Die junge tschechische Marke Drift Paragliders fliegt mit ihrem ersten High-B namens Hawk gleich oben mit in dieser stark umkämpften Klasse. 

Das Obersegel des Hawk ziert das markante
Schwingendesign. // Bild: Drift Gliders

Die im folgenden beschriebenen Eindrücke zum Drift Hawk habe ich in etlichen Flug- und Groundhandlingstunden unter sehr unterschiedlichen Bedingungen in der Eifel und in den Alpen gewonnen. Geflogen bin ich den Hawk in der Größe S (70-92 kg) mit rund 90 kg Startgewicht. Als Gurtzeuge kamen ein Karpofly Extra Light und ein Bogdanfly zum Einsatz (beides Liegegurtzeuge). Der Schirm wurde mir für den Test freundlicherweise von den deutschen Drift-Händlern Vincent Grampp und Michal Bechyne zur Verfügung gestellt. Michal organisiert derzeit kommissarisch auch den Vertrieb für Österreich und die Schweiz.

[Wer besser verstehen will, mit welchem Fokus Lu-Glidz Gleitschirme testet und im Text auch feinen Details zuweilen viel Raum gibt, der sollte zuerst die Interpretationshilfe für Schirmtests lesen!]


Drift ist eine junge tschechische Marke, hinter der allerdings "alte Hasen" stecken. Stanislav Klikar and Kryštof Klimpar haben enige Jahre für Axis Paragliders gearbeitet und Schirme entwickelt (s. auf Lu-Glidz: Neue Marke: Drift Paragliders). Vor rund 1,5 Jahren gingen sie mit Drift an den Start, um ihre eigenen Ideen besser verwirklichen zu können. 

Das Schirmportfolio ist noch überschaubar. Als erstes brachten sie den EN-A Carancho auf den Markt, der von seinen technischen Daten und der Leistung her eher einem Mid-B-Schirm entspricht. Es folgte der Hawk als High-B. Beide weisen ein auffälliges Vogelschwingen-Design im Obersegel auf. 

Das Schnabelprofil des Hawk. Obenauf ist die Naht
des negativen 3D-Shapings zu erkennen.
// Bild: Lu-Glidz 

Der Hawk ist als Leichtschirm ausgelegt. Er besitzt 57 Zellen, eine Streckung von 5,8 und bringt in der getesteten Größe S 3,7 kg auf die Waage. Als Tuch kommt rundum und auch im Inneren Porcher Skytex 27 (double coated bzw. hard-finish) zum Einsatz. Nur die Eintrittskante ist aus 32er-Skytex genäht. Die Beleinung ist ein moderner Mix aus ummantelten, dünnen PPSL-Dyneema- und unummantelten Aramid-Leinen.

Die eigene Version einer Sharknose mit leicht zurückversetzten Öffnungen nennt Drift übrigens Beak (Schnabel). Für eine höhere Formtreue im beschleunigten Flug kommt an der Schnabelspitze negatives 3D-Shaping zum Einsatz. In einigen Zellöffnungen sitzen mittig Zwischenbänder eingenäht, die störende Segelvibrationen reduzieren sollen. Am Obersegel ist ein doppeltes 3D-Shaping zu finden.

Der Tragegurt ist für die C/B-Steuerung optimiert. Es gibt ihn in einer Standardversion mit normalen Leinenschlössern und einer Ultralight-Variante (mit Softlinks etc., 200 Gramm leichter). Ich habe einen Schirm mit Standard-Tragegurten getestet. 


Kobra-Start mit dem Hawk. Die Leinen sind farblich
gut unterscheidbar. Löblich: Extra Ummantelung
der A3- und Stabilo-Leine im unteren Teil.
// Bild: Lu-Glidz

