Beschichtung) und die innere Struktur mitsamt stützenden Nylondraht-Bögen (Gibus-Archs) über etlichen Leinenansatzpunkten sind auf Haltbarkeit ausgelegt. In Zeiten, da viele Hersteller auf semi-light setzen, mag das Gewicht von 5 kg für einen Schirm in Größe S anachronistisch klingen. Ich finde es jedoch gut, wenn es weiter Schirmmodelle am Markt gibt, die erkennbare Robustheit in die Waagschale der Kaufargumente werfen. Wer des Öfteren an raueren Startplätzen des Südens startet, wird das zu schätzen wissen.

Farbcodierte Leinen und Tragegurte.

Ins Auge springt das neue Farbdesign, das jetzt in einem auffälligen Streifenmuster daherkommt. Der Leinensatz wurde umgestellt. Statt komplett aus Aramid ist es jetzt ein Mix aus ummantelten Stammleinen (A+B) aus Dyneema (PPSLS) und unummanteltem Edelrid Technora 8000 auf der C-Ebene und in den Galerien. Die Leinen sind insgesamt etwas dünner im Dienste des Leistungsgewinns. 

Letzterem dürfte auch die Umstellung des Stäbchenmaterials in der Eintrittskante dienen. Hier kommt ein steiferes Material zum Einsatz, das dem Profil schon am Boden sichtbar mehr Vorspannung gibt. 

Die für den Schirmcharakter her deutlichste Veränderung steckt allerdings im Profil. Independence hat für den Geronimo 3 eine Variante gewählt, bei der die Last des Piloten fast komplett an der A- und B-Ebene hängt. Die C-Leinen (und die kurzen D-Gabeln der Galerie) sind im Trimmflug so wenig belastet, dass sie im Fahrtwind sichtbar nach hinten ausbauchen. Zieht man an den C-Gurten, so hat man einen kurzen Leerweg, bis die Leinen spürbar greifen und der Hinterflügel sich sogar hörbar etwas stärker spannt. Erst im voll beschleunigten Flug kommen die C-Leinen sichtbar unter Spannung. Derart ausgeprägt ist mir diese Eigenheit bisher noch bei keinem anderen EN-B-Schirm begegnet.

Nun muss ich hier anmerken, dass mein Testschirm so gut wie fabrikneu war. Nach einigen Flugstunden werden sich die wenig belasteten C-Leinen sicher noch etwas verkürzen, sodass dieser Effekt nicht mehr so markant sein dürfte. Die Last an den C-Gurten wird aber weiter gering bleiben. Einen Nachteil dieser Lastverteilung konnte ich im Flug nicht erkennen. 


Start an der Winde mit dem Geronimo 3
// Foto: G. Kiphard

Starten: Wie schon sein Vorgänger ist auch der Geronimo 3 ein hervorragender Starter. Die farbcodierten Leinen sind leicht zu sortieren und bieten gute Übersicht. Zum Aufziehen nimmt man am besten nur die inneren A-Gurte. Der Schirm bildet trotzdem sehr schnell seine Spannung über die gesamte Spannweite auf und steigt dann zuverlässig und spurtreu als Block. Diese Eigenschaft ist so ausgeprägt, dass man den Schirm im Starkwind sogar mit nur einem A-Gurt (eine Seite) kontrolliert aufziehen kann, ohne dass die Kappe hängen bleibt oder störend ausbricht. Für einen Schirm mit einer Streckung von 5,7 ist das durchaus bemerkenswert. Diese Variante mit dem einseitigen Aufziehen ist bei Starkwind sogar hilfreich, um die Dynamik zu reduzieren. Der Schirm kommt dann weniger schwungvoll hoch.
Beim Aufstieg kennt der Schirm kein Hängenbleiben. Man muss aber auch kein sportliches Vorschießen befürchten. Die Kappe regelt sich gut über dem Piloten ein. Nur bei kräftigerem Wind sollte man nicht zu grobmotorisch an den Gurten zerren. Sonst springt der Schirm regelrecht nach oben, und der überraschte Pilot, der auf die Bremse geht, kann ausgehebelt werden.
Insgesamt ist das Startverhalten so verlässlich und berechenbar, dass ich mich mit diesem Schirm auch an schwierige, kurze Bergstartplätze trauen würde. Auch Cobra-Starts macht der Geronimo 3 in überzeugender Weise mit, genauso wie er an der Winde eine gute Figur abgibt.