Starten:
 Der Hawk ist ein guter Starter, wenn auch mit einer kleinen Besonderheit. Wie die meisten Leichtschirme steigt er beim Aufziehen vorwärts wie rückwärts gut. Allerdings schickt er dabei gerne die Außenflügel voran, knickt anfangs in der Mitte etwas ein und springt erst im weiteren Aufstieg in seine voll aufgespannte Form. Um die daraus resultierende Unruhe zu vermeiden, sollte man seine Starttechnik etwas anpassen. Es reicht nicht, nur die inneren A-Gurte zu nehmen. 
Mein Vorgehen für den Rückwärtsstart mit Wind: Den Schirm Vorfüllen. Nun einen ersten, eigentlich zu schwachen Impuls geben, der gerade ausreicht, um den Schirm etwas anzulupfen. Kurz abwarten, dass die Außenflügel nach dem Lupfer wieder zurückfallen. Dabei streckt sich die Mitte. In diesem Moment einen zweiten Impuls geben und den Schirm komplett nach oben führen. Das klingt komplizierter als es tatsächlich ist. Mit diesem Trick, der übrigens auch bei anderen Schirmtypen mit so einem Verhalten funktioniert, wird aus dem Hawk tatsächlich ein sehr angenehmer Starter, auch bei wenig Wind. 
Für Vorwärtsstarts, bei denen das Anlupfen ja unpraktikabel ist, empfiehlt es sich, den Schirm betont bogenförmig auszulegen und nur mit den inneren A-Gurten aufzuziehen.
Im Zenith angekommen, hat der Schirm eine ganz leichte Tendenz zum Überschießen. Das lässt sich aber mit passender Beinarbeit (Entgegenlaufen) gut kontrollieren.
Obwohl die Kappe sehr leicht ist, zeigt sie Bodenhocker-Qualitäten. D.h. sie lässt sich bei etwas mehr Wind noch gut am Boden halten, ohne dass die Außenflügel sich ständig aufschwingen wollen. Der Schirm lässt sich im Starkwind auch gut über die C-Gurte kontrollieren und sogar stallen. Die Kopplung von C- und B-Gurt für die C/B-Steuerung setzt tief genug an, um auch die C-Ebene allein ausreichend  aktivieren zu können. 
Der Leinensatz ist sortierfreundlich, die Ebenen sind farblich gut unterscheidbar. Sehr löblich finde ich, dass Drift dem Hawk auf dem unteren Meter der ansonsten nackt-beigen Stabilo-Leine einen sehr gut erkennbaren, knallgelb ummantelten Abschnitt spendiert hat. Das ist nicht nur beim Sortieren am Boden, sondern auch bei möglichen Verhängern in der Luft eine Erkennungshilfe, wie sie eigentlich alle Schirme haben sollten. 


Landen: Problemlos und gut berechenbar. Der Hawk besitzt ein fein dosierbares Flare-Verhalten. Achtung: Die Strömung am Flügel reißt im Vergleich mit manch anderen High-B-Schirmen etwas früher ab. 


Raffsystem an Hinterkante.
// Bild: Lu-Glidz

Bremsen:
 Die Bremsgriffe sind leicht aufgepolsterte, weiche Gurtschlaufen. Sie lassen sich gut greifen und auch angenehm halb gewickelt fliegen. Der Vorlauf der Bremsen liegt im üblichen Bereich von rund 10 cm. Der Bremsdruck ist leicht bis mittel und wird auch bei langen Flügen nicht anstrengend. Die Bremsspinne greift von Anfang an und von Raffbändern unterstützt gleichmäßig über die gesamte Hinterkante. Das ergibt eine reaktive, lineare, aber nicht nervöse Steuercharakteristik, die mir in der Abstimmung gefallen hat. Das Ergebnis ist eine gute Balance aus spielerischem und fein dosierbarem Kurven- und Thermikhandling in allen Schräglagen. Ich hatte damit schnell das Gefühl, den Schirm intuitiv im Griff zu haben. 


Kappenfeedback: Auch in diesem Punkt ist der Hawk sehr gefällig, zumindest wenn man Flügel mag, die etwas mehr mit dem Piloten sprechen. Die Rückmeldungen kommen sowohl über die Tragegurte als auch über die Bremsen, wobei die Tragegurte den "lauteren" Kanal darstellen. Wenn Aufsteiger von einem gedämpfteren A-Schirm oder Mid-B kommen, werden sie den Hawk sicher als recht mitteilsam empfinden. Vor allem auf der Rollachse ist der Flügel gesprächig und zeigt Thermikposition bzw. Steigzentren gut an. Ich würde ihn aber in diesem Punkt als etwas weniger "nervös" als z.B. einen Niviuk Ikuma 2P oder den Tripleseven Rook 3 einstufen. Charakterlich ähnelt er da eher dem BGD Base 2 light, wirkt aber einen Ticken weicher und weniger kompakt. Er zeigt zuweilen mit leichten Verbiegungen an, wenn die Luft unsauber wird. Insgesamt ist das ein sehr ehrliches Feedback, auf das man als Pilot gut reagieren kann, um sich nicht als Spielball der Luftmassen zu fühlen. 


Das Innenleben im Röntgenblick. Das Bild zeigt auch
die gleichmäßige Anlenkung der Bremse über
die gesamte Hinterkante. // Bild: Lu-Glidz

Kurvenflug: Auch hier hat mich der Hawk an den im Frühjahr getesteten Base 2 light erinnert, mit kleinen Abstrichen in der Agilität. Der Hawk nimmt alle Schräglagen ohne besondere Steuertricks an, kann sehr flach aber auch steil gedreht werden. Der Schirm spricht dabei sehr gut auf Gewichtsverlagerung an. Es lohnt sich, diese sehr bewusst einzusetzen! Die Außenbremse ist dann erst spät als Stütze nötig. 
Die Kappe erlaubt verschiedenste Steuertechniken, auch das ganz flache Kreisen mit Gewichtsverlagerung nach außen, ohne irgendwann sperrig zu wirken. 
Ein besonders löbliches Feature: Der Schirm behält eine einmal eingestellte Schräglage ziemlich stur bei. Selbst in stärkeren Thermikkernen zeigt er keine Tendenz, sich störend aufzurichten und abdrängen zu lassen. Das Thermikkreisen erfordert deshalb relativ wenig Nacharbeit. Muss man mal besonders enge Haken schlagen, spricht die Kappe sehr gut auf eine impulsartige Gewichtsverlagerung plus Brake-Shifting an. (Brake Shifting bezeichnet eine Steuertechnik, bei dem die Bremse nicht einfach nach unten, sondern seitlich vor den Piloten gezogen wird. Durch diesen Shift der Bremsachse wird der Außenflügel in Richtung Stabilo stärker angelenkt.)


Thermikeigenschaften: Das Kurvenflugverhalten führt zu einem ebenso überzeugenden  Thermikflugcharakter. Der Hawk kreist in konsistenten Bärten wie auf Schienen. Beim Einflug verhält er sich weitgehend neutral. Zuweilen zieht er leicht nach vorne, ohne dass man ihn deshalb gleich stärker an die Zügel nehmen müsste. Beim Herausfallen lässt eine angenehme, aber noch nicht übertriebene Pitchdämpfung den Puls des Piloten nicht unnötig ansteigen. 
In schwachen Aufwinden empfand ich die Steigwerte als durchschnittlich. Vielleicht lag das auch daran, dass ich den Schirm weit oben im Gewichtsbereich geflogen bin. Allerdings hilft das gute Kappenfeedback und das spielfreudige Thermikhandling dabei, auch verquaste Bärte gut auszunutzen. In harmonischen Schläuchen kann man mit angepasster Steuertechnik noch mehr Steigleistung aus dem Flügel kitzeln, indem man den Außenflügel auftriebsfördernd maximal laufen lässt und für die Pitchkontrolle die C/B-Steuerung anstelle der Außenbremse einsetzt. Das funktioniert mit dem Tragegurt des Hawk sehr gut.
In turbulenteren Blasen schüttelt sich die Kappe zuweilen und verliert dabei ein wenig an Steigperformance. Es gibt andere Modelle, die mit höherer Querspannung im Schirm durch solche Lüfte pflügen. Hier ist man beim Hawk etwas stärker als aktiv fliegender, in der Hüfte lockerer Pilot gefragt.  


Griff der C-Steuerung.
// Bild: Lu-Glidz

Beschleuniger:
 Der Hawk besitzt kugelgelagerte Harken-Beschleunigerrollen. Damit ist das Speed-System ohne größere Anstrengung zu treten und zu halten, auch wenn das z.B. bei einem Niviuk Ikuma 2P oder Gin Explorer 2 noch leichter geht. Bei Fullspeed habe ich einen Zuwachs von rund 12 km/h über Trimmgeschwindigkeit erflogen. 
Fein gelöst ist beim Hawk die C/B-Steuerung. Der B-Gurt ist im Grunde gar kein Gurt mehr, sondern nur noch ein Flaschenzug, der zwischen C- und A-Gurt aufgehängt ist – ähnlich wie beim Ozone Rush 6. Zieht man den C-Gurt herab, wird automatisch mit Untersetzung auch die B-Ebene aktiviert. Darüber lässt sich der Anstellwinkel des Flügels in kleineren Turbulenzen relativ einfach und ohne größere Leistungseinbußen im "gesunden" Bereich halten, ohne dafür aus dem Gas gehen zu müssen. 
Auf dem C-Gurt sitzt ein gut zu fassender Kunststoffgriff. Die Position ist gut gewählt. Man wird nicht dazu gezwungen, im Speed mit stark nach oben gestreckten Armen zu fliegen, was u.a. mit Blick auf den Luftwiderstand suboptimal wäre. Vielmehr kann man eine normale Armhaltung auf Höhe der Neutralposition der Bremse einnehmen. 
Der Kraftaufwand der C/B-Steuerung bewegt sich in einem gut erträglichen Rahmen. Ein Base 2 light oder ein Rook 3 sind hier aber durchaus leichter zu bedienen. Vor allem am Anfang muss man beim Hawk erst einmal einen gewissen Widerstand überwinden, was aber noch keine Klimmzüge erfordert. Es gibt viele andere High-B auf dem Markt, die hierbei deutlich mehr Kraft erfordern. 
Da die C/B-Steuerung beim Hawk die komplette Flügelseite erfasst, lässt sie sich auch gut zur Richtungssteuerung und sogar beim Thermikfliegen (zur Pitchkontrolle des Außenflügels) einsetzen.
Die Polare bleibt beim Beschleunigen angenehm flach und bricht erst spät ein. Leistungsmäßig kann der Hawk mit den im Test genannten direkten Konkurrenten gut mithalten. Der Schirm wirkt im Speed sehr stabil, besitzt einen guten Geradeauslauf und zeigt keine störende Rolltendenz. Das lädt zum ambitionierten Streckenfliegen ein.