Landen: prima. Der Geronimo 3 besitzt ein sehr angenehmes Flare-Verhalten und ermöglicht auch ohne Tricks schöne, ausgeflogene Landungen. Der Zugweg auf der Bremse bis zum Abriss ist dabei im Rund der High-B-Flügel vergleichsweise kurz.


Der Tragegurt des Geronimo 3

Bremsen: Die Bremsen haben einen normalen Vorlauf von rund 10 cm. Die Bremsspinne greift relativ gleichmäßig, aber etwas außenbetont an der Hinterkante an. Der Bremsdruck ist mittel und steigt langsam und nicht allzu markant an. Im üblichen Steuerbereich  empfand ich diese Einstellung als sehr angenehm. 
Ein interessantes Feature: Der Steg zur Verbindung der Bremsrolle mit dem Tragegurt ist vergleichsweise lang ausgeführt, was ein effektives Brake-Shifting zur differenzierten Steuerung ermöglicht. Unter Brake-Shifting versteht man eine Steuertechnik, bei der die Bremse nicht nur nach unten gezogen, sondern die Bremshand auch auf einer Höhe seitlich nach innen oder außen verschoben wird. Dadurch hat man Einfluss darauf, ob die Bremse mehr außen oder innen am Flügel angreift. Hierdurch bietet der Geronimo 3 viel Spielmöglichkeit bei der Steuerung.
Loben kann ich auch den Bremsgriff. Er hat eine angenehme Größe und einen semiflexiblen, leicht gepolsterten Steg, der für die verschiedensten Griffvarianten taugt. Nicht gefallen hat mir die Qualität der Bremswirbel. Die waren, zumindest bei meinem Testschirm, nicht leichtgängig genug, um ein Verdrillen der Bremsleinen beim häufigeren Wickeln zu verhindern. Vielleicht hätte aber auch schon ein Tropfen Öl geholfen...


Die innere Struktur im Röntgenblick.

Kappenfeedback: Der Geronimo 3 ist gesprächiger geworden als sein Vorgänger. Er ruckelt und zuppelt häufiger und irgendwie direkter, was vor allem über die Tragegurte spürbar wird. Vielleicht ist das ein Effekt des neuen Profils, der größeren Last auf den A-Gurten und der durch steifere Stäbchen stärker vorgespannten Vorderkante. Dieser Spritzer mehr Sportlichkeit, gepaart mit mehr Agilität auf der Roll-Achse, verschiebt den subjektiven Pilotenanspruch nun stärker in Richtung eines typischen High-B. 
Damit einher geht eine sehr gute Spürnase für die Strömungen in der Luft. Ein Tripleseven Rook 3 oder ein Niviuk Ikuma 2 sind da zwar noch einen Ticken feinfühliger. Aber der Geronimo 3 kann hier durchaus glänzen, macht das ähnlich gut, wobei er unterm Strich das etwas entspanntere Fluggefühl vermittelt. Als Pilot muss man eine solche Gesprächigkeit freilich mögen und zu nutzen wissen. Im Vergleich zu den beiden genannten Schirmen ist der Geronimo 3 vor allem auf der Bremse etwas weniger mitteilsam. 


Kurvenflug: Neben dem Startverhalten hat mir der Geronimo 3 vor allem in diesem Punkt sehr gut gefallen. Es gibt wenige Schirme im High-B-Bereich, die sich im Kurvenverhalten so vielseitig und differenziert zeigen. Da hat der Schirm auch gegenüber dem Vorgänger deutlich gewonnen. 
Oben im Abschnitt "Bremsen" hatte ich schon die Spielmöglichkeiten bei der Steuerung angedeutet. Der Geronimo 3 reagiert gut auf Gewichtsverlagerung, und wer die bewusst einsetzt, braucht nur wenig Innenbremse, um den Schirm flache Kreise mit schon nutzbar engen Radien fliegen zu lassen. Wer es zeitweilig noch enger braucht, kann per Brake-Shifting (Bremshand nach innen) nachhelfen, ohne die Schräglage deutlich zu erhöhen. Eine Stütze über die Außenbremse ist da kaum nötig.
Bei tieferem Bremseinsatz lässt sich der Geronimo 3 freilich auch leicht auf größere Schräglagen bringen und halten. Hierbei muss man allerdings fein dosiert mit der Außenbremse als Stütze arbeiten, sonst kann der Schirm ineffizient zu graben beginnen.
Gefallen hat mir vor allem, wie konstant der Schirm in egal welcher Schräglage seine Kreise zieht. Es gibt Schirme, die eine Art Lieblingsschräglage besitzen und dann z.B. beim steileren Kurven immer in diese zurückfallen wollen, was ständiges Nacharbeiten verlangt. Beim Geronimo 3 ist das nicht nötig. Der kurvt flach wie steil genauso konstant und in positiver Weise stoisch. 


Die Eintrittskante des Geronimo 3 steht schon
am Boden sehr sauber. 

Thermikeigenschaften: Das vielseitige Kurvenverhalten des Geronimo 3 überträgt sich auch ins Thermikfliegen. Ob schwach oder stark, weit oder eng, flach oder steil, der Flügel macht stets eine gute Figur und ist ein echter Allrounder. Anders als der Vorgänger zeigt der Schirm nur noch selten die Tendenz, sich beim Einflug in stärkere Bärte etwas aufzustellen. Eher zieht er spürbar, aber ohne überraschende Hast hinein. 
Wenn man den Schirm gewähren lässt, erweist er sich als hervorragender Thermikschnüffler. Die Konstanz beim Kreisen hilft, auch sehr schwache, versetzte Thermikbärte auszukurbeln, ohne ständig dagegen ankämpfen zu müssen, aus dem Steigen geschoben zu werden. 
Etwas störend empfand ich die Tendenz zum Graben bei größeren Schräglagen und dem Nachziehen in engen Steigkernen. Hier liegt es beim Piloten, das ausgewogene Spiel von Innen- und Außenbremse zu üben, um manche Haken auch effizient ohne größere Durchtaucher fliegen zu können. Insgesamt würde ich dem Geronimo 3 ein Thermikflugverhalten zusprechen, das gerade wegen der Vielseitigkeit und dem guten Mitnehmen schwachen Steigens überzeugen kann. Gerade auch Flachlandpiloten werden daran ihre Freude haben. 


Beschleuniger: Independence hat dem Geronimo 3 große, kugelgelagerte Beschleunigerrollen am Tragegurt spendiert. Damit hält sich der Kraftaufwand beim Drücken des Gaspedals, anders als noch beim Vorgänger, nun in angenehmen Grenzen. Ein fein dosiertes Spielen mit dem Beschleuniger wird möglich.
Auch beim Topspeed hat der Schirm zugelegt. Ich konnte rund 12 km/h Geschwindigkeitszuwachs erfliegen, was als guter Durchschnitt im High-B-Sektor gesehen werden kann. Zumindest bis Zweidrittel-Gas bleibt die Polare angenehm flach. Der Schirm fliegt spurtreu und ohne störende Rollneigung.
Fast ein wenig schade ist es da, dass der Geronimo 3 noch nicht dem allgemeinen Trend folgt, bei Schirmen dieser Kategorie auch eine BC-Steuerung vorzusehen. Am Tragegurt finden sich weder Griffe noch eine Kopplung von C- und B-Tragegurt. Die meisten werden sicher auch gut ohne auskommen. Doch manche leistungsorientierten XC-Piloten könnten dieses Feature vermissen und den Schirm deshalb erst gar nicht in Betracht ziehen, obwohl er das von seinen sonstigen Flugeigenschaften her durchaus verdient hätte. 


Die Ohren sind ruhig

Ohren anlegen: Die Ohren legen sich sauber an und schlagen nicht. Die Haltekraft ist gering. Die erzielbaren Sinkwerte bleiben moderat. Die Wiederöffnung erfolgt deutlich verzögert. In ruhigen Verhältnisse müssen die Ohren vom Piloten aktiv aufgepumpt werden. 