Sauber gespleißte A3-Leine
mit blauem Mantel.
// Bild: Lu-Glidz

Ohrenanlegen:
 Das macht der Schirm sehr gut. Die Ohren legen sich stabil an und schlagen nicht. Sie brauchen auch so gut wie keine Haltekraft, um drin zu bleiben; was freilich bedeutet, dass sie nur sehr verzögert wieder aufgehen. Der Pilot muss unterstützend mit den Bremsen pumpen, wenn es schneller gehen soll.
Ein kleines, aber feines Detail: Die A3-Leinen zum Ohrenanlegen, eigentlich aus nacktem Aramid, sind im unteren Bereich, dort wo man hineingreift, blau ummantelt. Damit sind sie von allen anderen Leinen gut zu unterscheiden. Zugleich schneiden sie nicht so in die Finger ein. Eine nachahmenswerte Lösung!


Steilspirale: Die Steilspirale lässt sich gut, leicht verzögert und ohne Überraschungsmoment einleiten. Als Langleiner entwickelt der Hawk dabei recht hohe G-Werte und dreht gerne etwas nach. Bei stärkeren Sinkwerten ist eine sauber gesteuerte Ausleitung empfehlenswert.


Nicken: Der Hawk hat eine für mein Empfinden gute Nickdämpfung, ohne dass sie schon zur Spaßbremse wird. Im normalen Flugbetrieb wirkt das entspannend. Es ist selten mal nötig, den Schirm mit sehr tiefer Bremse  abzufangen. Dennoch behält der Schirm ausreichend Energie für spielerische Lufttänze, auch wenn er konstruktiv nicht auf Freestyle ausgelegt ist. 


Rollen: Der Schirm spricht gut auf Gewichtsverlagerung an. Die Rollfreude ist aber noch ausreichend gedämpft, um nicht nervös zu wirken. Eine aus meiner Sicht sehr angenehme Abstimmung. 


Packen: Drift wirbt auf seiner Website mit "E2P" als Feature des Hawk. Das Kürzel E2P steht für Easy to Pack. Dem kann ich zustimmen. Ich habe den Schirm problemlos auch in einen kleinen Zellenpacksack Gin-Concertina-Compress 2.7 untergebracht. Der Hawk wird von Drift in einem etwas größeren Concertina-Packschlauch mit Reißverschluss geliefert. 


Die "inneren" Qualitäten des Hawk: Sauber verstärkte
Aufhängung, Klebesegelstreifen in Zugrichtung.
// Bild: Lu-Glidz

Qualität:
 Da gibt es nichts zu meckern. Der Schirm ist von der Materialauswahl "state of the art". Die Kappe zeigt ein gutes Nahtbild, die Designübergänge sind sehr sauber ausgeführt. Auch im Inneren findet man an den entscheidenden Stellen Verstärkungen. Zum Beispiel sind die Diagonalrippen mit  passend ausgerichteten Klebe-Ripstop-Streifen in Zugrichtung verstärkt, um die Dehnung zu reduzieren. 
Gut gefallen hat mir auch der nutzerfreundliche Leinensatz mit farblich gut erkennbaren A3- und Stabilo-Leinen. Von solchen, in der Praxis durchaus hilfreichen Lösungen könnten sich manch andere Hersteller noch etwas abschauen.


Fazit: Der jungen Marke Drift ist ein überzeugendes Debüt in der High-B-Klasse gelungen. Der Hawk ist ein leistungsstarker Leichtschirm-Allrounder mit ansprechendem Handling. Dennoch wurde – in positiver Weise – nicht alles dem Leistungsgedanken untergeordnet, sondern auch daran gedacht, was für die Piloten "praktisch" ist. Dazu gehören die bedienfreundliche Beleinung und das kleine Packmaß. Die Kombination von all dem macht den Schirm besonders interessant für schon etwas erfahrenere Piloten, die nicht nur XC, sondern auch Reisen, Volbiv und Hike-and-Fly im Fokus haben. Gerade für diese Zielgruppe kann es sich auf jeden Fall lohnen, den Hawk einmal genauer anzuschauen.  


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