Steilspirale: Die Einleitung erfolgt etwas flotter als noch beim Vorgänger, birgt aber keine Überraschungsmomente. Einmal drin, kann der Geronimo 3 schnell hohe Sinkwerte und auch G-Kräfte erreichen. Die Steilspirale lässt sich dabei sehr fein kontrollieren und einstellen. Die Ausleitung ist etwas verzögert.


Nicken: Das Profil des Geronimo 3 ist im Vergleich zum Vorgänger etwas weniger pitchgedämpft, ohne vom Piloten im Normalflug deutlich mehr Kontrolle zu verlangen. Der damit verbundene, leichte "Biss" trägt zur etwas größeren Sportlichkeit und Agilität des Flügels bei. Damit folgt Independence nicht dem Trend vieler Entwickler, auch bei High-B-Schirmen immer nickgedämpftere Profile zu verbauen, um für mehr Entspannung auf XC-Flügen zu sorgen. 


Rollen: Auch in diesem Punkt hat der Geronimo 3 im Vergleich zum Vorgänger an Agilität zugelegt. Der Schirm lässt sich mit getakteter Gewichtsverlagerung nun gut aufschaukeln und mit nur wenig Bremseinsatz zu hohen Wingovern überreden. Er taugt damit vielleicht noch nicht als echter Freestyler, aber der Schirm hat durchaus eine spaßige Seite.


Gibus-Bögen

Packen: Problemlos. Allerdings sorgen das doppelt beschichtete Tuch, die steifen, gekreuzten Stäbchen in der Eintrittskante und die stabile Konstruktion mit sogenannten Gibus-Bögen im Inneren des Schirmes dafür, dass das geviertelt gefaltete Päckchen am Ende doch etwas dicker aufträgt. Hier merkt man schon, dass der Geronimo 3 eben kein Leichtschirm ist. 


Qualität: Da hatte ich bei meinem Testschirm nur in einem Punkt etwas zu meckern. An einem der Tragegurte war eine Beschleunigerrolle etwas tiefer angenäht als beim anderen (alles andere war längengleich). Diese Abweichung war der Qualitätskontrolle wohl durchgerutscht. Independence bot mir auf meinen Hinweis hin direkt den Austausch des Tragegurtes an. Für den Test habe ich darauf verzichtet, weil nicht sicherheitsrelevant. Das kleine Malheur zeigt nur einmal mehr, wie wichtig es ist, fabrikneue Schirme genauer unter die Lupe zu nehmen und zumindest simple Symmetriechecks zu machen, um augenscheinliche Abweichungen zu entdecken.
Vorgeschlaufte C-Leinen.

Von diesem kleinen Malheur abgesehen, fand ich sowohl die Materialauswahl, als auch die Nähqualität und die Genauigkeit der Designübergänge in der Kappe sehr gut. Von der Stabilität und Kraftverteilung (u.a. Gibus-Archs) an den Leinenansatzpunkten könnten sich manch andere Hersteller noch etwas abgucken. Löblich finde ich auch die trimmfreundliche Vorschlaufung der Leinen auf der C-Ebene. So lässt sich die zu erwartende Schrumpfung leichter ausgleichen.


Fazit: Mit dem Geronimo 3 hat Independence die kleineren Schwächen des Vorgängers ausgemerzt. Herausgekommen ist ein Schirm, der mit etwas mehr Agilität, Speed und Sportlichkeit vom Pilotenanspruch her nun eindeutiger auf den High-B-Sektor zielt. Dort braucht er sich vor den Konkurrenten renommierterer Marken nicht zu verstecken. Im Gegenteil: Die Summe von Start-, Kurven- und Thermikflugverhalten gehört mit zum Besten, was man derzeit als Kombination in dieser Klasse findet, und das ohne dezidierten Leichtbau. Leistungsorientierte XC-Piloten werden vielleicht die BC-Steuerung vermissen. Aufsteiger werden sich an die Gesprächigkeit der Kappe gewöhnen müssen. Unterm Strich bleibt ein solider und ansprechender High-B-Allrounder, der auch für Flachlandpiloten eine interessante Option darstellt. 


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